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Ausstellungstipp: „Was man sieht, ist, was man sieht“

Schon zu einer fixen Tradition hat sich der alle zwei Jahre stattfindende Österreichische Grafikwettbewerb entwickelt, der heuer bereits zum 33. Mal stattfand. Auf eine Idee von Prof. Paul Flora zurückgehend, hat sich diese Einrichtung schon länger als ein interessanter Gradmesser für das grafische Schaffen der österreichischen Kunst entwickelt. Immerhin gibt es den Preis schon seit 1952.  Mag früher sicher noch die klassische Zeichnung im Mittelpunkt gestanden haben, so hat sich das Spektrum inzwischen auf verschiedene multiple Techniken erweitert.
 
Die zurzeit in der Galerie im Taxispalais ausgestellten preisgekrönten Arbeiten geben jedenfalls ein wichtiges Zeichen in dieser Hinsicht ab. Da dominiert in erster Linie die Abstraktion, so wie wir sie aus den letzten 30 Jahren kennen. Es sind Arbeiten, die sehr viel Hinwendung brauchen, man könnte auch weniger pathetisch sagen, Kopfarbeiten. So  ist es nicht das Individuum, das etwa unter der Last gesellschaftlicher Zurichtungen leidet oder den Schönheiten des Eros frönt, vielmehr ist es  ein Sich Abwenden des künstlerischen Blicks vor dem konkret-gegenständlichen, wie wir es schon seit längerem als gelehrige Schüler/innen der Schule des Sehens, von den berühmten Malerikonen des vergangenen 20. Jahrhunderts vermittelt bekommen haben.
 
Und so ist uns der zarte Bleistiftstrich auf weißem Papier, wenn er etwa in die tiefen Geheimnisse der (nicht nur mathematischen) Unendlichkeit führt genau so ein Faszinosum wie das Zitieren von Barnett Newmans  Farbfeldern beim Preisträger des Landes Oberösterreich, Günther Selichar oder das lustvolle Spiel mit biomorphen Formen, wie es etwa die Preisträgerin des Landes Vorarlberg, Martina Tscherni in drei schönen Arbeiten zeigt.
 
Oder auch das ironische Persiflieren der europäischen Kriegskunst in Form von auf den ersten Blick an alte Zeitungsillustration gemahnende Siebdrucken, von Thomas Feuerstein, dem Preisträger der Stadt Innsbruck.
 
Oder etwa auch im Zeigen des Nichtgezeigten, wie es etwa die aus Frankreich stammende und in Wien lebendes Tatjana Lecomte – die bereits im Frühjahr mit einer interessanten Videoarbeit in der Neuen Galerie zu sehen war – anhand dreier Vogelbilder, die in Form von Papiercollagen ihre Gegenstände lediglich durch die Anordnung ihrer proportionalen einzelnen Farbanteile vor dem inneren Auge der Betrachterin / des Betrachters wieder erstehen lassen.  
 
Zusammenfassend könnte man sagen: die Lesbarkeit der Welt erschließt sich durch die Lesbarkeit ihrer Bilder. Und man könnte den Satz auch umdrehen und sagen: Die Lesbarkeit der Bilder erschließt sich durch die Lesbarkeit der Welt. Es  ist weniger oder fast gar nicht die emotionale Berührung die von diesen Arbeiten ausgeht, es ist vielmehr der abstrahierende Schritt vom Gesehenen hin zum Gedachten und – wie in manchen preisgekrönten Arbeiten – das Verschwinden des Dargestellten überhaupt. Oder wie es der Preisträger der Hypobank Tirol, Andreas Alföldy, als Moto seiner drei verspielten Arbeiten mit einem Frank Stella Zitat genannt hat: "Was man sieht, ist,  was man sieht."
 
Ähnliches könnte man auch von den unteren Raum der Galerie bespielenden Installation der Preisträgerin des Landes Tirol von 2011 Caroline Heider sagen. Unter dem sinnigen Titel Kokolores versammelt sie Gegenstände, wie sie am Filmset verwendet werden, wie etwa Geräte, um bestimmte Lichtsituationen herzustellen, oder Ablagen für die von den Schauspieler/innen zu sprechenden Texte, wenn sie sich diese nicht merken können.

Dabei könnte man die ganze Installation als ein Lichtspiel in des Wortes doppelter Bedeutung sehen – früher hießen Kinos ja noch Lichtspielhäuser oder Lichtspieltheater! – aus dem die Akteure verschwunden sind. Nur Fotos und zusammengefaltete Texte kleben an den Requisitenteilen, während das Licht von Spiegeln reflektiert die leere Szenerie beleuchtet. Und zwei Plattenspieler drehen sich im Leerlauf und ritzen dabei Spuren in die Oberfläche von Fotoprints, während im vorderen Raum die Künstlerin selbst einen Vortrag über die Notausgänge für Spektakel und Events des Medientheoretikers Andreas Spiegl  hält.

Eine vielleicht ein wenig beängstigende Szene, stehend für eine Welt, die der Mensch schon lange verlassen hat oder vor der er durch den Notausgang geflüchtet ist. Das Spektakel aber dreht sich weiter so wie die Lichtstrahlen pausenlos ihre Botschaft in das All senden.  

 
Noch bis 15. September 2013

Galerie im Taxispalais
Galerie des Landes Tirol
Maria-Theresien-Straße 45
6020 Innsbruck

Abgebildete Arbeiten von Tatjana Lecomte,, Andreas Alföldy und Caroline Heider

Helmut Schiestl

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