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Vom Schenken und Beschenktwerden

Siebzehntausendneunhunderteinundsiebzig Mitglieder und es geht weiter. 

Innsbruck verschenkt! – eine Facebookgruppe, die, selbstsprechend, wie der Name es schon verrät, ein Sammelsurium von zu verschenkenden Dingen zum Verschenken anbietet.

 

Sie spendieren, was sie los werden wollen und fühlen sich gut dabei!

 

Die Innsbruckerinnen und Innsbrucker teilen nun seit knapp einem Jahr aus, was sie zu verteilen haben. Momentan ist von Küchenutensilien aufwärts alles zu haben, – inklusive trivialer Sammelsticker von diversen besagten Lebensmittelhandelsketten, einem H.Raehse Jugendstil-Stutzflügel (!!!), Babyfläschchen, einem Spiegel und Akkuschrauber undsoweiterundsofortfortfort.

Für die Verschenker gilt: was sie austeilen, sollen sie gerecht verteilen, denn der Ruf nach gerechter Verteilung wird fast regelmäßig einmal im Monat laut!

 

Ich schenke, also bin ich!

 

Ich beispielsweise marschierte einst bei Innsbruck verschenkt mit einem Bild auf, das zehn eigentlich neue Dinge zeigte und legte mir damit genaugenommen selbst ein Ei. Im Laufe einer Woche wechselten sich Kommentare mit Privatnachrichten ab: jede wollte die Erste gewesen sein (und JA, es waren ausschließlich Sies! – bitte, bitte keine überschwänglich enthusiastischen Rufe nach Inklusion aller Geschlechter: es waren wirklich uneingeschränkt Sies! Danke!). Ich musste mich rechtfertigen, warum ich das Violette Violeta gegeben hatte und das in Rosa an Rosa, warum das Weiße an Bianca. Es hieß, dass ich das Gelbe gefälligst Amber geben sollte, aber Amber meinte, sie wolle das in Rosa. Bianca rief, sie wolle das Violette aber Violetta beharrte auf dem Violetten. Rosa wollte Rosa und Weiß, aber Bianca auch, zumindest das Weiße müsse ich ihr geben, schon allein wegen ihrem Namen, doch es verlangte Rosa auch nach Weiß, da sie meinte, ich könne doch nicht so platt sein und ihr Rosa geben, nur weil sie Rosa heißt.  

Der Puppenwagen, den ich verschenke, bietet den Luxus der Liegeposition nicht! Ich gebe das, während ich die Bildbeschreibung formuliere nicht an, weil ich nicht daran denke, dass ein Puppenwagen, der die Puppen nicht zum Liegen bringen kann, sondern sie bloß aufrecht halten will, kein guter Puppenwagen ist. Nachdem ich ihn aber verschenkt habe, weiß ich, dass das nicht alle so sehen, sondern, mit dem Puppenwagen unterm Arm, genervt und ja fast fassungslos abtreten, denn beim Wagen lässt und lässt sich die Rückenlehne nicht verstellen.

 

Querelen wollen gehändelt werden müssen!

 

Doch was wäre eine Facebook-Gruppe, die während ich das schreibe, neue Mitglieder macht, ohne nächstes Highlight? Sie wäre verloren! Das nächste Highlight besteht aus einer Leiste mit sechs Wandhaken im Kinderdesign. Ein: „Oh, wie schön. Könnte ich das haben?“ einer Ich-möchte-auch-Mal-beschenkt-werden-Person reicht nicht aus. Die vermeintlich Gütige mahnt: „Kein Bitte, also kriegst du‘s nicht, der Nächste soll sich freuen!“. Nach zehn Minuten wagts der Nächste: „Bitte, bitte, bitte darf ich?“. Eine Woche später klagt die immer noch gütig Gnädige, dass die bitte-bitte-bitte-Person das Ding nicht abgeholt hat: die Odyssee beginnt von vorn, indem drei Interessenten, laut gnädiger Herzensguter, das Bitte nicht explizit genug machen und am Ende bleibt die Liebe auf dem Ding sitzen.

 

Sie, er, es spendieren, was sie, er, es los werden wollen und fühlen sich gut dabei!

 

Ich frage mich einstweilen, für was besagte Gruppe außerdem taugt, während Egos getunt werden, indem unterschwellige Mindeststandards von Seiten einiger Wohltäter nach Belieben hochgefahren werden und dafür missbraucht werden, um sich aufzuplustern. Eine andere Barmherzige beschwert sich mehrmals, dass sie, wenn sie ihre Gaben verteilt, im Gegenzug von den Nutznießern nichts empfängt. Sie will also Dank in Form von Ware sehen, Dank zu hören, reiche für sie nicht aus, denn den könne man mittels Worten auch bloß vortäuschen. Ein anderer Netter meint hingegen, er ließe sich doch nicht kaufen, aber er wolle freundlichen Dank und nicht immer bloß solch grantigen Dank hören. Gwendolyn hingegen ist erschüttert, dass Menschen sein Verschenktes, das er doch so dringend heftig hurtig schnell jetzt sofort und gleich loswerden wollte, weiterverkaufen, während Schwanhilde ihm versichert, dass es schließlich völlig in Ordnung sei, was die von Gwendolyn Beschenkten machen.   

 

Besagte Gruppe taugt eben außerdem dazu, dass WIR spendieren, was WIR los werden wollen und uns gut dabei fühlen.

 

Jedes Mal, wenn ich daran denke, dass all die Babyflaschen, Handtaschen, Klarsichtfolien, Ringordner, Laptoptaschen und Gummitiere von einer Hand zur nächsten wandern und eben nicht wieder alles ganz von vorne beginnt und wieder alles neu gekauft wird, sondern etwas Gebrauchtes ebenfalls in Betracht zu ziehen gelernt wird, bin ich ganz glückselig darüber. Brieftaschen müssen keinen neuen Besitzer suchen, sondern dürfen zum Eigentlichen zurückfinden. Was Genervte aus Setzkästen und Regalen, Kommoden und Truhen ausräumen, können Erfreute wieder in ihre eigenen Setzkästen, Regale, Kommoden und Truhen einräumen.

 

Ganz im Sinne von bescherter Freude: spendiere, was du los werden willst und fühl dich gut dabei!

 

 

Vanessa Schatzer

One Comment

  1. Fadbook is eh so eine Art Supermarkt der Beziehungen, eigentlich over aber eben aktuell noch fast alternativlos, wenn man (sich mit vielen)teilen will. Nur im Netz sitzen eben die Spinnen und Spinner

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