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Integration at its worst: Wirtschaft schluckt Wissenschaft

Eine beliebige österreichische Universität im Jahr 2015:

Die Anwesenheitspflicht wurde neben Seminaren nun auch auf Vorlesungen und den täglichen, vom Wirtschaftsministerium verordneten Gottesdienst ausgedehnt. Einzig möglicher Entschuldigungsgrund ist die Teilnahme an den seit Monaten durch’s Land tingelnden Castings für die bald startende Show ÖSDSS „Österreich sucht den SuperStudi“ – Die JurorInnen Niki Lauda (Kategorie schnellst unterwegs seiende StudentInnen), Magier Uri Geller (Kategorie best auswendig lernende StudentInnen), RZB-General Walter Rothensteiner (Kategorie bestes kontokorrektes Auftreten) und Mirjam Weichselbraun (Kategorie woooh!-Faktor) sind beinhart.

Die Hemmungslos-Wein-Quote bei Studierenden der Geisteswissenschaften liegt bei 82 Prozent, am toughsten sind Studierende der Wirtschaftswissenschaften, die vor allem in der Kategorie „auswendig Lernen“ und „kontokorrektes Auftreten“ nichts als verbrannte Erde hinterlassen. In Ausnahmefällen wird als Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben von Seminaren, Vorlesungen oder Gottesdienst auch der eigene Tod anerkannt – jedoch nur, wenn dieser per Antragsformular EX 56b bis zum Stichtag 31. Oktober bzw 31. März fristgerecht angekündigt wurde.

An allen Eingängen der Universitäten stehen Bankomaten, mit denen man seinen Quick-Chip der StudentCard aufladen kann. Das Drehkreuz will heute nicht so richtig, der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma wirkt gestresst. Schon wieder hat er einen Studierenden aus dem Ausland darauf hinweisen müssen, dass dieser die StudentCard zwei Mal stecken muss, damit ihm auch zwei Mal zehn Euro für den heutigen Zutritt zur Uni abgebucht werden.

Nach zehn Metern zweites Drehkreuz: „Sicherheitskontrolle“. Digicams, Handys und Co müssen abgegeben werden. Mit einem von einem übergelaufenen Psychologiestudenten entwickelten Test werden Studierende mit fotografischem Gedächtnis heraus gefiltert und wieder nach hause geschickt. Niemand soll die Powerpointfolien abfotografieren oder sie sich merken können. Viele StudentInnen sind dazu übergegangen, ihr Gedächtnis per Meditation und Yoga zu trainieren – einige wurden bereits vom Test beim Drehkreuz der erhöhten Merkfähigkeit überführt und für ein Semester suspendiert.

Manche Studierende haben statt einer Hanfplantage längst auf Walnussbäume umgerüstet und rauchen sich in der Früh mit den Resten der Hanfplantage auf normales Merkniveau hinunter, um nicht aufzufliegen und durch die Eingangskontrolle zu kommen. Das 400 Seiten umfassende Skript zur Lehrveranstaltung gibt es erst 12 Stunden vor der Prüfung am Ende des Semesters – gratis. Einzig der persönliche, einmalige Zugangscode zum Uni-Server, von wo das Skrip downgeloadet werden kann, kostet 5.000 Euro.

 

Ein beliebiger österreichischer Hörsaal 2015:

Die Professorin am Rednerpult ist – einem Papamobil gleich – unter einer Art Käseglocke nur für LippenleserInnen verständlich. Für alle anderen gibt es von einer Fast-Food-Kette gesponserte „McListen“-Terminals. Steckt man die StudentCard ein, kann man für 10 Euro pro angefangener 10 Minuten die Vortragende hören. In unregelmäßigen Abständen zieht die Professorin eine rote Locken-Perücke über und fuchtelt mit einer Apfeltasche herum, aus eigens eingebauten Belüftungsschlitzen wird Pommes-Parfum eingesprayt.

 

Ein für die Universitäten zuständiger Wirtschaftsminister betont 2015, dass es nur mit den aufgebrachten Drittmitteln eines nicht näher zu nennenden Unternehmens aus der Pharma-Branche gelungen sei, die Wiener Pfizer-Universität unter den Top 300 Unis weltweit zu halten. Auch das Verhindern des Abrutschens der Salzburger Nestlé-Universität, der Grazer Magna-Universität, und der Innsbrucker „Stubaier-Gletscher-ganzjähriger-Betrieb!“-Universität konnte so verhindert werden …

 

Eine beliebige Bachelorin (oder Bachelora? Oder Bacheloress?) im Jahr 2015 wundert sich, warum sie den Bildungskredit, den sie für die kommenden drei Jahre gewährt bekommen hat, nun doch schon bis 2016 zurückzahlen solln. Auf ihre Anfrage mittels der kostenpflichtigen 0900er-Nummer erhält sie die beruhigende Antwort, dass die Rückzahlungsraten ohnehin zweckgebunden seien. Für die Rettung des Rettungspaketes für die unrettbare Hypo Alpe Adria Bank …

Markus Koschuh

4 Comments

  1.  Vom "Gottesdienst" ist das Wirtschaftsministerium zwar in etwa so weit entfernt, wie Frank Stronach vom alternativen Nobelpreis, ansonsten ist das Szenario aber gut getroffen! 🙂

  2. "gut gemeint."
    Der Text erinnert mich an MAD.
    wenigstens hast du es vermieden, diesen Töchterle heilig zu sprechen.

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