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Innsbruck, deine Plätze … Martin-Luther-Platz

Auf unseren Stadtwanderungen begeben wir uns heute mal in Innsbrucks vielleicht schönsten Stadtteil, dem Saggen. Eine noble Wohngegend mit schönen alten Villen, Alleen und viel Grün, und doch nahe am Zentrum, wo wahrscheinlich viele gerne wohnen würden.

Erstmals 1187 als „Sacka“ erwähnt, was wahrscheinlich so etwas wie „Sack“ bedeuten soll, zählt er somit wohl zu den ältesten Innsbrucker Stadtteilen, und auf alten Stadtplänen Innsbrucks, wo dieses ein kleines Städtchen war, mit rund herum Dörfern, zeigt sich der Saggen eben in einer Art Sack, bestehend aus vielen Gärten und Parks. Ja selbst einen Tiergarten beherbergte dieser Stadtteil, wobei man jetzt nicht an einen Vorläufer des Alpenzoos denken sollte, sonder an einen, der exotische Tiere beherbergte, welche sicher nicht artgerecht gehalten sondern viel mehr den adeligen Lustbarkeiten dienten. So gab es da etwa Löwenjagden und Hetzspiele, die heute sofort den Tierschutz alarmieren würden. Das Gasthaus Löwenhaus erinnert noch heute daran. Beherbergte dieses eben die Löwen und wahrscheinlich auch noch andere „gefährliche Tiere“.

Aber heute wollen wir uns auf einen kleinen aber doch zentralen Platz im Saggen beschränken, nämlich den Martin-Luther-Platz. Dieses ist erst seit 1983 nach dem bekannten deutschen Reformator Martin Luther beannt, nicht zuletzt weil auf ihm die erste protestantische Kirche Innsbruck steht, die Evangelische Christuskirche, sozusagen die protestantische Hauptkirche Innsbrucks. Ein historistischer Bau, 1905 errichtet von dem Wiener Architekten Clemens Kattner und Gustav Knell.
Ihr schlichtes Inneres beherbergt Glasfenster, die die Geschichte des Protestantismus zeigen, die ja gerade auch in Tirol eine sehr dramatische und bewegte war. So mussten noch 1837 Tiroler Bürger ihre Heimat verlassen, weil sie ihrem protestantischen Glauben nicht abschworen. Die Tiroler Inklinanten, wie diese mutigen Bekenner/innen ihres Glaubens aus dem Zillertal hießen und dann im Riesengebirge und in Schlesien Aufnahme fanden – manche verschlug es sogar nach Übersee, nach Südamerika etwa – sind eine in Tirol lange Zeit vergessene Fluchtgeschichte, der der Tiroler Autor Felix Mitterer 1987 ein Theaterstück mit dem Titel Verlorene Heimat gewidmet hat. Die Bewilligung zur Gründung einer protestantischen Gemeinde in Innsbruck erteilte der Landesstatthalter für Tirol auf Geheiß des kaiserlichen Ministeriums erst im Jahre 1875. Natürlich konnte erst dann an den Bau einer eigenen Kirche gedacht werden.
Eine andere Fluchtgeschichte, die noch nicht so lange zurückliegt, kann uns eine unweit der Kirche, in der Richard-Wagner-Straße gelegene Villa berichten. Die im sogenannten Münchner Heimatstil 1911 von Anton und Adalbert Fritz erbaute Villa beherbergte in den späten fünfziger Jahren das Ungarische Gymnasium. Dieses ermöglichte den Kindern der in großer Zahl nach dem ungarischen Aufstand 1956 nach Tirol geflüchteten Ungarn, ihre Schulbildung fortsetzen und ihre Matura zu machen, was ihnen nicht zuletzt durch tatkräftige Hilfe der Tiroler Bevölkerung und kirchlicher Stellen ermöglicht wurde. Zu diesem Thema ist noch diese Woche im ebenfalls im Saggen gelegenen Haus der Begegnung eine kleine Ausstellung zu sehen. Im Garten der schönen Villa befindet sich noch ein Denkmal, das an diese Zeit erinnert, die noch mal eine größere historische Aufarbeitung und Präsentation in Innsbruck verdienen würde.
 
Abschließen wollen wir diese Platzbesprechung mit einem Blick auf die ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nämlich 1904/05 errichtete Handelsakademie. Der nach Plänen von Eduard Klingler errichtete streng historistische Bau wurde in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Tiroler Architekten Ekkehard Hörmann behutsam aufgestockt und renoviert. Dieses das Ensemble des Villensaggen beherrschende Gebäude, das sowohl Elemente der Neorenaissance und des Neobarock enthält, durch seine aufgesetzten Zinnen und den barock anmutenden Zwiebelhelm an eine Burg oder eine Kirche erinnert, dürfte sicher zu den beeindruckendsten Schulbauten Innsbruck der letzten beiden Jahrhunderte zählen und erfuhr erst in den letzten Jahren einen baulichen Relaunch, der es für die Funktion einer Schule des neuen Jahrtausends, fit gemacht hat.

Helmut Schiestl

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