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Weihnachten tritt zurück – ein Vorblick

Alles Jahre wieder … nein, kommt nicht das Christuskind, kommt die Weihnachtsdepression – einmal meteorologisch heuer sogar ganz pünktlich – und die psychologische folgt ihr auf den Fuß oder geht ihr sogar voran, wie man’s nimmt.
Jedenfalls leiden an diesen Tagen viele Menschen an Einsamkeit, an Zweisamkeit, Dreisamkeit … Es wird gelitten und gestritten, getrunken und manchmal auch von Weihnachtsfürzen fürchterlich gestunken. Mit einem Wort: ein ziemliches Desaster!
Und das alles wegen einem Kind, das vor annähernd 2.012 Jahren in Bethlehem geboren worden sein soll. Und dem man alles Gutsein der Welt hinaufgepresst hat, auf dass die Welt schöner, frommer und klüger werde. Oder wie auch immer. Genug jedenfalls der theologischen Spitzfindigkeiten, die da schon jahrhundertelang allerorten und in verschiedensten Kreisen angestellt worden sind, und etwa in der Frage gipfelten, wie viele Engel wohl auf einer Nadelspitze Platz haben mögen.
Und – vielleicht für uns heute noch eher nachvollziehbar – hatte Jesus nun eine menschliche und eine göttliche Natur in seinem Körper, und wenn ja, wie vertrugen diese sich miteinander. Womit wir wieder beim Streit wären. Worüber streiten sich zu Weihnachten die Menschen, die Paare, die Eltern, die Kinder? Und mit wem streitet sich der Einzelne? Eben doch mit seinem zweiten Selbst, seiner zweiten Natur in sich? Soll er jetzt seinen Christbaum um 19 Uhr zum Stille Nacht, heilige Nacht auf Ö1 anzünden, oder doch erst später, bei Stermann und Grissemann auf FM4?
Ich behaupte jetzt mal, es ist schön, auch an diesem Tag allein zu sein, durch fast menschenleere Straßen zu gehen, in fast menschenleeren Zügen zu fahren, und über die Menschen, die man trotzdem sieht, nachzudenken, was sie an diesem Tag bewegt.
Meinen alljährlichen meistens am Ende des 24. Dezembers gefassten Vorsatz, nächstes Jahr etwa nach Sevilla zu fliegen und dort auf der Plaza Virgen de los Reyes zu Füßen der berühmten Kathedrale La Giralda zu sitzen und eine Flasche Rioja zu trinken. Ganz allein, so allein wie man dort nur allein sein kann, umgeben wahrscheinlich von wahnsinnig vielen Menschen. Oder am nicht weniger berühmten Cabo da Roca eine Flasche Portwein.
Schaffe es dann aber doch nie, und bleibe hier, in Angst vor vereisten Flugpisten vielleicht, die ein aviatisches Weiterkommen von hier nach dort verunmöglichen, die Zugreise wiederum zu lange erscheinen lassen usw. und so fort. Und so bleibt es bei diversen Freundesbesuchen und Weintrinken hier im – heuer temperaturmäßig ja eh schon fast spanischen anmutenden Tirol.
Dafür ging ich heuer wieder mal nach ewig langer Zeit in den Dachboden meines Elternhauses, in dem ich als Kind viel Zeit für Entdeckungen verbracht hatte, und fand dort zwar nicht das Christkind, dafür aber einen alten Ofen, den mein Vater in meiner frühesten Kindheit mit ein paar Kollegen mühsam dort hinaufgetragen hatte, und der seit dieser Zeit dort steht, sämtliche Dachbodenentrümpelungen überstanden habend, allein, weil er wohl all den Dachboden entrümpelnden Menschen zu schwer gewesen war. So steht er dort als ein Mahnmal meiner Familiengeschichte.
Daher mein Tipp: Gehen Sie diese Tage vielleicht mal in ihren Dachboden und stöbern Sie dort ein bisschen herum und entdecken dabei vielleicht noch das eine oder andere ihrer Familiengeschichte, von dem sie kaum mehr glauben konnten, dass es noch existiert. Und werfen Sie es nicht weg, damit Sie es vielleicht auch in ein paar Jahren wieder dort entdecken können und dafür einen Blick durch die Dachlucke ihres Hauses, über die Dächerlandschaft der Stadt oder in den blauen Himmel hinein. Der ohne uns genau so weiterblaut und graut und über ihm die Sterne fröhlich blinken lässt, wohl noch lange, lange Zeit hinaus, nachdem wir alle unser Erdendasein zu Ende gebracht haben. In diesem Sinne ein frohes Fest!

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. Na ja, Sevilla ist mir nicht weit genug weg, ausserdem geht es mir gleich, nur dass ich nicht erst am 24.Dezember darüber nachdenke, es passiert schon ab dem 25.Dezember das ganze Jahr über und dann bleib ich doch daheim. Schande. Und ja es stimmt,  es ist in wundersamer besinnlicher Tag, der nichts mit dem Christkind, sondern nur mit der anerzogenen Stimmung zu tun hat. Und wenn man ihn allein verbringen würde, glaub ich auch, daß es ein heilendes Erlebnis wäre. Gern hätte ich noch einen lustigen Kommentar abgegeben, aber der Schreck von gestern steckt mir noch in allen Knochen. Auf ein baldiges Weihnachtsfest 2013, vielleicht sehen wir uns irgendwo am Ende der Welt..

  2. wie so oft geht es auch bei Weihnachten um enttäuschte Erwartungen. Für mich wars ein Abend wie andere auch, Gefühle und Geschenke sind okay, aber sie halten sich an keinen Kalender. Wie auch immer: eine sehr schöne Geschichte!

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