1

Wie er lernte von Carmen

Wie er lernte von Carmen, der anderen, er, der doch damals schon viel älter war als sie, von ihr lernte, dass das, was vorher war,  nichts war im Vergleich zu dem was jetzt war. So als hätte der Barkeeper ihn mit einem Faustschlag begrüßt, noch ehe er sein durch Alkoholexzess bedingtes Ausflippen begonnen hätte. Noch ehe er ausgerastet wäre oder gegen die Ordnung des Lokals verstoßen hätte.
Wie auch immer. Er lernte durch sie, auf was es ankam, und das war zwischen null und eins, und war trockene Wahrheit höherer Ordnung. Und ab da traf er sie öfter und dann fast regelmäßig.
Später dann hatte er Carmen das Fieberthermometer in ihre Vagina geschoben und so die Temperatur ihrer ansteigenden Lust gemessen. Und hatte sie an sich gedrückt und ihr keine Fragen mehr gestellt. Hatte sich vielmehr an ihre Komplimente für ihn gehalten und darin seine Perspektivlosigkeit überwunden.
Wird die Lust alles lösen, fragte er sich. Und wird sie die Nacht zum Tag werden lassen.
Wie hätte er dieser Frau seiner Liebe gestehen können? Dass er leicht betrunken sei, da sie doch die Tochter eines Trinkers war, und sie vielleicht Opfer eines sexuellen Missbrauchs. Wie hätte er ihr da wohl in die Augen sehen können dabei? Und wie auf seine Geschichte stolz sein, da sie vielleicht noch eine viel härtere zu bestehen hatte. Wie hätte er noch einen jugendlichen Liebhaber spielen können, sich in ein fremdes Bett legen? Ohne sich dabei als Eindringling vorzukommen. Es wäre doch immer eine andere Zeit und ein anderer Ort gewesen.
Er hoffte auf Carmen und er liebte Carmen.
Er saß an der Bar und sah auf die an der Theke aufgereihten starken Getränke. Er trank einen doppelten Whisky. So war er verliebt in die Dinge, und die Dinge in ihn.

©Helmut Schiestl

Helmut Schiestl

One Comment

  1.  Ja von den Frauen lässt sich einiges lernen. Also: weniger saufen und mehr zuhören 😉  Schöner Text!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert