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Der gegenseitige Blick macht uns stark

Der eine misstraute dem anderen und vice versa. Und so berührten sie sich nicht. Ein Preis war dafür nicht notwendig. Noch nicht! Es war umsonst und am Ende dann vielleicht nur der gegenseitige Blick in zwei langsam vor sich hin alternde Gesichter. Dem jungen Dichter wurde von einem Lehrer erzählt, den ein Schulaquarium störte, weil in diesem immer wieder ein bestimmter Fisch mit seinem Maul gegen die Glaswand stieß, was ein den Unterricht des Lehrers störendes Geräusch verursachte. Weswegen es der Lehrer aus der Schule entfernt haben wollte.

Das ging aber nicht so einfach Und so gab es einen langen Behördenweg des Lehrers, bis es ihm schließlich gelang, das Aquarium wegzubekommen. Ein sehr, sehr langer Weg war das gewesen.

Und so schrieb der jungen Dichter über das Leben dieses Lehrers, oder besser: er wollte darüber schreiben. Über seine Versuche das Aquarium wegzubekommen, über seine zahllosen Eingaben an verschiedene Behörden und Politiker. Er, der Dichter, der immer noch bei seinen Eltern wohnte, mit diesen aber kaum mehr kommunizierte. Er schaute nur mehr wieder aus der elterlichen Wohnung auf die Fassade des gegenüberliegenden Hauses, dessen Fassade mit Efeu dicht bewachsen war, was beinahe sagenhaft schön aussah und ihn das immer wieder inspirierte.

Und die drunter vorbeigehende Straße war hell und klar und nichts störte ihren Frieden. Und als es dem jungen Dichter nicht mehr gefiel, ging er wieder. Er wartete auf nichts und niemandem mehr. Er dachte nur manchmal, dass ihn vielleicht die Beziehung mit einer mit ihm befreundeten verbummelten Musikstudentin gefreut hätte, wenn es zu einer solchen gekommen wäre. Vielleicht auch nur für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes passiert wäre wie etwa ein großer Streit mit seinen Eltern.

 
Der junge Dichter aber ging zur verbummelten Musikstudentin, sagte zu ihr, dass er jetzt den Stoff für eine Oper haben würde, und ob sie nicht die Musik dazu komponieren möchte. Der Stoff für die Oper aber war folgender: Ein hässlicher Mann und eine ebenso hässliche Frau trafen sich in einem Café. Die Frau sagte zum Mann „Du bist wunderschön“. Und der Mann sagte zur Frau: „Du ebenso".

Darauf standen die beiden auf, verließen ihren Tisch und gingen im Café herum wie zwei Konzertmeister, gingen zu den Tischen der anderen Gäste und hielten ihre Ohren ganz nah an deren Gesichter, um zu hören, was diese über sie sagten. Sie wollten einfach wissen, ob es stimmte, was sie sich gerade eben gegenseitig versichert hatten. Die Gäste aber schwiegen irritiert-betroffen, oder ignorierten sie einfach und ließen sich in ihren Gesprächen nicht von ihnen stören. So kehrte das Paar wieder an seinen Tisch zurück, schwieg sich an und verfiel immer mehr in Leichenstarre.

 
Die mittlerweile als Sprechstundenhilfe bei einem Hals-Nasen-Ohrenarzt tätige verbummelte Musikstudentin machte sich eilig mit ihrem Kugelschreiber ein paar Notizen auf ein Blatt Papier. Schaute dem jungen Dichter dabei ins Gesicht und sagte zu ihm „Ich mach mich dran.“ Das klang für den jungen Dichter vielversprechend

Helmut Schiestl

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