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IVB – Sauna auf Rädern

Wer in Innsbruck zur Winterzeit auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, kann oft sehr gut nachempfinden, wie sich die Wechseljahre anfühlen müssen. Gerüstet für die Minusgrade wird die Busfahrt schon mal zum Saunagang…

 

Morgens kurz vor 8.00 Uhr in Innsbruck. Das Thermometer zeigt -8° an, Schnee bedeckt die umliegenden Dächer und der Wind bläst mir beim Verlassen des Hausflurs sofort ins Gesicht. Ich bin eingepackt wie ein Eskimo: gefütterte Winterstiefel, dicke Daunenjacke, Handschuhe, Schal und Mütze. Während ich auf die Bushaltestelle zugehe stelle ich sehr zufrieden fest, dass ich keine kalten Füße habe. Ich bin bestens gerüstet für dieses Winterwetter. An der Haltestelle lese ich die Anzeigetafel.

Novapark-Schrottstraße – Linie D noch 2 Minuten. Mein Atem wird durch die kalte Luft sichtbar und ich schaue mir die anderen, warm eingepackten Menschen um mich herum an, während ich innerlich ein Loblied auf meine Winterjacke singe. Absolut Wind abweisend, absolut mollig-warm, absolut toll. Ich würde Werbung dafür machen.

Der Bus rollt herbei, ich steige beim Fahrer ein und habe sofort das Gefühl gegen eine Mauer zu laufen. Ganz schön schlechte Luft hier. „Guten Morgen“ sage ich mit einem Lächeln und werfe 2 Euro auf die Geldannahme. Ich arbeite mich, an einigen Passagieren vorbei, in den Mittelteil des Busses vor und frage mich ob überhaupt Sauerstoff in diesen paar Quadratmetern vorhanden ist. Wie kann der Busfahrer nur unter solchen Bedingungen arbeiten? Gut, er trägt auch keine Winterjacke bis über die Knie. Der Bus setzt sich in Bewegung und ich spüre die Wärme unter meiner Jacke und streife mir die Handschuhe von den Händen. Umständlich klemme ich die eiserne Haltestange mit meinem Ellenbogen ein. Bloß nichts mit den Händen anfassen! Wer weiß wie viele Milliarden Bakterien sich daran tummeln und jetzt gerade mit gierigen Blicken nach meiner Haut Ausschau halten!

Haltestelle Kalkofenweg – ich ziehe mir die Mütze vom Kopf und öffne den Reißverschluss meiner Jacke. Meine Wangen glühen. Die Haltestelle Mühlenweg nähert sich und ich verspüre bereits den Drang einfach wieder auszusteigen. Die Türen öffnen sich und ein Hauch von kühlem Wind versucht sich vergeblich durch den Gang zu schlängeln. Noch sieben Haltestellen liegen vor mir und meinem winterlichen Aufzug, der mir auf einmal völlig übertrieben vorkommt. Ich würde eher nach Alaska passen.

Mühlau – noch mehr Menschen steigen ein und ich bekomme langsam Sauerstoffneid. Die Fensterscheiben sind beschlagen und Kondenswasser läuft an ihnen hinab. Ich bin nicht ganz sicher ob innen oder außen, eins weiß ich jedoch: ich fange im Inneren meiner Jacke an zu schwitzen.

Haltestelle Anton-Rauch-Straße – es hilft nichts. Ich klemme meine Tasche zwischen die Knie und versuche mich im Getümmel aus der Jacke zu zwängen. Möglichst ohne Fahrgäste in meiner Nähe mit meinem Ellenbogen zu treffen. „Tschuldigung“ sage ich mit einem gequälten Lächeln in die anonyme Masse, als ich in einer Kurve aus dem Gleichgewicht gebracht werde. Wer braucht denn bitte „Stagediving“, wenn man auch ganz einfach in öffentlichen Verkehrsmitteln mit viel zu vielen Körpern in Berührung kommen kann?!

Hoher Weg – irgendwie merke ich keine wirkliche Verbesserung ohne meine Jacke. Das könnte vielleicht daran liegen, dass ich auch unter der Winterjacke Wintersachen trage – im Winter. Strickpulli, Langarmshirt, Unterhemd. Nein, ich kann den Pulli nicht ausziehen.
Haltestelle Trogerstaße – die warme Luft und der nicht vorhandene Sauerstoff steigen mir zu Kopf und ich fühle mich etwas schläfrig und benommen. Das Lockern meines Schals hilft kaum. Ich stelle mir vor wie der gesamte Bus plötzlich nur aus Holz besteht. Die Menschen sitzen auf Saunabänken und tragen statt Daunenjacken weiße Handtücher. Dichter Dampf durchströmt das Fahrzeug. Was für eine Marktlücke. Der Quicky-Saunagang vor dem Bürotag. Entspannen und entgiften Sie bequem auf dem Weg zur Arbeit. Dagegen sieht Actimel ziemlich alt aus. Ich schau nach vorn, Richtung Fahrer und dort, wo sonst das Schild „Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen“ hängt, lese ich nun „Linie D – Textilfreie Zone“. Die Menschen sitzen und stehen nebeneinander, erzählen, schnaufen durch die heiße Luft und schwitzen.

Schmelzergasse – Ja, ich zerschmelze. Weitere Saunagänger mit Aktentasche betreten die Kabine. Das Gemurmel unter den Gästen wird lauter. „Aufguss, Aufguss, Aufguss“ fordern sie. Ich stimme mit ein. Aufguss, eine wunderbare Idee. Das hat noch gefehlt.
Der Busfahrer lacht. „Nächste Haltestelle – Innstraße“. Super, an der nächsten Haltestelle also. Oberkörperfrei sitzt er in ein Handtuch gewickelt auf seinem Sitz. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Neben ihm steht ein großer Eimer voll Flüssigkeit – darin eine Schöpfkelle. Er lässt sie durch die Flüssigkeit fahren und kippt eine große Ladung über das Armaturenbrett. Applaus macht sich unter den Saunierenden breit.

Innstraße – die Tür geht auf und ein Herr blickt in die Runde. Er gibt dem Fahrer ein Zeichen und dieser setzt noch eine Kelle nach. Beißender Dampf steigt auf und brennt beim Atmen in der Nase. Der Zugestiegene schnappt sich ein Handtuch und beginnt zu wedeln. Die Gäste sind hellauf begeistert. Die Luft wird jetzt so heiß, dass es kaum auszuhalten ist. Doch plötzlich stoppt der Mann und kommt auf mich zu. „Ihre Eintrittskarte bitte.“ Ich bin verwirrt. Meine Eintrittskarte? In der Sauna? „Ihre Fahrkarte bitte!“ sagt er lauter. Ich schaue mich in der Menge um. Mit Winterjacken, Mützen und Schals stehen die Leute im Bus umher. Ich greife in meine Tasche und zeige meinen Fahrschein. Der Mann geht weiter – ohne Handtuch. Auch ich trage immer noch Pulli und Winterschuhe.

Haltestelle Marktplatz. Ich steige aus und sauge die frische kalte Winterluft ein. Vielleicht sollte man doch öfter mal zu Fuß gehen.

 

Text und Foto von Isabell Schaffert

4 Comments

  1. Ich glaube allerdings, dass nur die allerwenigsten über die Konstitution eines tiefgekühlten Kaltblüter-Eskimos und für sibirische -20°C ausgelegte Winterbekleidung verfügen, zumal mensch ja nicht unbedingt mit Flanell-Unterwäsche und darüber weiteren drei Thermalbekleidungs-Schichten durch die Stadt läuft resp. im Office sitzen mag.

    Ich für meinen Teil bin deswegen jeden Tag heilfroh, wenn mein Bus ins Büro mir an meinem Lieblingsplatz – rechts vor der zweiten Tür – schöne glühheiße Luft auf die Beine pustet. Angesichts der aktuellen Extremkälte finde ich das schwer in Ordnung und bin den IVB dafür dankbar, dass sie ihre Trams und Busse nicht nur im Sommer schön kühlen, sondern auch im Winter mal ordentlich einheizen.

    Was ich mir in Innsbruck vielmehr wünschen würde, wäre so etwas wie das PATH-System in Toronto – http://de.wikipedia.org/wiki/PATH_%28Toronto%29 – aber dafür ist es in Österreich unter normalen Umständen wohl leider zu wenig kalt. :/

    • Servus Manni

      Ich bin der Meinung dass die aktuelle Wetterlage nicht als Referenzpunkt für die Temperatur in öffentlichen Verkehrsmitteln herangezogen werden sollte. Aktuell handelt es sich um ein Wetterextrem, aber selbst unter diesen Umständen ist es aus medizinischer Sicht für den menschlichen Kreislauf nicht vorteilhaft sich binnen kürzester Zeit extremen Temperaturschwankungen auszusetzen (seien sie warm oder kalt). Vor allem älteren Personen mit Herzproblemen ist hiervon dringlich abzuraten. Bei den aktuellen Witterungen ist es aber häufig genau diese Personengruppe die von öffentlichen Verkehrmitteln gebrauch macht.

      Eine angenehme Raumtemperatur von 18-20°, wäre auch für öffentliche Verkehrsmittel warm genug. Den Bussfahrern hat wohl niemand aufgetragen nur ein T-Shirt tragen zu müssen!

      Des weiteren hat wohl nur ein geringer Anteil der Nutzer von Bussen/Trams die "EHRE" im "OFFICE" zu arbeiten und womöglich einen schnieken Anzug zu tragen. Also bevor du dir die Beine auf deinem Lieblingsplatz verbrennst, lieber mal schauen dass deine Hosen kein Hochwasser haben und den Hosenladen zumachen soll nämlich auch gegen Kälte helfen!  

       

      • Da bin ich deiner Meinung, "Eros". Raumtemperatur reicht aus, aber mehr als diese hat es meiner Erfahrung nach auch nicht in den Öffis, und ich denke ich kann das beurteilen, denn ich benutze sie täglich. Es sei denn, man sitzt eben an einer der Lüftungsauslässe, wo im Winter die warme und im Sommer die kalte Luft eben konzentriert austritt, was technisch vielleicht besser gelöst werden könnte, oder man ist sozusagen overdressed, wie es bei der Verfasserin des (IMO witzigen und gut geschriebenen) Artikels eventuell der Fall war; aber wenn ich meine Winterjacke in der Tram oder im Bus oder in sonstigen Innenräumen nicht öffne, fange ich halt auf einer längeren Fahrt auch an zu schwitzen. Gut möglich, dass mensch normale 21 Grad deshalb dann als heiß empfindet?

        Widersprechen muss ich dir aber bezüglich des Öffi-Publikums; ich weiß nicht, woher du das hast, dass vor allem alte Leute die Öffis nutzen? Mag sein, dass es mal eine Zeit gab, in der das so gewesen ist, weil Autofahren noch leistbar war, Zeit sparte und gesellschaftlich nicht hinterfragt wurde, aber diese Zeiten sind längst vorbei. StädterInnen haben heute Jahrestickets für die Kernzone und oft gar kein Auto mehr. Oder denkst du, die ganzen mittelalten Berufstätigen (wie ich) gehen kilometerweit zu Fuß oder fahren zu ihren meist innerstädtischen Arbeitsplatzen mit dem Auto? Bei bitterkalten -10 Grad sinkt auch die Anzahl der Radfahrenden gegen Null. 🙂 
        In den Öffis findet sich ganz einfach ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung (die bekanntlich und zugegebenermaßen altersmäßig langsam nach oben driftet); in der Großstadt benutzt grundsätzlich jeder den öffentlichen Verkehr, der deswegen auch für alle Bevölkerungsschichten geeignet sein muss, weswegen Sauna und Gefrierschrank im Öffi zwar schlecht, Heizung und Kühlung grundsätzlich aber IMO schon eine gute Sache sind.

        Mich erinnert das Ganze halt ein wenig an die sommerlichen Klimaanlagen-Diskussionen, weil’s ja auch Leute gibt, die Klimaanlagen grundsätzlich für ein Übel halten, auch wenn’s draußen wieder mal 35 Grad hat.

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