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Bildung für Weitsichtige

Wo ist die gute Schule?Nachdem es auf meinen Artikel zum Thema „Gesamtschule“ einige Reaktionen gab, vor allem von besorgten Eltern, die für ihre Kinder – verständlicherweise – eine gute Bildung wollen, ein paar Ergänzungen.

 

Wenn Vertreter der AHS-Gewerkschaft behaupten, es handle sich bei der Gesamtschule um ein realitätsfernes Konzept, so haben sie sich nicht informiert. Das widerspricht ihrem eigenen Anspruch auf Allgemeinbildung. Oder sie verleugnen Tatsachen, um ihre Privilegien zu verteidigen. Was ich nicht hoffe.

 

Wenn nämlich die Gesamtschule tatsächlich ein „sozialromantisches Modell“ wäre, dann muss man sich darüber wundern, dass ausgerechnet die OECD für eine Gesamtschule eintritt. Die OECD ist kein Verein von Träumern, sondern eine Organisation der wichtigsten Industrieländer mit dem Ziel, „zu einer optimalen Wirtschaftsentwicklung, hoher Beschäftigung und einem steigenden Lebensstandard in ihren Mitgliedstaaten beizutragen“.

 

Während man sich aber normalerweise gerne mit (guten) Ergebnissen der OECD schmückt, wird bei PISA plötzlich alles anders. PISA wird im Auftrag der OECD erstellt und die Ergebnisse waren leider schlecht. Außerdem empfahl man strukturelle Änderungen im österreichischen Schulsystem durchzuführen und plädierte für die – Gesamtschule! Wie übrigens auch die österreichische „Industriellenvereinigung“.

 

Überall Phantasten, nur die AHS-Gewerkschaftsfunktionäre wissen es besser? Jene, die im Ö1-Magazin vom 3. September 2012 gerade einmal darüber diskutieren wollen, ob eine Fortbildung für AHS-LehrerInnen verpflichtend sein soll? In Zeiten des „lebenslangen Lernens“?

 

Das glaubt nicht einmal mehr eine ÖVP-Expertengruppe, die Vizekanzler Spindelegger eingesetzt hat. Sie ist laut Presse (auch keine sozialromantische Stimme im Chor der Tageszeitungen) ebenfalls für die Gesamtschule und gegen eine „Verländerung“ des Schulsystems. Bekanntlich leistet sich das kleine Österreich zum Beispiel neun Landesschulräte und neun unterschiedliche Gehaltssysteme für PflichtschullehrerInnen. Aber das ist eine weitere der zahlreichen Baustellen im Bildungschaos, über die aus Gründen der Klarheit heute nicht berichtet werden soll.

 

PS: Wenn AHS-Funktionäre übrigens den Befürwortern der Gesamtschule „sozialromantische Erwartungen“ vorwerfen, dann haben sie auf Wilhelm von Humboldt vergessen, den sie sonst gerne ins Treffen führen. Der schrieb 1809 an seinen obersten Vorgesetzten, den König:

 

„Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen.“ (Hervorhebung vom Autor)

 

Erich Ledersberger

3 Comments

  1. Ich lehne die Möglichkeit der Gesamtschule für die 6- bis 14-Jährigen nicht von vornherein ab, obwohl ich selbst an einer AHS unterrichte. Allerdings ist schon auffällig, dass nur sehr wenige der Befürworter auch konkrete Konzepte vorlegen. Es ist nämlich eine Illusion zu glauben, dass sich, nur weil alle Schülerinnen und Schüler in die gleiche Schule gehen, automatisch Verbesserungen ergeben. Wäre das eine Verlängerung der Volksschule, wie sieht es mit der inneren Differenzierung aus, welche Schüler(innen)zahl pro Klassen sind vorgesehen, welcher Abschluss (Mittlere Reife?) – wir müssen konkreter diskutieren, nicht nur rumreden.

    • Dem stimme ich zu. Eine schlichte Umbenennung der Unterstufe in "Gesamtschule" ist so sinnvoll wie die Umbenennung der Hauptschule in "Neue Mittelschule". (Ergänzt um ein paar "Zuckerln".)

      Gesamtschule ohne "innere Differenzierung" halte ich ebenfalls für Unsinn – das Problem ist allerdings, dass Teile der Gewerkschaft nicht einmal darüber diskutieren wollen, weil sie Gesamtschule AUS PRINZIP ablehnen. Und seit Jahrzehnten als "sozialistisches Modell", als "Nivellierung nach unten" etc. diffamieren.

      Konzepte zur Differenzierung gibt es zur Genüge, leider sind wir in der öffentlichen Diskussion nicht einmal so weit gekommen, dass diese thematisiert werden. 

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