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Geheimnisse des Alltags … wie roch es einst auf dem Postamt?

Neulich musste ich einen Brief aufgeben. Etwas, was ja immer seltener geschieht, seit es E-Mails gibt. Aber manchmal geschieht es eben doch noch. Und da die Trafik schon zu hatte, um dort eine Marke zu erstehen, ging ich aufs nahegelegene neue Hauptpostamt am Innrain, wobei es sich ja jetzt nur mehr um ein von außen völlig unauffälliges Gebäude handelt, in dem die Hauptpost jetzt untergebracht ist, ganz im Gegensatz etwa zum großen schönen alten Hauptpostamt in der Maximilianstraße.

 

Die „Amtsräume“, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann, sind ja alles anders als kundenfreundlich, so haben die Pulte etwa keine Abstellfläche für eventuelle Taschen oder Rucksäcke, aber das war noch nicht mal das wirklich Unangenehme, das mir den – durch wenig Kundenandrang zum Glück ohnehin nur sehr kurzen „Amtsbesuch“ – verleidete. Nein, es herrschte in den Amtsräumen ein beinahe unerträglicher Geruch. Ein Geruch weder nach Maschinen oder Papier oder was auch immer sonst früher geruchsmäßig die Postämter durchwaberte, nein es war ein einfach der Geruch eines schlecht gelüfteten Raumes, den im Laufe einer längeren Zeit – wohl eines ganzen Tages – viele Menschen betreten und sich darin aufgehalten haben.

 

Und mit taten die Menschen leid, die darin den ganzen Tag arbeiten mussten. Das Interieur von einem knalligen Gelb – nicht das beruhigende Gelb, wie es früher alles Postalische wie Briefkästen, Postautos Postschilder und wohl auch das Mobiliar diverser Postämter zierte. Kaum Tageslicht, und eben eine zum Schneiden schlechte Luft.

 

Da fiel meinem Geruchsgedächtnis gleich das alte Haller Postamt ein, dessen große Schalterhalle ich schon seit meiner frühesten Kindheit kennenlernen durfte, zuerst mit meiner Mutter, wenn ich sie beim Aufgeben diverser Briefe und Einzahlungen begleiten dufte, und später dann, wo ich darin per Telefon meine ersten Dates von meinen Eltern ungestört abwickeln konnte. Und worin mich in meiner Kindheit neben den vielen Schreibtischen vor allem die vielen Stempel beeindruckten, mit denen die dort arbeitenden Frauen und Männer hantierten, und eben auch der Geruch.

 

Aber nach was roch es dort eigentlich? Ich weiß jetzt nicht, ob diesen Zustand jemand kennt: Die versuchte Erinnerung nach einem Geruch, von dem man weiß, dass es ihn gegeben hat, aber den zu beschreiben einem beim besten Willen nicht mehr möglich ist. Jetzt jedenfalls, als ich das Postamt am Innrain wieder verließ, war er da, nicht der Geruch, aber die Erinnerung daran, dass es einen Geruch dort gab. So wie der Geruch in den Bahnhofshallen, der Geruch in der Schule, in der Kirche, aber eben anders. Postmäßig anders.

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. Das Phänomen kenne ich, lieber Helli – viele meiner frühesten Kindheitserinnerungen sind mit Gerüchen verbunden. So weiß ich noch genau wie es in meinem Kindergarten roch – eine Mischung aus Grießkoch, frisch gemähtem Gras und Kinderschweiß wäre wohl genau die richtige Mischung. Den Kindergarten gibts sogar noch, aber ich habe das Gebäude seit Jahrzehnten nicht mehr betreten … und ich fürchte, dieser Geruch ist wohl auch eher eine nostalgische Reminiszenz und lässt sich heute gar nicht mehr erschnüffeln.

    • Ich glaube allerdings, dass der Kindergarten immer noch so riecht, wie er damals schon gerochen hat, genauso wie auch der Geruch von Schulklassenzimmer sich nicht wesentlich verändert haben dürfte. Aber man assoziert dabei natürlich immer was ganz Persönliches..Erinnerlich sind mir auch immer noch die Gerüche verschiedenster Geschäfte aus meiner KIndheit, die heute natürlich alle schon lange nicht mehr vorhanden oder total umgebaut sind. Etwa der Geruch des Lebensmittelgeschäftes, wo meine Mutter immer mit mir einkaufen ging, und nicht zu vergessen natürlich der Geruch der Bäckerei und der Metzgerei, unverkennbar, unverwechselbar. Ja, die Liste ließe sich wohl unendlich fortsetzen. Am besten, wir lesen alle wieder) mal Proust. Oder fangen damit an. Der Sommer ist ja noch lang!

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