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Als wer soll ich gehen?

Ich gehe ohne Mascherl, ohne Hut  und bewege mich, von hier nach dort.

Einer geht mit einer Hasenherzkrawatte und ein anderer in einem Sakko mit  Einschusslöchern. Beides ist nett anzusehen. Ein paar andere Ballbesucher tragen große überdimensionale Schweinsköpfe. Überhaupt können auf diesem Ball alle einmal so richtig die Sau rauslassen und genau das tun was sie sonst nie tun würden, weil sie dazu viel zu anständig sind.

„Aber was soll man denn bloß anziehen auf diesem Ball?“, frage ich mich, der ich auf diesen eingeladen bin. Das ist doch schon immer meine große Frage gewesen, seit ich mich  zurückerinnern kann. Soll ich meine alte  Schuluniform anziehen, und mich so als große Unschuldsvermutung  tarnen?  Oder mich in eine große Robe werfen und ein paar Oscar reife Tränen weinen?

Soll ich mir  den Holzkopf aufsetzen, den Schweinskopf oder doch viel eher den Löwenkopf? Dazu die Lederhose und den Hut mit Gamsbart?

Oder soll ich im Tangahöschen erscheinen und drüber nichts an? Soll ich mich in den Priesterornat werfen, ins Messgewand aus buntem Krepppapier? Soll ich mich als Guter Tod verdingen oder bloß als Schrecken ohne Ende?  Oder ganz einfach nur als zu früh geborener Osterhase?

Soll ich bloß als schlechtes Gewissen gehen, mit großer Spendenbüchse auf meinem Bauch? Als sabbernder Greis, der jedem bloß die Wahrheit sagt … oder lügt?

Soll ich das Ich-bin-so-wie-ich-bin herauskehren oder mehr das große Andere der postmodernen Philosophie sein?

Der philosophierende Pessimist oder der lachende Optimist? Das große Schweigen oder bloß der kleine Schweigende?

So überlege ich und frage mich, und geh dabei im Kreis retour.

 

Helmut Schiestl

One Comment

  1. Nachdenklich stimmt aber ebenso, welche gesellschaftlichen Strömungen Fasching überhaupt ablehnen. Es gibt auch diese noch.

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