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Aktuelle, brisante Relikte – Vom Turnen, Schwertführen & Ideologie

Tiroler(innen) sind ein sportliches Volk – Berge vor der Tür, die Natur zum greifen nah und immerhin auch Ausrichter von mehreren Olympischen Spielen der Neuzeit. Im Vergleich zu unseren östlichen Bundespartnern wiegen wir weniger, ernähren uns gesünder und geniessen relativ hohe Lebenserwartung. Diese belastet zwar unser Sozialsystem, allerdings schließen wir daraus: Bewegung ist gesund, fördert die Psyche, hilft beim Stressabbau und verlängert unser Dasein.

Gesundheit und Kondition verschafft also evolutionäre Vorteile – Körperbeherrschung und Kraft kann eine äusserst effektive Waffe sein und ist die grundsätzlichste Anforderung an Soldaten.

Doch wie viele wollen und brauchen wir Soldaten? Am Innsbrucker Messegelände finden sich demnächst einige hundert uniformierte, Schwerttragende Soldaten ein, die es sich zur Aufgabe gemacht haben uns immer wieder daran zu erinnern, dass wir „Deutsche“ sind. Für die einen ist es Heimatverteidigung, für andere ein Relikt.

Und nun zur Eigenverantwortung:
Wer diese sperrigen Ausführungen visuell wahrnehmen will, folgt seinem städtischen Spazierweg Richtung Saggen – Zeughaus und das naheliegende Siebenkapellenareal sind Begrifflichkeiten, die leicht über Google Maps, Fremdenführer oder andere Navigationsinstrumente gefunden werden können.

Das Zeughaus ist eine museale Sammlung von „Kriegsgeräten“ des Mittelalters bis ca. Jahrhundertwende und einen Allgemeinbildungs-Pflichtbesuch wert. Das Siebenkapellenareal ist eine Kirche, die der Säkulasierung zum Opfer fiel und zw. 1945 bis ca. 1988 als Lager der Post diente – heute leerstehend.

Doch unser Augenmerk richtet sich nicht auf bekanntes und vielseitig dokumentiertes, sondern wandert über die Parallelstraße: Ein Brunnen.
Gewidmet: „Tiroler Turngau“ für Friedrich Ludwig Jahn – Turnvater „Jahn“ – Wie nicht anders zu erwarten in der Jahnstraße, unweit dem Messegelände gelegen. Für diesen Herren wurden einige Denkmäler im deutschsprachigen Raum erbaut, da er als Begründer und „Vater“ des Turnsports und des organisierten Massensports gilt. Er entwickelte allerdings nicht nur den Sport, sondern auch eine Ideologie, die über körperliche Ertüchtigung wiederum Welt -und Menschenbilder transportierte. Sehr unchristliche Menschenbilder. Daraus ergab sich wiederum eine enge Bindung an sogenannte „Burschenschaften“.

Fakten: Unter der Straßennamenbeschilderung ist folgende Zusatztafel zu verinnerlichen:
„Die Stadt Innsbruck ist sich seiner historischen Verantwortung bewusst. Dazu gehört auch verantwortungsvoll mit Straßenbenennungen vergangener Zeiten umzugehen. Oft waren es politische Rahmenbedingungen oder zeitgeistige Strömungen welche diese Vergaben beeinflusst haben.Hier soll eine dieser Straßenbezeichnungen bestehen bleiben, nicht um eine Person zu ehren oder hervorzuheben, sondern um als Mahnmahl gegen das Vergessen ideologischer Verirrungen zu wirken.“

de.wikipedia.org/wiki/Turnvater_Jahn

Text und Fotos: MARTIN KAPFERER





Martin Kapferer

5 Comments

  1. Frisch, fromm, fröhlich, frei – es ist ja kein Zufall, dass der Körperkult unter den Nazis ein ideologischer Fixpunkt war. Immerhin wurde das Straßenschild historisch ergänzt … ein wichtiger Beitrag zur historischen Aufklärung. Dieser Artikel natürlich auch, Respekt 🙂

    • …Vielen Dank…Eine Intention war mitunter auch der Versuch aufzuzeigen, wie vermeintlich „Gutes“ z.b. Sport, Gesundheit als Lenkungsinstrument mißbraucht werden kann und keine Generation vor ähnlichen Mechanismen gefeit ist…

  2. aber im taxi wird man nicht sagen "bitte in die straße, deren name als mahnmal dient" sondern sondern "bitte in die jahnstraße". ich finde straßennamen dienen denkbar schlecht zur mahnung.

    • …Sie dienen allerdings der Erinnerung und Orientierung – ich finde eine schöne, brauchbare Metapher….wie sie interpretiert wird liegt natürlich im Auge des Betrachters…

  3. In Innsbruck gibt es neben der Kernstockstraße und dem nationalen Geier vor der alten Uni noch zahlreiche weitere braune Einfärbungen. Aber was will man erwarten, wenn in unseren Breiten zum "landesüblichen Empfang" noch Nazimusik gespielt wird?

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