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Zhanna Kadyrova im Kunstraum Innsbruck

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Über die Ukraine haben wir in den letzten Monaten immer wieder in den Medien erfahren, Über die politische Lage. Über die Spannungen mit der russischen Minderheit. Die ganze Situation dort scheint ja schon seit längerem laus dem Ruder gelaufen zu sein.

Umso wohltuender ist da mal eine Ausstellung, in der wir über die Kunst in diesem Land etwas erfahren können.

Die Ukrainische Künstlerin Zhanna Kadyrova , ausgebildet in der Taras Schewtschenko Kunstschule in Kiew, ist eine der vielen auch im Westen bekannten Künstler/innen, die die Lage ihres Landes in ihre Kunst einfließen lassen.

Die Arbeiten der Künstlerin setzen sich mit der jüngeren Geschichte der Ukrainer auseinander. Ein Land das wir alle, seien wir ehrlich, doch immer für einen Teil Russlands gehalten haben, anders etwa als die baltischen Staaten oder vielleicht auch die ehemaligen asiatischen Sowjetrepubliken wie etwa Georgien oder Turkmenistan. Nicht zuletzt, weil die Sprachen der beiden Länder doch sehr ähnlich sind. Dass hier nun seit einigen Jahren eine Art Bürgerkrieg tobt, mit dem mehrheitlich russisch bevölkerten Ostteil, können wir daher nur sehr schwer nachvollziehen, ebeso schwer  die wirtschaftlichen Strukturen der Ukraine mit ihrer undurchschaubaren Herrschaft der Oligarchen.

Zhanna Kadyrova legt nun mit ihrer Kunst den Finger auf eben diese Wunden. Indem sie etwa in der Arbeit Second Hand einer ehemaligen, im Zuge der Neustrukturierung der ukrainischen Wirtschaft geschlossenen Kleiderfabrik in Erinnerung ruft, für die es keine Nachnutzung gibt. Diese Fabrik war früher eine Art Lebensmittelpunkt für die dort Arbeitenden. Es gab nicht nur Arbeit, es gab auch Gelegenheit für kulturelle Betätigung und Gemeinschaftsaktivitäten. Bezeichnenderweise hat die Künstlerin nun die aus den leeren Fabrikhallen herausgelösten Fließen in eine Kleiderform angeordnet und auf Kleiderbügeln gehängt.

Auf Glasplatten aufgeklebte collagenartige Zeitungsausschnitte, die im Galerieraum von den Wänden hängen, sollen auf die fragwürdige Wertung von politischen Personen in den Massenmedien hinterfragen, da die Bilder der Dargestellten nach ihrer Größe und nach demographischen Schwerpunkten angeordnet sind. Wie wird die Masse in den Medien dargestellt? Und was ist wichtig in den Medien und wie wird es bewertet? Die Installation Crowd Year versucht eben diese Fragestellung, man könnte natürlich kritisch anmerken, dass dieses Phänomen ja mittlerweile in allen Ländern sehr gleich aussieht, und durch die neuen Medien wie Facebook und Twitter  noch eine rasante weitere Drehung erfahren hat: zurück zum Privaten, das so zum Öffentlichen wird. Nur, was ist das noch für eine Öffentlichkeit?

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Zhanna Kadyrova schloss sich in den Nullerjahren der „Orangen Revolution“ an. Stellte auf der heurigen  Biennale in Venedig aus, wo sie diese Arbeit im Pavillon der Ukraine präsentiert. Dabei hat sie die Berichterstattung der Zeitungen zum Jahrestag des Krimreferendums am 16.3.2014 in den internationalen Zeitungen gesammelt und reflektiert.

Sehr interessant finde ich auch die Fotoarbeiten Experiments von 2014. Dabei übergoss die Künstlerin große Panoramafotos von Kiew mit Säure. Der dadurch entstandene visuelle Effekt entspricht dem weißen Rauchschaden von Artilleriefeuer, wie wir es aus den medialen Berichterstattungen aus Kriegsgebieten kennen. Hier wohl die Zerstörung der ostukrainischen Stadt Donezk vorwegnehmend. Aber diese Bilder könnten natürlich genauso gut in Syrien oder sonst einem Kriegsgebiet an den Rändern Europas oder sonst wo auf der Welt stammen. Es sind Bilder, wie wir sie jeden Abend über das Fernsehen präsentiert bekommen.

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Am meisten beeindruckt hat mich die Arbeit Monument to a New Monument. Ein Hologramm, das Kadyrova den Bewohner/innen von Sharhorod, einer ukrainischen Kleinstadt an der ukrainisch-moldawischen Grenze gewidmet hat. Die Bewohner/innen wollten ein Denkmal errichten, konnten sich aber auf keine Person einigen, der sie es widmen wollten. Woraufhin Kadyrova eine mit weißen Tuch umhüllte Standfigur aus weißen Fließen gestaltet hat. Das Denkmal also für einen Unbekannten, so wie es in manchen europäischen Hauptstädten ja ein „Denkmal für den unbekannten Soldaten“ gibt.. Hier ein Denkmal für den unbekannten Bürger oder die unbekannte Bürgerin. In der holographischen Darstellung verschwindet die Figur immer wieder, und erscheint dann wieder, so wie die Wiederkehr eines Gespenstes vielleicht, das war zumindest meine Assoziation.

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Eine jedenfalls sehenswerte Ausstellung, vor allem für die, die sich auf neue Kunst einlassen und sich zu eigenen weiteren Gedankengängen anregen lassen wollen.

Kunstraum Innsbruck. Noch bis 22. August 2015.

 

Helmut Schiestl

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