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Music and the city (Vol. 19)

Wenn Vijay Iyer in der Musikgeschichte herumkramt, dann bleibt kein (musikalischer) Stein auf dem anderen.

 

Man hat Viyay Iyer schon vieles genannt, auch und vor allem aber eines: ein Genie, das sich mit den größten der Musikgeschichte messen kann, so z.B. auch mit Mozart. So sehr der Ton dieser Aussage problematisch sein mag und musikalisch auch unrichtig ist, so sehr ist man geneigt diesem Vergleich zuzustimmen, die ganze Postmoderne über Bord zu werfen, den Tod des Autors aufzuheben und die Intention des Künstler wieder in den Vordergrund zu rücken, sich Hals über Kopf in einen modernen Diskurs zu werfen und laut zu rufen: IYER IST EIN GENIE! Endlich mal jemand, der nicht nur zitiert, sondern auch schöpferisch hervorbringt, neu schöpft.

 

Auf seinem Album "Historicity" scheint er diesen Begriff erstmals aber aufzulösen, da er sich explizit in die Musikgeschichte stellt, einige Songs interpretiert, die gar nicht seine sind. Es wird klar, dass dieser Musiker auf den Schultern von Giganten steht und auf diesen Schultern auch sein Handwerk gelernt hat. Iyer ist niemand, der aus dem Nichts alles erschafft, der von sich behaupten würde, über die Musikgeschichte hinauszustechen. Der Autodidakt am Klavier, der ganz nebenbei einen PHD in Mathematik hat, ist in seiner Einordnung in einen Traditionsstrom erstmals bescheiden, zurückhaltend, er schaut sich das Material genau an, nähert sich ihm an, lässt es erstmals sprechen, er tritt heran wie an einen Fürsten. Er schweigt erstmals und wartet, bis dieser zu ihm spricht.

 

Dann aber, wenn er sich dieses Material angeignet hat, dann gibt es kein Halten mehr, keine Grenzen, keine Differenzierung zwischen E- und U. So nimmt er sich in seinen Stücken ebenso Stücken von Andrew Hill an wie er sich Stücken  von M.I.A. nähert. Oftmals bleiben dann auch nur Fetzen, einige Motive der Stücke übrig, denen Iyer jedoch dennoch nie respektlos seinen Stempel aufdrückt. Vielmehr schält er Elemente aus den Songs heraus, die die Urheber dieser Songs so vielleicht selbst niemals in den Mittelpunkt stellt haben. Es scheint als ob er die Tracks besser verstünde, als die Urheber selbst. Er umspielt die Motive, verwandelt sie, benützt sie oftmals auch als Plattform um seine Improvisationen anzuheben. Er bearbeitet sie, verändert sie, transformiert sie, solange, bis sie nicht mehr sie selbst sind, sondern sich wandeln, immer wieder aufs Neue.

 

Iyer, der Sohn indischer Einwanderer ist, hat seine Musik mehrmals als hybrid bezeichnet. Es ist Musik in einem Zwischenraum, in einem, der weder westlich noch östlich ist, sondern ein Raum, der unendlich viel komplexer ist. Iyer experimentiert zum Teil auch mit indischer Folklore, doch führt er den Anspruch auf Authentizität ad absurdum, wenn er "westliche" Musik auf diese treffen lässt. Doch auch diese "westliche" Musik ist nicht "echt", sondern nur ein System, eine Möglichkeit das Spielens, der Kombination der Elemente, der Klänge, der Motive. Jazz ist dabei für Iyer nur ein komplexes System, das sich immer wieder mit neuen Einflüssen verändern lässt, ohne dass es aufhört das System Jazz zu sein. Iyer macht Jazz, doch interessiert er sich ebenso  sehr für Michael Jackson wie für Free Jazz, ebenso sehr für Schönberg wie für indische Musik. Das "Genie" von Iyer ist also, dass er die Hybridität, das Nomadentum seiner Herkunt auf die Form der Musik transferiert: seine Musik ist suchend, immer wieder findend, doch sie lässt sich niemals nieder, findet niemals Heimat, sondern immer nur vorübergehende Behausungen. Hier ist nichts "echt", hier ist alles im Prozess, im Fluss.

 

Iyer spielt am Mittwoch, den 26.10. im Treibhaus in Innsbruck. Man sollte sich diesen Abend nicht entgehen lassen. Er wird an diesem Abend seine großartige Band mitbringen (Iyer Trio)

Hier kann man sich von seinen Fertigkeiten und von seinem Genie überzeugen lassen:

 

http://www.vijay-iyer.com/

http://www.youtube.com/watch?v=m5C7JnVaMPg

http://www.youtube.com/watch?v=pOBhrnOzwXw

http://www.youtube.com/watch?v=Dq05meOnbgc

http://www.youtube.com/watch?v=JPAM2CAkW_U&feature=related


Markus Stegmayr

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