0

Music and the city (Vol. 47): Aki Takase (04.04.)

Am 04.04. eröffnet die grandiose Pianistin und Komponistin Aki Takase zusammen mit der Tänzerin Yui Kawaguchi das Osterfestival Tirol. Grund genug für mich ihr ein paar Fragen zu ihrem Musikverständnis und ihrem Bezug zu Literatur und Tanz zu stellen.

Ich habe ein sehr interessantes Zitat gefunden, das Ihnen zuschrieben wird: „Wo ich bin, da ist alles“. Ist das eine mögliche Beschreibung Ihrer musikalischen Ästhetik? Geht es Ihnen um die Ausweitung der „Möglichkeitsräume“ in Ihrem Spiel? Um die Überschreitung von Konventionen und Einschränkungen?

Aki Takase: Der Original-Satz war der Titel des Buches „Nur da wo Du bist, da ist nichts“ von Yoko Tawada. Daher habe ich ihn damals zitiert und etwas verändert. Das bedeutet, wenn man am Klavier sitzt und sich ganz auf die Musik konzentriert, dann ist man in gewissem Sinne ganz allein auf der Welt. Auf der anderer Seite bedeutet „Wo ich bin, da ist alles“, dass ich meine vielfältigen musikalischen Wege aufzeigen möchte.

Bei der "Stadt im Klavier" geht die Musik von Aki Takase eine besonders faszinierende Verbindung mit dem Tanz ein...

Bei der „Stadt im Klavier“ geht die Musik von Aki Takase eine besonders faszinierende Verbindung mit dem Tanz ein…

In Ihren Werken nehmen Sie oft Bezug auf andere Kunstformen (Tanz, Literatur usw.). Wie beeinflussen Sie andere Künste bei ihrem Komposition- und Improvisationsprozess? In welcher Wechselwirkung stehen diese unter diesem Gesichtspunkt?

„Musik ist meine Sprache“, das ist mein Motto. Ganz so wie es Peter Brötzmann sagte. Den Akzent und den Klang der Wörter und die Bewegungen des Tanzes finde ich sehr musikalisch. Ich bin außerdem sehr begeistert von den Geschichten von Yoko Tawada. Sie schreibt sehr metaphysische und „weltfremde“ Bücher. Das begeistert mich und  von diesen Büchern erhalte ich auch wertvolle und wichtige Anregungen.

Es kommt vor, dass ich manchmal ihre Wörter nehme und etwas davon in meine Musik übertragen und transformieren möchte. Musik und Tanz haben eine starke Verbindung, bereits seit alten Zeiten. Ich liebe Tanz seit der frühen Kindheit. Die Bewegung des Tanzes motiviert mich sehr und auch von Choreographien bin ich immer wieder bezaubert. Wenn es um meine musikalischen Ideen geht, dann ist es sehr interessant, Tanz oder Literatur in Musik zu verwandeln.

Sieht man sich Ihr bisheriges musikalisches Schaffen an, so fällt die immense Vielfalt an Stilen und Ansätzen auf (von Blues über frühen Jazz bis hin zu „Neuer Musik“ uvm.). Woraus ergibt sich diese enorme stilistische Bandbreite und warum ist Ihnen diese wichtig?

Jazz hat großes Gewicht für die gesamte heutige Musikszene. Für mich ist die Jazz Geschichte immer noch sehr wichtig! Ganz einfach weil es bedeutende Komponisten und Musiker im Jazz gibt. Am allerwichtigsten ist für mich aber die Qualität der Musik, ganz egal ob ich „New Blues“ oder „Neue Musik“ spiele. Meine musikalischen Ideen sollen und können nicht mit Stilen kategorisiert werden. Die Originalität von Musik ist sehr wichtig, weil darin der individuelle Charakter ausgedrückt werden soll.

Zu Ihren Einflüssen: Gibt es Musiker_Innen, die Ihr Musikschaffen beeinflusst und inspiriert haben? Ganz offensichtlich interessiert Sie ja auch der Umgang mit „alten Meistern“. Was genau interessiert Sie an diesem Umgang mit der „Vergangenheit“? 

Früher war ich sehr beeinflusst und inspiriert von Musikern und Komponisten wie Beethoven, Igor Stravinksy, Conlon Nancarrow, Monk, Ellington, E. Dolphy und anderen Musikerinnen und Musikern. Inzwischen habe ich aber meine eigenen Wege gefunden. Musik ist, wie bereits erwähnt, meine Sprache. Ich mag die verschiedenen Sprachen und Motive. Besonders stark ist inzwischen für mich die Verbindung von Tanz und Musik.

In Ihrer Musik finden sich nicht nur ästhetische und stilistische Grenzüberschreitungen, sondern auch kulturelle. Ist ihnen die Funktion eines Brückenschlags zwischen Kulturen (etwa Deutschland/Europa und „Ferner Osten“/Japan) wichtig? Wenn ja: Wie spiegelt sich dieser Brückenschlag immanent in Ihrer Musik und in Ihrer musikalischen Ästhetik?

Vor allem in Bezug auf Raum und Zeit. Es geht um den Rhythmus, die Atmung! „MA“ auf japanisch ist so etwas wie eine „Raumempfindung“. Diese sollte man in der Musik instinktiv haben.  Das hängt eng mit der japanische Philosophie zusammen.

Wenn wir von einem reziproken Verhältnis der Kunstformen sprechen: Wie genau „reagieren“ Sie musikalisch z.B. auf das Medium Text/Literatur, z.B. bei „Flying Soul“? Wie setzen Sie Text musikalisch um und wie gelingt der Wechsel von einer Kunstform in eine andere?

Im Buch „Flying Soul“ von Y. Tawada gibt es ein japanisch Wort, eine Bildunterschrift: „KANJI“. Diese ist sehr bedeutungsvoll.

Sie spielen im April (04.04. beim Osterfestival und 08.04. im Treibhaus) in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Einmal mit einer Tänzerin und Solo-Piano, das andere Mal mit „New Blues“. Können Sie uns etwas über diese unterschiedlichen Projekten und Ihre ästhetischen Zugänge bei diesen Projekten verraten?

Beide Projekte sind sehr offenherzige Musik. Mit der Tänzerin gibt es eine Bühne mit Bühnenbeleuchtung und Ausstattung. In dieser Hinsicht möchte wir die Raumwahrnehmung in den Mittelpunkt stellen. Für die „New Blues“ Band  arrangiere ich die Kompositionen von Fats Waller, Duke Ellington. Ich möchte diese Kompositionen aus der heutigen Sicht aus beleuchten und neue Wege aufzeigen. Natürlich spielen wird auch meine eigenen Kompositionen.

Was genau ändert sich für Sie als Musikerin, wenn man ein Solo-Konzert spielt und wenn man mit einer ganzen Band auf der Bühne steht? Was reizt Sie an der jeweiligen Spielform? Bevorzugen Sie eine Form?

Wenn ich solo spiele,möchte ich mich 100% sicher mit meiner Sprache ausdrucken. Ich bin von Kopf bis Fuß auf meine Musik eingestellt. Mit meiner Band möchte ich eine gute „Chefin“ sein und ich möchte, dass sich das Spiel meiner Bandkollegen bestmöglich entfalten kann.

Bitte verraten Sie uns noch kurz etwas über Ihre näheren und ferneren musikalische Zukunftspläne (Veröffentlichungen, Konzerte, Projekte) usw.

Alex und ich haben ein neues Projekt“ So long Eric“, zum 50ten Todestag von Eric Dolphy. Wir arrangieren die Stücke von Dolphy für ausgewählte Musiker wie Han Bennink, Karl Berger, Axel Dörner, Rudi Mahall, Nils Wogram,Tobias Delius usw. Am 19. und 20. Juni gibt es in Berlin ein öffentliches Rundfunkkonzert im RBB.

Mein neues Musiknoten Buch mit demTitel „16 Pieces for Piano“ wird in diesem Jahr bei Schott erscheinen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Markus Stegmayr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert