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Music and the city Vol. 29 (Teil 2)

Der Vocal-Jazz-Stern Gretchen Parlato gastierte vergangenen Samstag im Treibhaus und wurde euphorisch empfangen – trotz evidenter Schwächen in Sachen Dramaturgie und musikalischer Stringenz

 

Vorausgeschickt muss festgehalten werden: wer sich an den Gassenhauer „Holding back the years“ von Simply Red herantraut und dabei eine Version erschafft, die man immer wieder gerne hört, der kenn kein schlechter Mensch sein oder gar ein schlechter Musiker. Gretchen Parlato vollbringt dieses Kunststück, zusammen mit Robert Glasper, der sich, wie Parlato selbst, immer wieder in der Grauzone zwischen Neo-Soul, Jazz und Pop aufhält. Dieses Lied sollte auch am Abend im Treibhaus einer der absoluten Höhepunkt sein, da dort eines offenbar wird: der zeitgenössischen Jazz wuchert in alle Richtungen und erlaubt es sich  auch immer mehr, mit dem Pop-Mainstream zu liebäugeln, ohne jedoch zu verwässern. Er hat eine Form von Respekt für eingänige Musik entwickelt, es dabei aber dennoch geschafft, komplex, anspruchsvoll und visionär zu bleiben. Gretchen Parlato ist mit ihrer letzten Platte „The Lost And Found“ im Ganzen ein solches Glanzstück gelungen: hier stehen Interpretationen von Evans neben eben besagtem Stück, ohne sich abzustoßen oder zu widersprechen, sondern in symbiotischer Einigkeit.

 

Das Problem, das am Konzertabend leider evident wurde ist ein anderes. Die Musik von Parlato klingt trotz aller erdenklicher spielerischen Feinheiten zum Teil ein wenig glatt, man könnte auch sagen poppig. Die Band schien sich daher beweisen zu wollen, dass sie sehr wohl ein großartige Jazz Band ist, die sich auf in Solo-Gefielden wacker schlagen kann. Das ist zweifellos richtig, wenn man sich nur kurz einmal Tayoler Eigsti anhört, der sich mit den Großen wie Vijay Iyer sicherlich messen kann. Und doch nervte nach einer gewissen Zeit die Zerissenheit, die Inhomogenität des Abends: Eigsti oszillierte zwischen anspruchsvoller Klavierarbeit und sanften Synthie-Klängen, die man direkt aus dem Neo-Soul impotiert zu haben schien. Im Gegensatz zum Klavier, das er großteils zeitgleich und virtuos bediente (in etwa: Akkordarbeit und Melodik), auf dem er sich sehr wohl zu fühlen schien , war auf der Ebene der Soundspielereien wenig Innovation und wenig Variation zu vernehmen. Der besagte „Neo-Soul-Smooth-Sound“ dominierte und wollte nicht so Recht in sybiotische Beziehung zum Klang des Klaviers treten. Ob es ein bewusster Bruch ist oder nicht, sei dabei dahingestellt. Deutlich ist aber, dass diese Verbindung zwischen Jazz und Neo-Soul noch nicht so ausgereift ist, wie es die Platte „The Lost And Found“ glauben machen will.

 

Auch Gretchen Parlato schien zu Beginn des Konzertes leichte Schwierigkeiten zu haben, ihre herrliche Stimme über die perfekt und präzise spielende Band zu erheben. So ging sie bei den ersten beiden Tracks mehr als nur einmal im Sound unter. Auch hier war eine Entscheidung, die man vielleicht ästhetisch treffen sollte, eben nicht getroffen. Die Frage die sich stellt war, ob nun die Band im Vordergrund stand oder dier Stimme von Parlato. Da die Entscheidung vertagt wurde hatte man sich für ein sowohl als auch entschieden, was dem Abend nicht unbedingt gut tat. Die etwas langatmigen Solo-Performances  von Bass und Schlagzeug waren natürlich auf einem Jazz-Abend gut aufgehoben. Die Frage war nur, ob man es mit einem solchen zu tun hatte, da man auf dem letzten Album nämlich genau diese Differenz zwischen Musikrichtungen aufgehoben hörte und ein neuartiges klangliches Konglomerat an Einflüssen hören durfte. An diesem Abend waren die Brüche zu evident, die Unstimmigkeiten nur allzu deutlich.

 

Dennoch verzauberte die Stimme von Parlato, die mit der Zeit auch mehr in den Vordergrund rückte. „Butterfly“ kann dabei als besonderes Glanzstück bezeichnet werden.  Der unbedingte Wille zur rhythmischen Extravaganz verband sich immer wieder mit der Fähigkeit, eingängige selbst komponierte Song zu performen oder altbekanntes auf überraschende Weise neu zu interpretieren. Was blieb war ein zwar nicht ganz stimmiger Abend, worüber aber magische Einzelmomente zum Teil hinwegtrösten konnten.

 


Markus Stegmayr

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