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Flirty Campaigning. Eine Wutrede.

Ohne ÖVP wird in Tirol auch weiterhin nix gehen, so viel ist schon vor der Landtagswahl am 25. Februar fix. Und fix ist auch: Kaum wer will es sich in Tirol mit der schwarzen Allmacht verscherzen. Alles soll offenbar so bleiben, wie es schon immer war (Ist ja auch inoffizielles Tiroler Landesmotto). Die schwarze Allmacht vulgo ÖVP Tirol ist auch nicht türkis geworden, sondern schwarz geblieben – vermutlich, weil auf die Schnelle nicht mehr genug türkiser Trachten-Lodenstoff am Markt war. Weiß man’s?

Von den übrigen antretenden Parteien gibt es mehr oder weniger Kuschelrhetorik zu hören. Man will den Spagat zwischen leiser Kritik an den Zuständen (nicht an der ÖVP) und dem sich Anbiedern schaffen – und tut das mit Bravour. Einzig von der Liste Fritz, die für sich das Tiroler Olympia-Nein reklamiert, gibt’s teils harsche Kritik.

Gründe für Kritik gäbe es genug:
Transit: Sämtliche Schranken sind längst gefallen.
Wohnen: Die Wohnungspreise explodieren munter vor sich hin, die Mieten steigen und steigen.
Soziales: Das Leben in Tirol ist lieb und vor allem teuer – 3.500 Menschen mit einer „Bezugsberechtigung“ für den Tiroler Sozialmarkt in Innsbruck sind Alarmsignal und (politisches) Armutszeugnis.
Tourismus: Sämtliche Rekorde purzeln und doch kriegen manche den Hals nicht voll während immer weniger Menschen im Tourismus arbeiten wollen etc. etc.

APROPOS TEURES WOHNEN: Wie von der Hummel gestochen werden wenige Wochen vor der Wahl urplötzlich mehr oder weniger tolle Vorschläge gemacht, wie das Wohnen in Tirol leistbarer gemacht werde könnte. Hört man dies von den GRÜNEN oder der ÖVP ist das einem Eingeständnis gleichzusetzen, dass man – obwohl in Regierungsverantwortung – während der vergangenen 5 Jahre nix wirklich Gscheites auf die Reihe bekommen hat (oder bekommen wollte). Von anderen kommen famose Aussagen wie „Es ist nicht alles schlecht, aber beim Wohnen muss man was tun“. Niemand, wird – verdientermaßen – für jahre-, wenn nicht jahrzehntelanges Zuschauen des Wohn-Hohns gescholten. Man will es sich ja nicht mit der ÖVP verscherzen, ganz Flirty Campaigning eben.

APROPOS TRANSIT: Da stellt sich ein Landeshauptmann, von dem die letzten Jahre nix Substanzielles zum Transit zu hören war, plötzlich vor die eigentlich zuständige Landeshauptmannstellvertreterin. Mit „sich vor sie stellen“ ist gemeint, dass er die Sicht auf sie verdeckt, sie gänzlich unsichtbar macht, ihr die heiße Kartoffel Transit für ein paar Wahlkampfwochen wegnimmt, was in diversen ergebnislosen Gipfeln gipfelt. Zu holen ist in der Thematik kaum was, aber zum den großen Macher mimen taugt es einige Wahlkampfwochen lang allemal. Das Auf-den-Tisch-Hauen kommt im Land der Stammtischrhetorik halt immer noch gut an. Die GRÜNEN mucken nicht einmal auf, soll er doch machen, wenn er meint. Und: man will es sich ja nicht mit der ÖVP verscherzen, ganz Flirty Campaigning eben.

APROPOS SOZIALES: Die Mindestsicherung verkommt immer mehr zur Maximalgarantie zur Totalverarmung. Da ist auch das teure Wohnen mit Schuld: Viele Mindestsicherungsbezieher müssen aus jenem Anteil, der für das bisschen „Leben“ vorgesehen ist, das Wohnen querfinanzieren, weil die Wohnrichtsätze nicht mit den Mietpreisen mithalten. Im Landhaus weiß man das ganz genau und hat pr-kompatibel eine „Härtefallkommission“ installiert. Seither werden munter Akten ins Landhaus und aus dem Landhaus verschickt – mit dem Effekt, dass wichtige Entscheidungen noch länger brauchen – und am Ende genau so beschlossen werden, wie von den den ExpertInnen in den diversen Mindestsicherungsämtern in den Bezirken empfohlen. In (Sozial-)Insiderkreisen wird damit gerechnet, dass diese „Härtefallkommission“ kurz nach der Wahl wieder Geschichte ist. Eben weil sie ein klassischer „Wir kümmern uns doch eh“-PR-Gag war und ist. Und habe ich schon von den 3.500 (!) Menschen geschrieben, die alleine im Innsbrucker „Tiroler Sozialmarkt“ einkaufen dürfen müssen? Doch welche Partei kritisiert dies im Namen derer, die keine Stimme haben? Richtig: Man will es sich ja nicht mit der ÖVP verscherzen, ganz Flirty Campaigning eben.

APROPOS TOURISMUS: Darüber gibt’s mit „Hochsaison. Der Letzte macht das Licht aus“ mittlerweile sogar ein eigenes Kabarettprogramm. Frei nach dem Motto „Lachen ist der Hoffnung letzte Waffe“.

Aufregung gab es bisher nur kurz, als eine wahlwerbende Truppe mit einem von Trommlern flankierten Wahlkampfauftakt beste schlechte Riefenstahl-Optik aufkommen ließ – oder wenn in ORF-Tirol-Heute der Spitzenkandidat der „Partei des täglichen Einzelfalls“ mit seiner halbherzigen Replik auf einen Alt-Nazi erst einen Tag verspätet vorkommt. Einer der wesentlichen Punkte, nämlich warum sich dieser stramme 86-Jährige gerade am Wahlkampfstand jener Partei derart auslässt, geht unter.

Leute, dieser angeblich so themenarme Wahlkampf ist vermutlich der themenreichste der letzten Jahrzehnte. Doch die wichtigen Themen sollen nicht groß behandelt werden. Weil man es sich ja nicht mit der ÖVP verscherzen will, ganz Flirty Campaigning eben.

Ihr Parteienvertreter, die ihr euch Volksvertreter nennt: Streitet, verdammt noch mal, streitet!
Ihr werdet bezahlt, um zu gestalten und nicht um Mängel zu verwalten. Ihr werdet bezahlt, um zu gestalten, um Visionen für Land und Leute zu haben. Ihr werdet gut bezahlt. Streitet, um Himmels willen, streitet doch! Macht einen Wettstreit der Ideen, argumentiert, diskutiert. Streitet, kultiviert und lösungsorientiert. Aber gaukelt uns mit eurem Flirty Campaigning nicht vor, dass es in diesem Wahlkampf an Themen mangelt.
Dieses Vorgaukeln haben wir satt. Sehr satt.

Markus Koschuh

Markus Koschuh

3 Comments

  1. Da kann ich ihm nur zustimmen … ich schätze, die Wahlbeteiligung wird weiter zurückgehen und die Folgtpartei wird zulegen. Ein derart verschnarchter Wahlkampf nützt dem Amtsinhaber, der ja überall als charismatischer Landesvater (hrhr) plakatiert wird!

  2. Und wie nicht anders zu erwarten, haben die TirolerInnenn wieder brav die ÖVP gewählt! Bravo! Es ist einfach nur zum K…

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