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Music and the city (Vol. XII)

Am 17. Und 18. Juni kommt in Innsbruck endlich das an, was man ohne Übertreibung als eine der wichtigsten musikalischen Avantgarde-Strömungen bezeichnen könnte: Drone in all seinen Spielarten. Das „Heart Of Noise“-Festival wird an diesem Wochenende staunende Gesichter und musikalisch Erleuchtete zurücklassen.
 
Dröhnen…
 
Wenn der Begriff„Drone“ fällt, so legt es sowohl der Klang des Wortes als auch dessen deutsche Bedeutung nahe, dass man es hier mit Musik zu tun hat, die eigentlich im konventionellen Sinne keine Musik mehr ist. Kommt man mit Begriffen wie „Anti-Musik“, die mit „amusikalischen“ Geräuschen und Sounds, operiert weiter? Mitnichten. Denn Drone und seine Spielarten, die bis hin zu elektronischen Sounds reichen, die auch in enger Verbindung mit dem stehen, was man einst Ambient nannte, sind nicht dazu angetreten, die Musik, die die/der durchschnittliche HörerIn gut findet zu Grabe zu tragen, zu hinterfragen, für immer dem Untergang preis zu geben.
 
Ein Gespenst geht um…
 
Keine Angst vor dem Gespenst Drone also, denn mit dieser Musikrichtung verhält es sich gänzlich anders wie befürchtet. Hier regiert nicht die absolute Neuheit, sondern die Neuerung, die Überschreibung, die Erweiterung, die Transzendierung der bisher gültigen Songstrukturen. Doch dies geschieht, auch wenn die Lautstärke dieser Musik zum Teil anderes nahelegt, behutsam, langsam, fast schon zärtlich. Im Auge des Orkans, im Inneren der dröhnenden, brummenden und geräuschhaften Riffs, herrscht Ruhe, die man als meditativ beschreiben muss. Wie sollte eine solch friedfertige Musik eine gewaltsame Revolution der Musik vorantreiben? Drone hat seine Wurzeln, vor allem im Falle von Bands wie Sunn o))),den frühen Boris oder auch Earth, im erweiterten Metal-Kontext. In diesem Punkt lässt sich diese Musik verstehen, von hier ausgehend lässt sie sich erschließen. Die Riffs im Metal werden als Material benutzt, die strengen Abgrenzungen der Akkorde verschwinden, die Töne gehen ineinander über, ein Raum der Indifferenz und des „Dröhnens“ entsteht, den man als Zwischenraum verstehen kann, als immerwährendes Jetzt, als ein Auskosten der einzelnen Töne, bis hin zum Exzess, der eigentlich Anleitung zum Innehalten und zur Ruhe ist. Keine Insel der Seligen, sondern ein Raum für Abenteurer.
 
Endlose Ruhe…
 
Hat man es sich einmal in dieser Ruhe eingerichtet, so wird man aber auch schon wieder vertrieben, vom nächsten Akkord, von der Flüssigkeit des Genres Drone. Drone ist kein Genre, es gibt keine festen Mauern. Drone ist das Rauschen des Außen, die Musik, die außerhalb der kulturellen Entschlüsselungs- und Interpretationsmethoden liegt. An Drone beißt man sich die Zähne aus, ganz einfach, weil es nichts zu verstehen gibt, sondern nur viel zu fühlen und viel, um sich darauf vollständig einzulassen. Es gibt hier weder Semantik noch Semiotik der Klänge, es gibt keine Wirkungsästhetik mehr, keine Berührt-Sein, kein Zentrum, keinen Sinn, keinen Song. Es gibt nur noch den puren Klang, den puren Augenblick, die augenblickliche Überschreitung dessen, was man ansonsten im Radio hört. Drone ist daher auch die Musik, die am ehesten das ist, was man als widerständigen, gegenläufigen Zeitgeist interpretieren könnte: allein schon deshalb, weil hier alles kulminiert, was im Mainstream keinen Platz findet: immense Laustärke, Unschärfe, Melodielosigkeit und der Hang zur Indifferenz. Diese Musik will sich nicht entscheiden, sie will viel lieber im Augenblick erst entstehen und beim Hören immer wieder neu entstehen. Wer die Musik in ihrem Ablauf sieht und betrachtet, hat bereits den Fehler gemacht, Drone und dessen Spielarten verstehen zu wollen. Werft eure Vernunft und euer kulturelles Vorwissen über Bord und hört zu, hört wirklich, lernt wieder hören.
 
Das Ende des Verstehens…
 
Wenn es also nichts mehr zu verstehen gibt, dann sind wir allesamt verloren, verloren in den Klanggeweben, den Klangteppichen, den Soundschichten, der Laustärke, dem Augenblick. Sind wir dann nicht mehr nur Spielball von MusikerInnen, die uns beliebig manipulieren können, die nur auf bloßen Effekt durch körperliches Involviert-Sein abzielen? Mitnichten: wir sind ein anderes Subjekt geworden, wir sind aufgehoben in dem Kokon, der Drone heißt. Es gibt keinen Kampf mehr zwischen uns und der Musik und den Produzenten der Musik. Die MusikerInnen, die diese Musik machen, sind genauso verloren, wie es wir sind. Doch es ist kein Verlust, sondern die Dämmerung eines neuen Verhältnisses zwischen HörerIn und MusikerIn.
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Wer sich auf dieses Abenteuer einlassen und der Dämmerung einer neuen Zeit beiwohnen möchte, der pilgere doch am 17. Und 18. Juni in die P.M.K. und lasse es zu, eine kleine Erleuchtung zu verspüren, eine sanfte Erschütterung der bisherigen Hörgewohnheiten.

Karten gibt es im P.M.K.-Büro, seid schnell: die Karten sind limitiert.
 
Zum Programm:
 
 
 
 


Markus Stegmayr

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