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Großstadt – nur echt mit klitzekleinen Kaffeeläden!

Eigentlich wollte ich einen Blogeintrag über den Frühling und das Gefühl von Jugend, Freiheit und Melancholie schreiben, das mich um diese Zeit als Schülerin in Innsbruck immer überfallen hat und das ich jetzt, als befreite Erwachsene in Wien, nur mehr in Ansätzen nachfühlen kann.

Aber dann herrschte der Winter doch noch viel zu lang und statt dessen waren die Nervenstränge der Menschen schon überstrapaziert vom Lichtmangel, den feuchten Strassen und der ewigen Abwesenheit von Grün, sodass es jetzt, wo der Frühling offenbar doch da ist, die Wärme in der Luft liegt, einfach nur mehr überfällig war – die Begeisterung aber ist fürs erste dahin, es hat sich nur eingestellt, was einfach notwendig war.

Kurzerhand stolperte ich aber – leider auch schon einige Zeit her, aber der Grippe kalter Finger hatten mich noch einmal am Genick gepackt, sodass ich zum Lesen Zeit genug hatte – über den Blog-Eintrag der Gastautorin Dianne über das „Bäckerei Sonntags Cafe“ in der Dreiheiligenstrasse.

Seit Jahren frage ich mich ja schon, wann denn endlich in dieser kleinen, aber doch so prosperierenden Stadt – die berühmten 500 miles away – sie aus dem Boden schießen werden, plötzlich da sein werden, diese coolen, kleinen, lässigen Kaffeeläden, Bücher-und-Drinks-und-Musik-Läden, vegan-vegetarischen Bistrots, Kuchen-, Cupcakes- und Keksebäckereien, in denen wir aus den echten, richtigen Städten unsere Zeit totschlagen, im Morgenstress den Latte schlürfen, mittags den Salad to go eintüten und abends den Laptop aufklappen.

Denn Jahr für Jahr weicht wieder ein alteingesessenes altvertrautes Geschäft ums andere im fernen Innsbruck einem neuen stararchitektonischen Meisterwerk, bis man auf der Suche nach dem Ausgang aus diesem Labyrinth nicht einmal mehr den Rettungsanker Hauptbahnhof findet, denn der sieht ja auch schon wieder ganz anders aus. Aktuell hat er sich in eine rote überdimensionierte Streichholzschachtel verwandelt, die einem weder das Willkommen des Ankommens, noch das Auf-Wiedersehen der Abfahrt schenkt. Sie schenkt nicht einmal ein oder zwei Sitzgelegenheiten.

Doch noch immer reiß ich mir auf meiner Suche nach einem Espresso aus frisch gemahlenen Großstadtbohnen, einem garantiert glücklichen Großstadtrohkostsandwich oder zumindest WLAN für mein Großstadtphone wie Rumpelstilzchen selig das Beinchen aus, den nein nein nein, es kann nicht sein – am Ende find ich mich im Kreis gedreht doch wieder im Cafe Central, im Cafe Wiener oder im Treibhaus und schlürfe mißmutig meinen eh okayen Cappucino und ess einen eh Standard Käsetoast.

Kurzum ich lande in denselben getreuen Lokalen, die immer schon da waren, in die Leute vor meiner Zeit immer schon gegangen sind, meine Eltern schon gegangen sind und einmal auch ich immer hingegangen bin, einfach weil es nichts anderes gab. Es gab natürlich schon vieles andere, aber nichts, wo man sich mit dem Hauch von prekärer Kreativität und urbaner Lässigkeit umgeben konnte und hinausspazieren mit dem allerletzten Papp-Schrei auskennerischer Eingeweihtheit. Es gab eben keinen klitzekleinen, in irgendein leerstehendes Gewölbe eingezogenen, selbstgezimmerten, aber bitte mit einer Tipp-Topp Faema ausgerüsteten Kaffeeladen, wo man sich mit ehrfürchtigen Lippen den Mund am heißen Kaffee verbrennen konnte.

Und wenn ich nun so über die Bäckerei lese, wo ich noch nie war, wie ich auch noch nie in all den vielen anderen kleinen und größeren neuen Lokalen, Orten, Begebenheiten Innsbrucks war, die dort seit meiner 10-jährigen Abwesenheit entstanden sind, bin ich fast ein bisschen zwiegespalten – soll ich mich nun freuen, wenn ich lese, dass Dianne nun auch in Innsbruck der esspresso macchiato kalt wird beim Leute-beobachten? Freu ich mich, dass die kleine Stadt jetzt wieder ein Stück größer geworden ist?

 

Oder brauche ich das doch eigentlich gar nicht, will ich doch eigentlich gar nicht in meiner kleinen Stadt in meiner kleinen Welt einen frisch gerösteten Großstadtbohnenkaffee trinken. Sondern einfach mich über den schlechten „Chchchkapputtschino“ ärgern und aufseufzen, dass doch in Wien alles viel, viel besser ist.
So sieht das übrigens aus, in der großen Stadt – mit großem Dank an meine zur Zeit liebsten Büropausen-Kaffeebelieferer in Wien: das liebenswürdige CaffeCouture und das ebenso liebenswürdige People on Caffeine.

Und wenn sich nun erboste ProvinnsbruckerInnen bei mir melden: das ist mir nur recht, bitte erzählt mir doch, ob der fernen Großstadtziege da doch etwas entgangen ist, und es sie ja schon laaange längst gibt, die klitzekleinen Kaffeeläden, auch in Provinnsbruck.

 

Text von MIRIAM BROUCEK, Exiltirolerin in Wien


11 Comments

  1. Als (Exil)tirolerin weiß frau das vielleicht nicht, als (Exil)innsbruckerin wüsste sie es wahrscheinlich: diese Läden gibt es zur Genüge und es gab sie auch schon vor zehn oder 15 Jahren. Man sollte sie halt in den richtigen Vierteln suchen, etwa in St. Nikolaus oder im zentralen Wilten oder in der Gegend um die Leopoldstraße, und nicht unbedingt in der Inneren Stadt, wo die Protzpaläste der Banken stehen, oder in der Altstadt, wo sich die TouristInnenmassen wälzen.
    Ehrlich gesagt, die wiederholte Beschwörung einer angeblichen Kleinstädtischheit Innsbrucks nervt. Es stimmt nämlich einfach nicht.
    Trotzdem nett geschriebener Text!

  2. Innsbruck hat kaffeehausmäßig in den letzten Jahren sicher aufgeholt (zB Taminda, Crumble etc.) … in Wien ist die Bobo-Latte-Dichte aber höher. Was mir eindeutig fehlt: Eine Espressobar mit gutem Ristretto für 1,20 – ma non siamo in Italia.

  3.  

    dieser blog wird mit jedem beitrag mehr zu einem bobo-blog, wie schlecht doch innsbruck ist (oder wie gut innsbruck doch ist, je nachdem wie bobo-mäßig es gerade ist).

     

    seht es ein bobos: innsbruck ist gerade mal eine kleinstadt. da ist kein platz für bobos.

  4. […] aber der Grippe kalter Finger hatten mich noch einmal am Genick gepackt […]

    […] am Ende find ich mich im Kreis gedreht doch wieder im Cafe Central […]

    mißmutig

    Es gab natürlich schon vieles andere, aber nichts, wo man sich mit dem Hauch von prekärer Kreativität und urbaner Lässigkeit umgeben konnte und hinausspazieren mit dem allerletzten Papp-Schrei auskennerischer Eingeweihtheit.

    […] wie ich auch noch nie in all den […] Begebenheiten Innsbrucks war.

    etc.

    Anscheinend wird man als Innsbruckerin in der Großstadt Wien nicht nur zum selbstverliebten und überheblichen Bobo, sondern vergisst auch noch den Großteil der deutschen Grammatik und Orthographie. Kein Wunder, dass bei soviel präpotenter Wichtigtuerei nur substanzloses Bobogeschwafel herauskommt. Da merkt man, wer Weltbürger ist, und wer noch immer ob seiner vermeintlichen Provinzherkunft allergisch reagiert, wenn das eigene Weltbild Risse bekommt und man immer noch nicht erkennen will, dass dieser ganze importierte angloamerikanische Schwachfug mehr Schein als Sein ist. Der ganze hirnlose Artikel ist aber ohnehin nur schlecht getarnte Werbung, deswegen vollkommen überflüssig – genauso wie dieser Kommentar.

  5. Wie heißt es so schön, Gast 1245: Wer Fehler findet, darf sie gerne behalten … aber ich glaube, du hast vor lauter Fehlersuchen den (selbst)ironischen Ton des Beitrags überlesen. Also fühl dich in deiner lokalpatriotischen Ehre nicht gekränkt und genieß einfach die Sonne. Denn das Leben ist zu kurz, um es allzu ernst zu nehmen

  6. Was ich wirklich schade finde, ist, dass in diesem Artikel die Bäckerei (in der die autorin offensichtlich wirklich noch nie war) zu einem cafe degradiert wird. denn den sie ist so vieles mehr und der cafebetrieb nur eine einzige kleine Nuance, die an einem von sieben tagen in der Woche stattfindet. Sie ist einer der wenign orte in Innsbruck, der wirklich offen für Kultur und Menschen und Ideen aller Art ist. Die alteingesessenen Veranstaltungen wie dem poetry slam, die sonst nirgends mehr Platz hatten,  einen Raum gegeben hat.

     

    das sollte sich die Autorin vielleicht einmal anschauen, bevor sie sich ein Urteil bildet.

     

     

     

     

     

    .

  7. Hihi, die Wiener meinen, weil sie in der größten Stadt Österreichs leben, seien sie die Weltbürger schlechthin – und nur weil man in Wien schneller und leichter einen Coffee to go bekommt, meint man, die Lebensqualität sei dort besser! Dabei ist Innsbruck wirklich eine kleine Stadt, ja, und echt viel kleiner als Wien – und das ist gut so! Lebensqualität gibt’s bei uns in anderen Bereichen – ich kann nämlich gut ohne überteuerte Bobokneipen auskommen, in denen man sich selbst so gut vorkommt, dass man sich fast schon wie ein New Yorker fühlt – so hip nämlich!

     

    Nein, nein, nehmt’s das alles nicht so ernst – aber jede/r/s darf anders! 🙂 Auch Innsbruck!

  8. Dass (Selbst-)ironie im Netz nicht gut ankommt, wird mir hier ja recht ordentlich Bescheid gestossen . Was als liebevolles Sichselberlustigmachen über die eigene "Großstadt"-existenz und auch ein bisschen als nostalgisches – "Eigentlichreichtauchdas, was vor Ort zu finden ist" gedacht war, wird leider missverstanden als "jetzt red scho wieda a Weanarin obergscheit daher". Schade. Und für den kleinen Deutschlehrer in euch selbst: Ihr dürft euch ein Sternchen ins Hefterl einkleben, gut gemacht!

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