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Bisch a Tiroler, bisch a Heiliger

Die aktuelle Diskussion um die Studie des Zeithistorikers Michael Wedekind zur Volkskultur in Tirol und deren Naheverhältnis zu nationalsozialistischem Gedankengut bzw. deren Vergangenheit (Sepp Tanzer, etc.) zeigt zwei Dinge auf: dass immer noch viele der mit Tradiotionskultur beauftragen Vereine auf eine gewisse Art und Weise belastet sind und – und das ist das wesentlich Interessantere – dass die politische Elite Tirols einen gelinde gesagt etwas schwierigen Umgang mit dem Thema an den Tag legt.

Im Rahmen dieser Diskussion werden einem vor allem zwei Sätze bzw. Begrifflichkeiten bewusst, die nicht nur in der Tiroler Volkskultur verankert, sondern mit der Tiroler Gesellschaft verwachsen sind und mehr als geduldet werden. „Bisch a Tiroler, bisch a Mensch, bisch koa Tiroler, bisch a Ar..l..ch!“, ist ein weit akzeptierter Stehsatz, der sowohl Tirolern/innen als auch Touristen/innen immer wieder einen Grinser ins Gesicht zaubert.

Über die wirkliche Aussage hinter dem Satz wird offenbar wenig nachgedacht: „Bisch a Tiroler, bisch a Mensch“ – sagt im Umkehrschluss aus, dass wenn du kein Tiroler bist, bist du auch kein Mensch. Dieses Gedankengut sollte nach 70 Jahren eigentlich mehr als kritisch betrachtet werden. Ganz provokativ: der Tiroler als neue Herrenrasse? Als der Vorzeigemensch bzw. der einzig existierende Mensch schlechthin? Fertig gedacht sind die Vorwürfe gegenüber Musikkapellen und Trachtenverbänden, sogar gegenüber unserer Landesregierung was den „landesüblichen Empfang“ betrifft, im Vergleich zu diesem Gedankengut beinahe lächerlich.

Ein zweiter wunderschöner Begriff: „das heilige Land Tirol“. Wer hat unserem Land diesen Namen gegeben? Wohl die Tiroler selbst – angeblich geht der Terminus auf die Zeit Andreas Hofers zurück. Um einen Euphemismus zu gebrauchen: diese Selbstbezeichnung zeigt ein etwas übersteigertes Selbstbewusstsein auf. Mir ist eigentlich nur ein heiliges Land im christlichen Kulturbereich bekannt und das ist eben Israel. Als offensichtliches Geburtsland des Begründers der größten Religion der Menschheitsgeschichte hat sich Israel diesen Beinamen wohl auch verdient. Aber Tirol? Überheblicher geht’s wohl nicht mehr.

Die Diskussionen über die nationalsozialistische Vergangenheit von Tiroler Institutionen sollten sich vielleicht auch mit derartigem Gedankengut beschäftigen. Denn diese Gedanken waren bereits vor 1938 existent und offensichtlich fanden die Nationalsozialisten nicht nur ein heiliges Land sondern auch einen fruchtbaren Boden für ihre Ideologie im Alpenland im Herzen Europas vor.

Und wenn dieses Gedankengut aufgearbeitet und in einem richtigen Zusammenhang gestellt ist, dann kann man vielleicht wirklich aus vollem Herzen sagen: ich bin stolz ein Tiroler zu sein.

MARKUS SCHÖNHERR

7 Comments

  1. Ab und zu fahre ich ganz gerne von Innsbruck nach Tirol. Wegen der Landschaft. Ist ja nicht weit, man muss nur in die S-Bahn steigen und ein paar Stationen fahren.

    Für eineN InnsbruckerIn ist Tirol halt eine ganz andere Welt. Die gutturale, abgehackte Sprache schwer verständlich, die Sitten rau, die Gesellschaft oft nicht ganz auf der Höhe der Zeit, selbst die Gegenwartskultur häufig von Traditionalismus dominiert, die Kommunalpolitik in den Gebirgsdörfern von St. Anton bis Wörgl meist ÖVP-dominiert und damit bigott und korrupt.

    Aber sie haben in Tirol eben eine wirklich schöne Landschaft, und die haben wir nunmal nicht. Dennoch ist Vorsicht geboten: die Dosis macht’s aus. Zu oft nach Tirol zu fahren könnte durchaus Ihre geistige Gesundheit gefährden. Bleiben Sie lieber in Innsbruck, oder steigen Sie in den Railjet und fahren Sie in eine andere große Stadt.

    • Was glaubst du eigentlich, wo Innsbruck ist???????????
      Versuch`s mal mit einem Atlas!!
      Liebe Grüße

  2. Tirol als Heimat

    Ich denke, dass man in Tirol wenig dazu neigt, sogenannte Zuagroaste irgendwann in der Gemeinschaft zu akzeptieren. Dabei gilt man oft schon als fremd, wenn man aus dem Nachbartal kommt. Wenn Familien in manchen Dörfern nach 20 Jahren immer noch lange nicht als Einheimische gelten und man wahrscheinlich noch mindestens zwei Generationen vor einem nachweisen muss, um wirklich dazu zu gehören, dann stellt sich die Frage ob Tirol für Auswertige überhaupt zur Heimat werden kann. Aufgenommen zu werden in den kleinen Kreis der Urtiroler ist wahrscheinlich gar nicht möglich, und jede kleinste Änderung in der Sprache lässt erkennen, ob jemand wirklich schon immer und noch nie wo anders als in seinem Dorf gewohnt hat. Das führt zwangsläufig zu Ausgrenzung und einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl der "für das heilige Land auserwählten" Tiroler. Zumindest bis zu einer gewissen Grenze, denn die Unterlandler sind nicht die Oberlandler und die Stubaitaler nicht die Zillertaler und die Ausserferner sind ja irgendwie schon fast in Deutschland. Für manche Menschen ist es eben einfacher, wenn das Weltbild überschaubar bleibt und innerhalb dieser überschaubaren Grenzen auch nicht zu kompliziert wird.
    Zudem habe ich das Gefühl, dass selbst in Innsbruck, bei Menschen mit einer, alles andere als rechten Einstellung manchmal Kommentare zu vernehmen sind, die auf jeden Fall schon ausländerfeindlich anmuten. Denn es scheint normal zu sein, ab und zu auf die Piefke zu schimpfen. Und vielen ist nicht bewusst, dass das durchaus auch Ausländerfeindlichkeit ist.
    Ich persönlich denke, dass diese Abgrenzung von anderen vielleicht auch mit den schönen Bergen zusammen hängt, denn denen, die sich hauptsächlich im Tal aufhalten, wird eine gewisse Weitsicht verwehrt.

  3.   "Ich persönlich denke, dass diese Abgrenzung von anderen vielleicht auch mit den schönen Bergen zusammen hängt, denn denen, die sich hauptsächlich im Tal aufhalten, wird eine gewisse Weitsicht verwehrt."

    Ja selbst in IBK druckt die doch omnipräsente Nordkette manchmal auf das Gemüt und man sehnt sich ein wenig danach dass nördlich der Stadt die Landschaft in die voralpenländische Ebene übergeht. Schnell wäre man in allen Himmelsrichtungen einfach mal "Raus".
    Die geographische Wand ist leider desöfteren auch im Kopf vorhanden.

    Sicher, die Landschaft ist ein Juwel, keine Frag.
    Aber das Tirol ist auch
    – Poltikskandale ohne Ende **
    – gefühlter politischer Stillstand seit Jahren
    – hoheLebenshaltungskosten
    – Luftverschmutzung
    – Agrarunrecht
    – Freunderlwirtschaft **
    – Umweltverschmutzung, unzureichender Nahverkehr …

    Und dennoch stellen manche das Land als DAS LAND schlechthin hin, der Himmel auf Erden.
    Nein, man muss realistisch bleiben.
    Aber der Übergang von Stolz auf seine Heimat (die ja jedem gleich zusteht, ob dem Tiroler, dem Lombarden, dem Salzburger, dem Prager oder dem Kölner) zu dumpfem Patriotismus oder gar Ausländerfeindlichkeit (was ja auch das Übertrumpfen der eigenen Herkunft gegenüber anderer) ist bekanntlich fliessend.

    In Erinnerung bleibt mir die wirklich lachhafte Diskussion in Berlin, wo die Einheimischen (bzw auch die die sich dafür halten, nämlich die Zugezogenen selbst, die garkeine geborene Berliner sind) sich in den "Szenebezirken" über zugezogene Schwaben echauffierten. Da wurde zum Beispiel dann die wöchentliche Kehrwoche bemängelt!  !*
    Sogar in derStadt- Poltik wurde sommerlochmäßig darüber diskutiert.

    *die man scheinbar den Hipstern nicht zumuten kann, vor lauter Soja-Latte-Trinken und Jutebeutel tragen.

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