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# COVID-19

Am Freitag traf ich Franz. Also die Geschichte war so. Ich ging in eine Kirche und hörte mir dort  ULRIKE HAGES A Funeral March for the First Cosmonaut an. Ich wusste nichts Genaues darüber. Aber ich war gespannt. Die Vorführung lief im Rahmen der Biennale INNSBRUCK INTERNATIONAL, die alle zwei Jahre hier stattfindet. In der Kirche waren aber kaum Leute. Sie war so leer wie sie wahrscheinlich immer leer ist, wie ich vermute. Trotz der Corona-Virus-Epidemie muss man jetzt vielleicht sagen. Diese das Alltagsleben ja schon länger empfindlich einschränkende Seuche hätte früher wohl zu übervollen Kirchen geführt. So wie ehedem Katastrophen – egal wie sie sich jetzt äußern mochten – ja immer für volle Kirchen gesorgt hatten.

Jetzt aber war es so, dass die Gottesdienste für die kommende Woche sogar abgesagt worden waren. Nicht mangels Besucher/innen, sondern um den Virus nicht noch mehr Gelegenheit zu geben, sich auszubreiten. Der metaphysische Trost kann jetzt auch wo anders gesucht und vielleicht auch gefunden werden. Jetzt erklang diese leichte und etwas melancholische Musik und erfüllte den Kirchenraum. Genau richtig für diese Zeit, dachte ich. Es gab außer mir noch zwei Leute in der Kirche, die aber wahrscheinlich nicht wegen des Konzertes hier waren, sondern einfach nur des stillen Gebetes wegen. Das war wahrscheinlich auch Voraussetzung dafür gewesen, dass das Kloster die junge Kunstinitiative in die Kirche gelassen und hier ihr Konzert ermöglicht hatte.

Die Musik bestand zum Teil aus Liedern, die eine junge weibliche Stimme sang, und Instrumentalstücken unterschiedlicher Länge. Nach ca. einer halben Stunde kam die junge Frau, die wohl für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung Sorge trug, zu mir und fragte mich, ob es mir recht sein würde, wenn sie die Musik nach dem letzten Stück abschalten würde. Ich sagte „ja, klar“, da ja außer mir und noch einer älteren Frau ohnehin niemand mehr in der Kirche war, und die Frau ging nach dem letztem Stück nach vorn zur rechten Seitenkapelle, und schaltete dort die Verstärkeranlage ab, die dort aufgestellt war. Dann war es in der Kirche still. Man hörte nur mehr den Lärm von der Straße herein. Ich nahm mir noch ein Programm der Kunstbiennale mit, bedankte mich bei der für die Veranstaltung Verantwortlichen und ging nach draußen.

Dort umfingen mich die warmen Sonnenstrahlen der noch milden Märzsonne. Die Leute gingen alle ihren gewohnten Tätigkeiten und Beschäftigungen nach. Es gab kaum Anzeichen einer drohenden oder schon ablaufenden Katastrophe. Ich ging Richtung der Gegend, wo ich wohne. Da traf ich Franz. Franz erzählte mir von den neuesten Entwicklungen bezüglich der Covid-19-Pandemie und was die Regierung ab der nächsten Woche zu tun gedachte. Das soziale Leben der Bevölkerung sollte noch mehr Einschränkungen erfahren als es ohnehin schon erfahren musste. So sollten ab der kommenden Woche die Restaurants und Cafés nur mehr bis 15 Uhr offenhalten, und alle Geschäfte außer Lebensmittelläden, Apotheken, Banken, Trafiken und Poststellen geschlossen bleiben. Eine sehr einschneidende Maßnahme, wie man sich denken kann. Auch Franz dachte es. Vor allem weil die Maßnahme ohne fixen Zeitrahmen war, es hieß nur ab Montag der kommenden Wochen, und dann also mindestens diese Woche, dann würde man weitersehen, je nachdem, wie schnell sich das Virus weiter ausbreitete bzw. wie es durch eben diese Maßnahme dran gehindert werden konnte.

Das Virus lebt, dachte ich. Nur wir können es nicht sehen. Und das macht es vielleicht noch unheimlicher und unberechenbarer.  Die Virologen sagen in den tagtäglichen Nachrichtensendungen, dass es sich exponentiell vermehrt, letzte Woche war die Rate seiner Infizierten noch im zweistelligen Bereich gewesen, und diese Woche schon im dreistelligen. Und kommende Woche rechnen die Forscher bereits mit einem Anstieg im vierstelligen Bereich. Das gibt natürlich Anlass zur Sorge. Wenngleich die Todesrate zumindest hierzulande noch nicht sehr hoch ist und die vom Virus verursachten Erkrankungen in den meisten Fällen gutartig ablaufen. Aber es trifft vor allem ältere Menschen, und von denen müssen dann viele in den Intensivstationen der Krankenhäuser aufgenommen werden, so dass diese dann bald an den Rand ihrer Kapazitäten gelangen werden.  Man spricht auch schon von Lazarettartigen Krankenstationen in großen Hallen und Sälen, die man für den Eventualfall vorbereiten würde.

Und so gesehen machen die für viele vielleicht übertrieben anmutenden Maßnahmen prophylaktisch gesehen doch auch wieder Sinn.  Wer will schließlich unser im Normalfall gut arbeitendes Krankenhaussystem gefährden? Franz sah es ähnlich, und mit einem Zwinkern meinte er, ein bisschen übertreiben würden sie schon. Ja, da gab ich ihm Recht. Dann sagte er, er müsse jetzt noch Sachen kaufen, die er ja ab nächster Woche und wie weiß dann wie lang, nicht mehr bekommen könnte. Und ein Bier möchte er auch noch trinken gehen hie und da. Sonst würde ihm die Decke auf dem Kopf fallen. Und dann – so pflichte ich ihm bei – hätten wir ja erst ein Problem. Dann würden am Ende ja auch die psychiatrischen Notaufnahmen kollabieren, und die Psychotherapeutischen Praxen. Und Hand aufs Herz: Ich gehöre altersmäßig ja auch schon zur Gruppe der „gefährdeten Personen“ und das Virus hätte bei mir leichtes Spiel, Schaden anzurichten. So wie auch bei Franz.  Also: Nicht in Angststarre verfallen, aber aufpassen!

P.S. Die INNSBRUCK BIENNALE 2020 geht heute anlassbedingt vorzeitig zu Ende So wie alle Kultureinrichtungen spätestens ab morgen alle für unbestimmte Zeit schließen werden.

Nähere Informationen unter http://2020.innsbruckinternational.com/de/

Laut neuestem Stand gilt nach einer heute Vormittag stattgefundenen Pressekonferenz des Tiroler Landeshauptmanns gilt für ganz Tirol eine Ausgangsperre. Die Ausstellungen werden heute wohl nicht mehr besichtigt werden können. Ja um die OrganisatorInnen der heurigen Kunstbiennale in Innsbruck kann es einen schon leidtun, so wie allen anderen Kulturveranstalter/innen in Österreich, die ihre Programme ja zum Teil schon seit einer Woche herunterfahren mussten.

Helmut Schiestl

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