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Music and the city (Vol. 41): HI5

Es ist ein überaus interessantes Phänomen, das man vor allem in unserem „Provinnsbruck“ sehr gut beobachten kann: Die Tendenz sich (nicht nur) in Sachen musikalischem Geschmack „einzuigeln“, man könnte wohl auch das Phänomen „cocooning“ auf das weit verbreitete und verhärtete Szenedenken in Innsbruck transferieren.

 

Einfach formuliert ist es ja so, dass an einem Ort immer noch der „Punk-Spirit“ hochgehalten wird und alles, was mit Virtuosität zu tun haben könnte, unter Generelverdacht des Muckertums und der sinnlosen und überhöhten Selbstdarstellung gestellt wird. Wiederum wo anders tanzt man zu schmissigen, aber manchmal doch auch etwas gleichförmigen Indie-Acts, die sich zum Teil immer noch aus der längt abgeflauten Britpop-Welle speisen. Und ganz anderswo, quasi abseits und in einem akademischem Elfenbeintrum, hält sich in Innsbruck die Jazz-Szene auf, die zu einem sehr großen Teil dem Umfeld des Konservatoriums entstammt. Und die Avant-Jazz-Szene (sofern überhaupt vorhanden) gleicht seit Jahren eigentlich mehr einem konspirativen Freundeskreis als einer Szene im herkömmlichen Sinne.

Man könnte schlichtweg behaupten, dass die Zulässigkeiten zwischen den Szenen und Genres in den letzten Jahren nicht unbedingt besser geworden ist, im Gegenteil. Die Szenen schließen sich ein, definieren sich über ihre eigenen ästhetischen Vorstellungen, die absolut gesetzt und im Konsens der Teilnehmende immer wieder akzeptiert, wiederholt und gefestigt werden.

 

Ein Gespenst geht um…

 

Und dann taucht ein überaus interessantes Phänomen auf, die junge (fantatische) Band „HI5„, die diese Verhärtungen mal so nebenbei hinfällig macht und sich spielersich mit diesen anlegt. Im Moment wirkt es so, als könnten sich viele auf diese Band einigen, und es werden wohl noch mehr werden – völlig zu Recht. Ob sich der interessierte „Post-Rock“ Hörer vom Drive und von der Energie der  Band anstecken lässt, und ganz nebenei auch deren unbedingten Experimentierwillen eindrucksvoll findet, oder ob sich Kons-Absolvent von der rhythmischen und harmonischen Komplexität einnehmen lässt: So einfach kann man hier die “ Szene“ nicht wahrnehmen, in denen diese Ausnahmeband gehören sollte.Sie ist überall und nirgends, in den besten musikalischen Moment auch überall zugleich.

 

 Abseits der „Jazz-Öffentlichkeit“…

 

Es ist jedenfalls bemerkenswert und begrüßenswert, dass eine Act, in der das Vibraphon eine so gewichtige Rolle spielt, abseits einer interessierten Jazz-Öffentlichkeit wahrgenommen und rezipiert wird. Durch ihre Fähgikeit Melodien zu schreiben und tanzbare, insisitierende Grooves zu erschaffen, darf man sogar versuchen zur Musik der Band zu tanzen. Obwohl die Rhythmen ausgeklügelt sind, sind sie doch immer auch so „hörerInnenfreundlich“, dass niemand über die eigenen Füße stolpern wird, der sich dazu zu bewegen versucht. Die Band nimmt auf ihre potentiellen HörerInnen Rücksicht, ohne ihren eigenen künstlerischen Anspruch aus den Augen zu verlieren.

 

Verwirrte Einfachheit…

 

Der Titel ihrer überragenden Platte „‚TANGLED SIMPLICITY‘ sagt im Grunde schon alles über ihren Zugang zur Kunst und zuer Welt aus: „verwirrte Einfachheit“! Wie könnte man diese Musik besser auf den Punkt bringen! Man kann sich bei ihrem Live-Konzert in Innsbruck demnächst verwirren lassen, nur um dann zu bemerken, dass im Augen des Orkans, in der Verwirrung, eine wunderbare, unmittelbare und echte Nahbarkeit in der Musik steckt, eine Unmittelbarkeit, die man eher der Rockmusik zuschreiben würde, als einer Jazz-Kombo, die gerade den Joe-Zawinul-Preis für sich eingeheimst hat. Ist das nun Jazz, der mit den mitteln des Rock neu zusammengesetzt wird und den Jazz vor seiner manchmal etwas überintellektualisierten Kopflastigkeit mit Hilfe von Direktheit und Mittelbarkeit rettet? Man wird auch nach dem Hören und nach dem Besuch eines Konzertes keine Antwort auf diese Frage haben, sondern bemerken, dass sich diese Frage eigentlich gar nicht stellt, denn HI5 funktioniert, das Konzept geht auf, ist trotz der Drehungen und Wendungen in der Musik immer nachvollziehbar ohne die HörerInnen zu unterfordern.

 

 Jenseits des Einheitsbreis…

 

Es ist jedenfalls eine fantastische Herausforderung dieser Musik zu folgen, und eine absolut lohnende nach dazu. Tut euch ein paar Augenblicke einen Gefallen und denkt nicht mehr darüber nach, welche Szene nun die eure ist, ob ihr zu Bernadette La Hengst gehen sollt oder doch lieber zu dem nächsten Postrock-Konzert. Denn dann nehmt ihr auch die vielen Möglichkeiten „dazwischen“ wahr, im Sowohl-Als-Auch, das kein Entweder-Oder mehr kennt. Wer sich löst von den Szenen, öffnet sich für Musik, die bereits losgelöst ist und solche Einschränkungen nicht mehr akzeptiert. Das ist das Moment der Radikalität bei „HI5“. Aber man kann sich sicher, dass Radikalität noch selten so zugänglich und einladend geklungen hat, bei gleichzeitigem Erhalt der ganzen Implikationen, die mit den Versuchen sich etwas Neues, Unerhörtes zu erarbeiten, einhergehen. Man bemerkt die Anstrengung, die Mühe und die Energie, die die Junges in diese Musik gesteckt haben. Und dass sie dabei so leichtfüßig daherkommt ist der Grund, warum man noch sehr viel von ihnen hören wird, warum sie so weit aus dem üblichen Einheitsbrei herausstechen.

 

Keine Angst vor dem bösen „J-Wort“…

 

Wer bereits jetzt ihren folgenden kometenhaften Aufstieg begleiten möchte, dem sei ein Konzertbesuch demnächst dringend angeraten. Es lohnt mehr als nur! Garantiert erwaret euch „Minimal Chamber Jazz“, wie die Selbstbeschreibung der Band ihrer Musik lautet. Doch keine Angst vor dem bösen „J-Wort“. Es beißt nicht und klingt auch viel schöner, weniger akademisch und weniger kopflastig wie es ihm zum Teil nachgesagt wird. Es braucht junge, kreative Bands wie „HI5“ um das unter Beweis zu stellen. Man könnte sich keine bessere Band vorstellen, keine mit mehr Energie und Engagement, um das zu tun.

 

Hier noch einige Infos und auch der Link, zu ihrem herausragenden Track und Videoclip:

http://www.hi5music.at/

 

http://www.youtube.com/watch?v=xna4YZ6yUyU

 

http://www.facebook.com/mauszfabrick#!/events/540714072628101/

Markus Stegmayr

7 Comments

  1. Ich gebe dem Autor insofern recht, dass musikalische Vielfalt immer einen Gewinn darstellt. Wer sich auf neue Hörerlebnisse einlässt und einfach die Ohren aufsperrt, wird viele positive Überraschungen erleben. Andererseits ist Musik für viele eben reine Unterhaltung, eine "gute Zeit zu haben" und das Gruppenerlebnis spielen dabei eine entscheidende Rolle. Es hat alles seine Zeit und jede Musik hat das Publikum, das sie letzlich verdient.

    •  Das mit dem Glauben, dass die Musik der ‚Anderen‘ nur Unterhaltung ist, weil es Leute gibt, ‚die so etwas verdient haben‘ ist wohl ein Altbürgerklischee aus der deutschen Romantik, das man langsam ruhig endlich mal aufgeben probieren könnte. Ich für meinen Teil hör mir die liebevoll ausgesuchten Videos/Tracks vom Herrn Stegmayr  auf Facebook nur deshalb immer gerne an, weil ich Avant-Hardcore jazz extrem unterhaltsam finde, wenn nicht sogar hochspannend, warum auch sonst? 

       

      • @Meister: Wenn das durchklingt, dann war es zumindest nicht intendiert. Ich finde z.B. "Avant-Jazz" sogar sehr witzig und unterhaltsam finde. Nur: diese Meinung teilt was niemand mit mir. Vielleicht liegt meine implizite Haltung also auch daran, dass ich immer wieder hörer, wie sperrig diese Musik ist, wie wenig unterhaltsam usw.

        Aber, es ist einfach: Um solche Musik "unterhaltsam" zu finden, braucht man wohl ein gewisses "Grundverständnis" bzw. sollte sich halt ein wenig eingehört haben – und das kann anfangs schon ein wenig Arbeit sein, die wenig unterhaltsam ist.

        •  ich hab eh nicht dich gemeint, sondern den Kopfhörer, weil so einfach darf mans sich nicht machen…  

          😉

           

          • Na gut, dann passt es ja.

            Ich dachte schon mein Text hat einen Subtext, den ich gar nicht mit gemeint hatte 🙂

            Und: Ich freue mich natürlich, wenn du hin und wieder in "meine" Musik reinhörst und Gefallen daran findest.

  2. Du könntest es dir leichter machen, Meisterchen, und genau lesen: Ich schreibe von der Musik, die (sich) ihr Publikum verdient … wobei auch der Umkehrschluss stimmt. Musik ist eben beides: Stimulus und  Rezeptionsgewinn. No need for masters, give us desasters!

    •  ich weiss schon genau, was ich geschrieben und gelesen habe 😉  Ps, wer auch immer du bist, so gross, dass du mich meisterchen nennen darfst bist du nicht…

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