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Mehr Suchtberatung für Hotelgäste?

Neulich kam mir auf einer Veranstaltung zu Ohren, dass stadtpolitisch zur Diskussion stehe, dass das Komfüdro (Kommunikationszentrum für Drogenabhängige), welches sich am Anfang der Bogenmeile befindet, aus folgendem Grund perspektivisch nach Wilten verlegt werden soll:

 

In Innsbruck wird – wie viele durch die nervige Baustelle wissen – ein neues 5-Sterne-Hotel plus Bürogebäude an der Ecke Bruneckerstr./Museumstr. der Baugruppe Pema gebaut, welches mittlerweile eh schon fast fertig ist. Auf der anderen Straßenseite befindet sich das Komfüdro und die Leute, die davor stehen, könnten dann eine Belästigung für die noblen Hotelgäste bedeuten, quasi ein schlechtes Bild von Innsbruck machen. Man beachte hierzu auch die sehr eingeschränkten Öffnungszeiten und die somit zeitlich begrenzte „Belästigung“ (Mo –Fr 11:00 – 15:00; nur für Frauen 15:00 – 16:30).

 

Im Komfüdro wird weder konsumiert noch gedealt, sondern die Leute können dort Beratung von SozialarbeiterInnen erhalten, wenn sie in ihrem Alltagsleben nicht mehr weiter wissen. Friedlich reden sie draußen und rauchen ihr Zigaretterl. Zudem haben sie z.B. auch die Möglichkeit ihre Wäsche zu waschen und Spritzen zu tauschen. Was soll daran so besonders anstößig sein? Sie sehen halt anders aus und stehen klarerweise nicht mit Designerklamotten und schicken Frisuren vor dem Komfüdro.

 

Dabei sind mir einige Gedanken über Innsbruck gekommen. Zuerst einmal hat jede Haupt- bzw. Großstadt eine Drogenszene, welche ohne Zweifel ein schwer in den Griff zu bekommendes Problem darstellt, am allermeisten für die Betroffenen selbst. Gäste aus aller Welt werden nicht das erste Mal in ihrem Leben Menschen sehen, die eine Suchterkrankung haben (vielleicht haben sie sogar selbst eine, wer weiß?). Warum glaubt man dieses Phänomen unter den Teppich kehren zu müssen, wir leben schließlich in Innsbruck in einer Stadt und nicht in einem winzigen Dorf in den Bergen, wo es fast keine EinwohnerInnen gibt.

 

Zudem: Was gibt es denn da in der Gegend rund um den Bahnhof noch Anstößiges? Wettlokale, ein Bordell, einen sexy Nachtklub, Lokale, in denen öfter Polizeipräsenz notwendig ist, Dealerei rund um den Bahnhof, die Bogenmeile. Mit Bordellen, Nachtclubs und Wettbüros kann man halt Geld verdienen (Hotelgäste wollen sie eventuell ja auch besuchen), die muss man nicht verlegen, obwohl sich hier eine mindestens ebenso – in den Augen des Otto Normalbürgers, der sich mit den Abgründen der Menschheit nicht auseinandersetzen will – schräge Szene herumtreibt.

 

Apropos schräge Szene: Neulich gehe ich um ca. 1:30 morgens nach einer Veranstaltung von der Dreiheiligenstraße Richtung Bögen. Ich schlendere die Straße hinunter und erblicke zwei Autos, aufgeregte junge Menschen und ein paar PolizistInnen. So wie ich mitbekomme, ist jemand betrunken gegen die Einbahn gefahren und hat einen Unfall verursacht.

 

Ich gehe weiter, komme bei den Bögen an, wo gegenüber eines Lokals eine Schlägerei von mehreren Betrunkenen im Gange ist, fünf Leute rangeln am Gehsteig herum, zwei gehen auf einen los, Mädels kreischen: „Hörts auf!“, versuchen die anderen wegzuzerren, werden dabei selbst zu Boden gezerrt, der Türsteher vom Lokal gegenüber lacht sie aus und findet nicht, dass er eingreifen oder die Polizei anrufen könnte, genau in dem Moment kommt ein Polizeiauto, das gerade mit dem Unfall in der Dreiheiligenstraße beschäftigt war, es bleibt gleich wieder stehen und die PolizistInnen greifen in den Konflikt ein.

 

Also da geht’s ja ziemlich heiß her! Im Gegensatz zu friedlich herumstehenden Leutchen vor dem Komfüdro geht’s da richtig zur Sache, da Leute ernsthaft verletzt werden können, wenn sie derartig mit der legalen Droge Alkohol abgefüllt sind, Auto fahren oder sich gegenseitig herschlagen.

Vielleicht sollte man das Komfüdro erweitern und noch eine 24 Stunden Suchtberatung speziell für AlkoholikerInnen dazuinstallieren und wer weiß, vielleicht würde sogar so mancher einsamer Hotelgast auf Geschäftsreise dort mal vorbeischauen? Ich bin für mehr Toleranz in dieser Stadt und weniger Versuche, Dinge unter den Teppich kehren zu wollen, die keine gravierenden Probleme, sondern einfach ganz normale Stadtphänomene sind. Wem muss man denn ständig eine heile Welt vorgaukeln? Die gibt es nicht. Schluss. Aus.

 

Text: BARBARA TATSCHL

 

Link www.caritas-tirol.at/hilfe-einrichtungen/menschen-mit-suchterkrankungen/komfuedro/

4 Comments

  1.  Cartias Direktor Georg Schärmer sieht das offenbar ein bisschen anders:

    "Das 20-Jahr-Jubiläum [Anm.: der Drogenarbeit der Caritas in Innsbruck] ist zugleich Startpunkt für das Projekt ‚Neubau Mentlvilla und KOMFÜDRO‘. Ein zeitgemäßer, qualitätvoller Neubau ist ein Signal der Wertschätzung und eine klare Ansage: Vom Rand zur Mitte. Die Praxis Jesu, bei Menschen einzukehren, die nicht anerkannt waren und selbst achtsamer Gastgeber zu sein, ermutigt uns, weiterhin ein „edles Haus“ zur Verfügung zu stellen und zu ahnen, dass ER täglich zu Besuch kommt." — Caritas Tirol (2012): Kurzchronik, 20 Jahre Drogenarbeit der Caritas in Tirol, 1992-2012. (http://www.caritas-tirol.at/fileadmin/user/tirol/04_Aktuell/Festschrift-Drogeneinrichtungen_2012.pdf)

    Es ist ja nett, sich seiner sozialen Gesinnung zu versichern, indem man sich nicht vom Anblick und der Gegenwart drogenkranker Menschen gestört fühlt, wenn man durch die Stadt an ihnen vorbei schlendert.

    Aber sie bloß als symbolische Installation einer aus den Fugen geratenen Welt den "Reichen und Schönen" vorsetzen zu wollen, ohne nach den Bedürfnissen der Betroffen, den drogensüchtigen Personen, zu fragen, finde ich irgendwie seltsam. Vom kategorischen Imperativ bzw. von der christlichen Nächstenliebe scheint mir dieser Gedankengang nicht gerade abgeleitet zu sein.
     

     

    • PS. Vielleicht hätte man für den Artikel die Leute mal ansprechen können, um sie selbst darüber zu Wort kommen zu lassen, ob es ihnen nicht lieber wäre, ihre Zigarette in einem ansprechenderen Umfeld mit ausreichend Platz zu rauchen? Denn wie die Autorin richtig festgestellt hat, die Bahnhofs-Bögen-Gegend ist nicht gerade die schönste; auch nicht für Drogenkranke.

    • Ich finde es gut, dass das Komfüdro bis der Neubau fertiggestellt wird, dort bleibt, wo es ist, danke für die Information, ich bin da nicht so nahe dran.

      Mir ging es darum, diese Meinung zu reflektieren, dass es Bedenken wegen des aktuellen Standortes des Komfüdros und dem Neubau des Hotels und Bürogebäudes der Baugruppe PEMA gab und ich wollte darauf aufmerksam machen. 

      In meinen Kontakten mit Suchtkranken habe ich in Gesprächen erfahren, dass das Komfüdro trotz der aktuellen Lage eine sehr wichtige Institution ist, die ich in Innsbruck nicht missen will, egal wo sie sich befindet.

      Bitte erkläutere mir genauer:

      Aber sie bloß als symbolische Installation einer aus den Fugen geratenen Welt den "Reichen und Schönen" vorsetzen zu wollen, ohne nach den Bedürfnissen der Betroffen, den drogensüchtigen Personen, zu fragen, finde ich irgendwie seltsam. Vom kategorischen Imperativ bzw. von der christlichen Nächstenliebe scheint mir dieser Gedankengang nicht gerade abgeleitet zu sein.

      Bitte stelle mir konkrete Fragen darüber, was du denkst, dass meine Gedankengänge sind, denn dann kann ich drauf antworten. Auch ich will fragen, was ist deine Gedanken in Bezug auf christliche Nächstenliebe und Suchterkrankung sind und mich interessiert deine Sicht auf die Bedürfnisse der Betroffenen aus diesem Blickwinkel. Vielleicht bin ich derselben Meinung wie du, vielleicht aber auch nicht, lass uns darüber diskutieren.

       

       

       

       

       

  2. liebe alle,

     

    ich habe mich ein wenig schlau gemacht. nein, die stadt will das komfüdro nicht verdrängen. es steht der neubau der mentlvilla an. dorthin wird das komfüdro dann übersiedeln, da es größer, schöner und neu sein wird.

    bis dahin wird das komfüdro an ort und stelle bleiben. ich hoffe ich konnte ein wenig aufklären.

    angie

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