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PREMIERENTAGE 2011 – eine kleine Rückschau

Sie sind wieder vorbei, die Innsbrucker Premierentage. Eine nette Einrichtung, die die Kunst nicht gerade der Frau und dem Mann von der Straße näherbringt – die Besucherfrequenzen dürften sie sich doch eher an den der üblichen Vernissagen halten – also man bleibt mehr oder weniger unter sich. Aber sie sind doch sehr kommunikativ, es gibt Gelegenheiten, über Kunst und anderes zu plaudern und Leute zu treffen. Und, so man bereit dazu ist, sich über längere Zeit mal auf zeitgenössische Kunst einzulassen. Zum Teil sind ja neue Ausstellungen eröffnet worden, zum anderen durch Kuratoren/Kuratorinnenführungen bereits bestehende dem Publikum näher gebracht worden.
So machte ich mich also am Freitag bei wunderbar warmer Föhnstimmung und Temperaturen fast wie im Spätsommer, auf in die Stadt. Erste Station: Fatima Bornemissza in der GALERIE A4  bei der Span-Modegarage. Große Bilder mit ein bisschen furchterregenden, zombiehaften Gesichtern. Vielleicht als Mahnung vor sämtliche Gefahren zukünftiger biotechnischer Menschengenerierung zu sehen, zumindest wenn man das will. Und ein Video, wo Zunge und Zähne in Großaufnahme zu sehen sind. Vielleicht für gesunde Zähne oder Zahnkosmetik werbend. Also weiter in den KUNSTPAVILLON  im Hofgarten, wo Christian Egger, seines Zeichens Konzeptkünstler, Musiker und Autor eine Ausstellung gestaltet, die sehr mit dem Alltäglichen arbeitet. Mit Materialien die er geschickt verfremdet – so hat er zum Beispiel einen Teil der Galerie mit einem Gurt abgeteilt, der zum Slacklinen animiert oder auch einfach nur zum Überschreiten der Grenze – wo man nicht recht weiß, ob man das darf, sozusagen die Seite zu wechseln und die auf der anderen ausgestellten Kunstwerke genauer zu betrachten. Eine Ausstellung, die mit der Betrachterin / dem Betrachter spielt, mit seinen Gefühlen, Ängsten, Erwartungen. Eine Ausstellung, die doch zu einigen Diskussionen anregt.
In dem langen schönen Gang der Theologischen Fakultät hat Ian Sand eine Installation mit dem wohl für diese Institution passenden Namen ITER IGNOTUS aufgebaut. Durch einen schmalen Gang, begrenzt von palisadenartigen Metallstäben, gehend kann man ein kleines Häuschen betreten, in dem einen leises Wortgeflüster ins Ohr dringt. Wie schwer ist es doch, seinen Weg durch all die vielen Einflüsterungen und Ablenkungen, die einem die Welt so tagtäglich bietet,  zu gehen. Man müsste vielleicht länger dort verweilen, um das ganze zu genießen oder es vielleicht auch zu begreifen. Doch  die Zeit drängt, oder die Neugierde schwappt über und verleitet einen gleich mal wieder zum Weitergehen. Man hat ja noch einiges vor sich. So etwa eine doch recht schöne und „raumgreifende“ im wahrsten Sinn des Wortes optische Raumgestaltung in der Galerie Widauer von Peter Kogler. Vor allem, wenn man die Galerie alleine betritt, und den rot gefärbten Raum auf sich wirken lässt, kann es schon passieren, dass man davon ein wenig „LSD-schwindlig“ wird.
Abgeschlossen hab ich meinen Rundgang in der Galerie ARTDEPOT, wo die Künstlerin Maria Peters eine kleine Rauminstallation mit einer sehr klug ausgewählten  Leseperformance verband, wo sie Texte von Kleist, Goethe, Borges, Milton und eigene Texte zum Thema Unschuld und Verlust des Paradieses las.
Am Samstag standen dann noch einige Ausstellungen am Programm. .Ja, da hieß es schon, gutes Schuhwerk und blasenresistente Füße haben. Nicht nur das Gehen, auch das Stehen verlangt so einiges ab. Begonnen hab ich in der GALERIE 22A  in der Wilhelm-Greil-Straße, wo die junge Wiener Künstlerin Birgit Sauer eine kleine Ausstellung ihrer Bilder unter dem Titel PERMANENT IS NOWHERE hat. In den gezeigten Bildern geht es um Füße, die Dynamik ihrer Bewegung etwa beim Tanz oder ein Truck, wie er über die Landschaft braust.  Diese Dynamik machten wir uns dann auch gleich zu Herzen und zogen nach einem Gläschen guten Weines in die GALERIE  THOMAN, wo Erwin Wurm, zurzeit einer der gefragtesten Künstler, der heuer auch auf der Biennale in Venedig zu sehen ist, mit neuen Arbeiten reüssiert.  Gipsskulpturen, die zum Teil ein wenig an Franz West erinnern, und in ihrer wohl unverwechselbaren Art das Verhältnis der Skulptur im beginnenden 21. Jahrhundert thematisieren. Das tun sie auf eine zum Teil recht ironische Weise und vermitteln so den Eindruck steter Unregelmäßigkeit in ihren Proportionen.
Weiter ging’s in das FOTOFORUM WEST, wo der Salzburger Fotograf Reinhard Mlineritsch großformatigeFotografienin Schwarz-Weiß ausstellt. Bilder, die in ihrer Art etwas fast Zeitloses haben. Nicht nur von ihren Sujets her – sie zeigen Städte- und Landschaftsaufnahmen, Straßen und Brückenbauten – auch ihre fehlende Farbigkeit macht sie sozusagen zu den klassischen Bilddokumenten, als die wir sie als nicht mehr zu hinterfragende Zeugnisse vergangener und gegenwärtiger Zeiten gehalten haben.
Bleibt noch ein feines Fest am Abend zu erwähnen, das als Abschluss in der Bäckerei stattfand, wo dann sinnlicher Genuss nicht nur optisch und haptisch, sondern auch mit Mund und Magen eine schöne Symbiose einging.
Nicht unerwähnt bleiben sollten die beiden Organisatorinnen der Premierentage, Liesi Rettenwander und Franziska Heubacher, die einen tollen Folder gemacht haben.
P.S.: Dieser Bericht erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Selbst ich als permanenter Museums- und Ausstellungsbesucher  schaffte es nicht, mir alle bei den Premierentagen neu eröffneten oder präsentierten Ausstellungen anzusehen. Was ich aber in de nächsten Wochen sicher nachholen werde.
Bild: Arbeit von Christian Egger, Ausstellung: „( two-for-one) oneness ( free from) Dewey, Dewey, Dewey NOW!“ im Kunstpavillion

Helmut Schiestl

One Comment

  1. über kultiges und kultur zu schreiben, eigensinnig und bildhaft, pointiert ebenso wie elegant und verständig, darin versteht sich dieser helmut schiestl.

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