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Bloggen für den Seelenfrieden # 1

Manchmal denkt man sich, dass die ganze Welt scheiße ist. Und manchmal hat man damit sogar recht.

 

Geld, zum Beispiel

 

Vergangene Woche wurde ich viermal um Geld angeschnorrt. Einmal hatte ich keine Lust, mich mit meinem Gegenüber auseinander zu setzen. Und nein, das heißt jetzt nicht, dass ich so getan habe, als würde ich gerade telefonieren. Beim ersten Mal fragte mich ein ziemlich in die Jahre gekommener Typ, den man sich bildlich wohl am Ehesten als Sohn von Ivan Rebroff und Frank Zappa vorstellen kann. Ja, zwei Väter. Mutter? Unbekannt. Die zweite Begegnung hatte ich mit einem jungen Mann, der mich optisch einzig und allein an Schilddrüsenunterfunktion erinnerte. Auch er, höflich und an die Tatsache, mit dem eigenen Elend selbst fertig zu werden, gewöhnt. Beim dritten Mal sprach mich eine auffallend gehetzt wirkende Frau an. Vielleicht eine Roma. Sicher ist nur, dass ich ihr etwas geben konnte und trotzdem ein schlechtes Gewissen hatte. Wer schon einmal an einer Polizeikontrolle vorbeigekommen ist und selbst nicht nach dem Ausweis gefragt wurde, weiß, was ich meine. Die vierte Aktion war schräg. Im Unterschied zu den anderen Begegnungen habe ich mich aber mehr über mein Gegenüber empört, als die vorherrschende Umverteilungspolitik in Frage zu stellen. Oder ist echauffiert das Wort? Jedenfalls war es so:

Deutschkenntnisse, zum Beispiel

An diesem Tag kam ein ganz Subtiler auf mich zu. Subtil, weil er sich bei jedem Schritt in meine Richtung kleiner zu machen versuchte. Signalisierte Unterwerfung, eben. Aus den Augen ließ mich der Professionist aber nicht, als er sich so heranduckte. Überraschend war allerdings, dass er sich zuerst versicherte, ob ich ihn überhaupt verstehe. Also nicht akustisch, weil besonders laut kam es mir damals nicht vor, obwohl ich zugeben muss, dass ich an diesem Tag kein Dezibel-Messgerät dabei hatte. Nein, er fragte mich ob ich überhaupt Deutsch kann, bevor er Geld von mir verlangte. Das hat mich dann doch irritiert. Und dass ich ihm sagen hätte können „nein, heißt in allen Sprachen, nein“, ist mir auch erst eingefallen, als ich tags darauf nicht schlafen konnte. Schade eigentlich.

Warum jetzt aber, um wieder an den Ausgangspunkt zurückzukehren, gleich die ganze Welt scheiße sein soll, ist eine berechtigte Frage. Spontan würde ich darauf antworten, weil sie sich halt oft von einer Minute auf die andere so anfühlt. Und dazu braucht es ja nicht immer gleich Brechdurchfall, Greenpeace-Keiler_innen oder Burschenschafter.

Haushalt, zum Beispiel

Wenn man eh schon schlecht geschlafen hat, weil der neueste Trend in Innsbruck jetzt wohl dazu geht, Bau- und Straßenarbeiter_innen auch in der Nacht schuften zu lassen. Wobei „lassen“, ist da wohl das falsche Wort, wenn Arbeiter_innen nun auch schon mitten in der Nacht an die Maschinen gestellt werden oder Bodenmarkierungen nachziehen müssen. Und Krach machen, der nicht nur Schlafmangel fördert, sondern auch ungesunde Zwangsgedanken freisetzt. Disstress, sozusagen. Wenn man dann keine Ruhe mehr findet und fast am Ausflippen ist, weil es einfach laut ist und eine Frechheit, dass die da jetzt draußen sind und sein müssen. Und dann auch noch der Gedanke zur fixen Idee wird, dass die gute alte Nachtruhe nun ein für alle Mal im Namen unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Sachschäden ausgedient hat. Und das niemanden zu interessieren scheint.

Gewerkschaften, zum Beispiel

Jedenfalls, wenn man dann am nächsten Morgen gerädert aus dem Bett steigt und Zeitmanagement zu etwas so Groteskem wird, dass man innerhalb dieses Satzes vielleicht schon Fallfehler macht und „grotesk“ am Liebsten schon mit zwei „k“ schreiben würde, weil man es in so einem Zustand dann halt auch nicht besser weiß. Wenn das Frühstücksgeschirr stehen bleibt, das Hirn sich nicht von selbst auslüftet und die Wohnung auch schon stinkt. Wenn die Kleidung direkt vom Wäscheständer gerissen werden muss, um an der Besitzerin auszuknittern und man auf dem Weg in die Arbeit dann auch noch angesprochen wird, weil man hinten halt keine Augen hat und Strumpfhosen dann vielleicht doch nicht dazu da sind, aus dem linken Hosensack zu hängen. Weil man genannte Strumpfhosen eigentlich ja nicht einmal gern unter den Jeans anzieht und das Wort an sich schon so unglaublich dämlich klingt. Auf alle Fälle, wenn alles den Bach runtergeht und man nicht mehr hinterher kommt, weil man ja auch gar nicht kann und meistens ganz einfach auch nicht will, weil wenn wir alle wollen würden, hätten wir angeblich ja alle, was wir haben könnten.

Stress, zum Beispiel

Gut, den habe ich. Deswegen habe ich ja keine Zeit mehr für mich. Nicht einmal an Wochenenden. Weil da muss man sich ja schon von Amtswegen her erholen. Und rausgehen. Und einen Spaziergang machen. Und die Natur genießen. Und das dann mit der Facebook-Gemeinde teilen. Und Kommentare über sich ergehen lassen. Und lustige Katzenbilder. Und Wahlkampf-Scheiße. Und Eso-Scheiße. Und Ego-Scheiße. Und sich angesichts der immer noch inflationärer geposteten Katzenbilder in Gelassenheit üben, wobei „üben“ für so eine Erholungsphase eigentlich eh das richtige Wort ist, wenn man plötzlich wieder mit Weisheiten zugemüllt wird, gegen die man eigentlich schon revoltiert hat, als man noch nicht einmal wusste, was das überhaupt ist, ein Internet.

Ruhe bewahren, zum Beispiel

Und inne halten. Und in sich gehen. Und in sich heineinhorchen. Und implodieren, weil explodieren ja zu laut wäre und irgendwer sicher sogar am Wochenende ein Dezibel-Messgerät bei der Hand hat. Und weil in der Ruhe, ja die Kraft liegt. Und weil stille Post ja auch irgendwie an Kindergeburtstag erinnert. Und weil es sich ja sowieso viel angenehmer zusammenlebt, wenn man den Leuten nicht beim Verzweifeln zuhören muss. Und weil dann ja auch alle besser schlafen. Parteien zum Beispiel.

Isabella Krainer

7 Comments

  1.  Ganz ehrlich: Ich kann mir grad keinen interessanteren Menschen vorstellen als den Sohn von Ivan Rebroff und Frank Zappa.

  2. Da kann ich meinem Vorposter nur zustimmen .. ich glaub, den Sohn von Rebroff und Zappa kenn ich sogar vom Sehen … sonst mehrmals beim Lesen einfach losgelacht: Vielleicht sollte ich auch bloggen … für den Seelenfrieden 🙂

  3. Katzenbilder. Und immer wieder: Katzenbilder: Ich bin auch auf Facebook, aber ich entdecke dort so gut wie nie Katzenbilder. Eigentlich könnte ich meinen Freuden dankbar sein. Aber an sich mag ich Katzen ja auch wieder. Oder ist das nur eine Chiffre oder ein Klischee?

  4. Aber außer der Stellenanzeige Mitarbeiter/in Straßenarbeiter haben Sie schon eine StraßenarbeiterIN in natura, in realo gesehen?

  5. ich muss zugeben, dass ich im wirklichen leben auch noch nie eine straßenarbeiterin gesehen hab. eine rektorin übrigens auch nicht, aber es gibt sie. 

    zu den lustigen katzenbildern hab ich tatsächlich ein gespaltenes verhältnis. ist ein bissl so wie beim katastrophentourismus. man will eigentlich nicht hinschauen, kann aber nicht anders…

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