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Gefährliche Wünsche

Rituale geben Halt und Struktur, sie machen Veränderungen bewusst und helfen in Übergangssituationen. Ja, stimmt! Aber ich hasse diese ganze Gutes-Neues-Jahr-Wünscherei! Sie erinnert dich an einem der sensibelsten Punkte des Jahres einfach nur daran, dass das nächste Jahr ganz furchtbar werden könnte. Ja, oder dass einfach alles aus sein könnte. Da fängt das Neue Jahr schon schlimm an. Also nicht gut!

 

Am Silvesternachmittag bereite ich schon oben auf der Terrasse die Sektgläser vor und den Ghettoblaster, dass wir neben dem Feuerwerk ja die Bummering nicht verpassen und den Donauwalzer! Das Ganze mache ich geradezu mit einer kindischen Vorfreude! Wozu hat man schließlich eine Terrasse mit Ausblick über das ganze Tal! Und dann „The same procedure as every Year“: Nach dem „Dinner for one“, bei dem ich mich immer am Boden wälzen kann vor lauter Lachen (ich bin sicher, das ist schon eine Reaktionsbildung auf die sich anbahnende Angst!), stressen wir rauf auf die Terrasse und um Punkt 12.00 knallen die Sektkorken und die Umarmerei und die Wünscherei gehen los.

Und gleichzeitig schießt mir die Angst auch urplötzlich ins Gesimse: „Was, wenn es eben kein gutes Jahr wird …!?“ Gut, dass es da den Alkohol gibt! Er ist zwar keine gute Bewältigungsstrategie, aber er ist definitiv eine Bewältigungsstrategie, nur leider eben von kurzer Dauer, denn am nächsten Tag, da geht es weiter: Das Telefon würde andauernd klingeln, wenn ich es nicht in weiser Voraussicht ausschalten würde, denn es gibt viele Leute, die unbedingt diese Angstmache weiterzelebrieren müssen. Die lieben wahrscheinlich den Thrill dabei oder aber sie denken nicht oder aber sie machen, weil es sich so gehört. Wahrscheinlich „weil es sich so gehört“: Meine Oma und meine Tanten, die wünschen sich nämlich, dass ich vorbeikomme  und „Neujahr wünsche“, als würde es ohne diesen Wunsch eh schon gleich ein verwunschenes Jahr werden. Als würde die Güte des kommenden Jahres von diesem panischen Wünschen abhängen. Als Kind kriegt man für den Wunsch sogar Geld! Die Alten bezahlen die Jungen für einen guten Neujahrswunsch. Die Logik dahinter vielleicht: Wer viel wünscht, kriegt viel Geld und wer viel zahlt, kriegt das bessere Jahr! So eine Art Ablasshandel.

Als Kind war mir das egal, Hauptsache Geld, mit dieser speziellen Neujahrsangst hast du es als Kind ja noch nicht so. Irgendwann kriegt man kein Geld mehr dafür, das ist schade, aber auszuhalten. Aber wenn man dann älter wird, dann kommt eben die Neujahrsangst und mir kommt vor, die wird jedes Jahr schlimmer. Mit Recht, denn man weiß, es wird das Jahr kommen, wo was passiert. Und rein chronologisch betrachtet, sind da einige nahestehende Menschen, die dir durch Krankheit oder Tod das Neue Jahr richtig böse vermiesen können. Dabei hält sich das Leben bekanntlich nicht mal an diese Chronologie. Es kann immer jeden treffen. Das muss man immer miteinkalkulieren oder besser „miteinfürchten“.

Lösung? Keine wirkliche Lösung in Sicht: Vielleicht am 31. Dezember das alte Jahr feiern (wenn‘s denn was zum Feiern gibt) und das Neue Jahr einfach mit einem Feuerwerk und einem Walzer begrüßen ohne etwas zu wünschen? Das wäre mir auf jeden Fall sympathischer. Aber auf keinen Fall diese Wünscherei, die ist einfach nur furchtbar.

Warum ich das hier schreibe? Weil mich diese Tage zu einem antisozial gestörten, misanthropen Wesen machen, das sich nicht mehr außer Haus traut und die liebe Verwandtschaft vor den Kopf stößt, weil ich niemanden treffen mag, der mir was Gutes wünscht oder dem ich was Gutes wünschen muss.

Für alle, denen es gleich geht wie mir, mein Rat: Trotzdem raus mit euch, weil jeder Sonnenstrahl und Bewegung die Serotoninproduktion anregen und gegen die Winterdepression wirken, aber: Trefft euch ganz bewusst nur mit Leuten, die euch wirklich gut tun! Boykottiert die ganze Wünscherei, auch wenn man über euch deswegen redet (denn man redet ja sowieso über euch). Tarnt euch aber bei Spaziergängen mit einer dunklen Brille, die ihr schnell vor die Augen schieben könnt, wenn menschliche Wesen sich nähern. Stöpselt die Ohren zu mit Kopfhörern, zieht euch die Mütze tief rein ins Gesicht und bindet den Schal bis über die Nase hinauf. Oder Joggen: Joggen ist super, man bewegt sich und ist schnell vorbeigerannt! Egal wie: Gerade an diesen Tagen, immer nur das machen, was einem gut tut und nicht, was man von euch erwartet. Wir haben es schließlich schwer genug mit dem Leben an sich!

Alles Liebe!

Christine

Christine Pernlochner

One Comment

  1. Lösung? Keine wirkliche Lösung in Sicht:

     

    Oder Doch???

     

    Vielleicht so:

     

    Zwischen 24.12. 00:00Uhr  und 06.01. 24:00Uhr  des daraufolgenden Jahres, Türen und Fenster zu. Auch die Vorhänge zuziehen. Am und unter den Tisch 14 Flaschen handverlesene Weine stellen,. Dazu ein ausgewählt schönes Glas in der Mitte des nackten Tisches platzieren. Jeden Tag eine davon kippen. Prost.

     

    Aber vielleicht sind da auch schon Andere draufgekommen.

     

    Zwischendurch aber brav Joggen, wegen dem Restalkohol.     

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