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Wo wir herkommen

Der wirklich geniale Demokratie-Kongress wird in einem Video resümiert.

 

Unsere Gastautorin Tanja Sarwat hat sich eine flammende Abrechnung mit der ÖVP-Frauenpolitik einfallen lassen:

 

Nichts als heiße Luft
Eine Abrechnung mit der ÖVP Frauenpolitik

„3-Wetter-Taft im Föhnsturm“ titelte die ECHO in der Ausgabe vom 1. Mai 2011. Gemeint ist damit Landesrätin Patrizia Zoller-Frischauf (die den Spitznamen „3-Wetter-Taft“ erhielt, weil sie angeblich Stylingtipps an ihre Kolleginnen weitergibt). Die 52-jährige First Lady Tirols in Sachen Frauenpolitik lässt zu wünschen übrig. Kritik hagelt es vor allem von ehemaligen VP-Damen, die sich für Frauenrechte innerhalb der Partei stark zu machen versuchten doch jäh daran gescheitert sind.

Jüngste Peinlichkeit der Tiroler ÖVP-Frauen: der siebenminütige „Superwoman“ – Clip den sogar die ZIB erwähnte. „Die Erotische“ ist dort die blonde Frau im roten Spitzen-BH, die ihrem Bier saufenden Mann die Füße massiert. Stermann & Grissemann nahmen den Kurzfilm gekonnt aufs Korn, mit einer satirischen Anlehnung an einen 1950er-Werbespot. Die hässliche Wahrheit dahinter: Doris Day erscheint im Vergleich zu den heutigen VP-Frauen als zielstrebige Emanze. Als „peinlich berührt und zunehmend wütend“ beschreibt sich Christine Baur, Frauensprecherin der Tiroler Grünen, beim Anblick des Films. „Echte Frauenpolitische Ansätze kann ich hier nicht erkennen.“ Auch SPÖ-Tirol Frauensprecherin Gisela Wurm kann mit dem Clip wenig anfangen: „Ich habe erst gedacht es handle sich um eine Persiflage. Dann habe ich mich geärgert, weil das Video weder das Frauen- noch das Männerbild zeigt, für das wir stehen.“ Cool gibt sich dagegen Andrea Haselwanter-Schneider, Frauensprecherin es Bürgerforums. Sie sagt, sie sei nicht wirklich verwundert über dieses antiquierte Frauenbild der ÖVP. Das Video sei nur ein Höhepunkt der gescheiterten Frauenpolitik der Tiroler Volkspartei.

Die Kernprobleme der ÖVP

Das Kernproblem zeigt sich in der zweiten Hälfte des Films, in dem „echte“ Frauen zu Wort kommen. Eine Juristin gibt offen zu, dass sie sich zwischen Karriere und Kindern entscheiden musste. Eine Schande für die heutige Zeit und eine Verhöhnung jener Frauen die (teils unter Einsatz ihres Lebens) für unsere Rechte gekämpft und demonstriert haben. Die Gretchenfrage stellt auch das Magazin ECHO: „Ist Frauenpolitik in der ÖVP ein Widerspruch in sich?“

Sie führt uns zu den Hauptfehlern der hiesigen Frauenpolitik. Äußerlich von Frauen geführt, bemerkt das geschulte Auge jedoch die Marionettenfäden an denen die Vorzeige-Damen der Volkspartei hängen: die Osttirolerin Verena Remler (Familienstaatssekretärin) bekam bei einer Pressekonferenz vor den Augen der Journalisten die richtige Antwort von Ex-VP-Chef Josef Pröll eingeflüstert (auf youtube jederzeit abrufbar).

 

Für Herwig van Staa war ihre Position gar so unwichtig, dass er ihren Namen vergaß und sie abwechselnd „Rehmaier“, „Remie“ und „Remir“ nannte. Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss lässt uns im ECHO-Interview hinter die Kulissen blicken. Im oben genannten Spot wird ihrer Meinung nach die Mehrfachbelastung der Frau als Qualitätsmerkmal dargestellt statt kritisch hinterfragt. Antifeministische Züge erkennt sie in der Aussage „Wir sind emanzipierte Frauen, keine Emanzen!“, was impliziert, dass der Kampf um gleiche Rechte „unweiblich“ sei.

Ein weiteres Manko: bisher wurden alle Gruppierungen staatlich gefördert. Jetzt können Vereinen, die der Landesregierung ein Dorn im Auge sind, die finanziellen Mittel entzogen werden (was A. Weiss als „demokratiepolitisch bedenklich“ erkennt). So sagt Landesrätin Zoller-Frischauf, das Gruppen wie die AEP (Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft), die kinovi[sie]on (feministische Kulturinitiative) oder die ArchFem (feministisches Archiv und Frauenbildungsprojekt) nichts als „Hobbyvereine“ seien, die „Kaffeekränzchen“ veranstalten bei denen die „Einkommensschere bejammert“ würde. Dies sagt sie, obwohl Tirol im Österreich-Vergleich ohnehin schon am wenigsten für die Frauenförderung ausgibt. Völlig außer Acht lässt sie, dass Alleinerzieherinnen hochgradig armutsgefährdet sind, da die Löhne hierzulande noch niedriger sind als anderswo. Die Kürzungen im Bereich der Vereine sieht Alexandra Weiss richtig, nämlich als „Vernichtung öffentlich zugänglicher Expertise“.

 

Tiroler ÖVP Schlusslicht in der Österreichischen Frauenpolitik

Was macht die Tiroler ÖVP noch zum Österreichischen Schlusslicht in der Frauenpolitik? Neben den oben genannten Punkten verkennt die ÖVP auch die Komplexität des Falles Einkommensschere. Mit der Initiative „Frauen in technische Berufe“ wird das Problem auf die Berufswahl reduziert (und damit die Verantwortung den Frauen in die Schuhe geschoben: „Selber schuld! Falschen Beruf gewählt!“). So einfach ist es aber nicht: denn die Leistung von Frauen wird generell (egal in welchem Metier) von der Gesellschaft als geringer bewertet, als die der Männer.

Frauen müssen, wie schon am Equal Pay Day festgestellt wurde, 70 volle Werktage mehr arbeiten als Männer um denselben Lohn zu erhalten. Die ÖVP brüstet sich damit, dass es seit der Regierung Platter immerhin erstmals eine Tiroler Staatssekretärin, drei Landesparteiobmann-Stellvertreterinnen und zwei Landesrätinnen gäbe. Sechs mehr oder weniger mächtige, ein bisschen bis gar nicht an Frauenpolitik interessierte VP-Frauen können aber nicht über die tragische Lage in Tirol hinwegtäuschen (siehe Marionettenfäden). Kläglich ist nämlich in Tirol der Anteil an Professorinnen an Unis (müde 11%), die Anzahl der Kindergeld beziehenden Väter (nicht einmal 2%) sowie das Frauenbudget: das Frauenreferat erhält heuer maximal 160.000 Euro, ein Betrag über den heimische Rinderzuchtverbände nur milde lächeln können.

 

Monika Jarosch von der Plattform „Zornige Frauen“ bringt es auf den Punkt: „Allein das Budget für Ehrungen des Landes Tirol schluckte bisher 1,3 Millionen Euro“. Die ÖVP ist also gut darin heiße Luft zu produzieren, täte aber gut daran die Richtung zu wechseln.

 

Männliche Machterhaltungstendenzen

Erschütternd auch Zoller-Frischaufs Aussage: „Frauen sagen manchmal NEIN, meinen aber JA“. Damit macht sie den wichtigsten Slogan der Bewegung gegen Gewalt an Frauen zunichte: „Wenn Frauen NEIN sagen, meinen sie auch NEIN!“. Zur Tatsache, dass hierzulande jede 5. Frau Opfer von Gewalt durch ihren Partner wird, fällt ihr nur ein mageres „Jedes Opfer von Gewalt ist eines zuviel“ ein, was klingt, als ob die armen Männer ja auch vor den Frauen davonlaufen müssten. Damit arbeitet sie der Enttabuisierung von Gewalt an Frauen entgegen. Über dieses Thema muss aber gesprochen statt geschwiegen werden, um ihm Herr (oder in diesem Fall „Frau“) zu werden! Mit Mitteln des Frauenbudgets werden hingegen Männerberatungsstellen gefördert – ein Paradoxon.

 

Die unheimlichen Dinge, die in letzter Zeit in der Tiroler Frauenpolitik passieren, gehen darauf zurück, dass diese hier wenig verwurzelt (und damit leicht entfernbar) ist. Johanna Dohnal, eine vorbildliche Staatssekretärin in den 80er Jahren, ließ sich von den Machterhaltungstendenzen der Männer jedoch nie frustrieren. Sie diskutierte damals mit Landeshauptmann Wallnöfer über die Errichtung von Frauenhäusern. Diese waren der ÖVP ein Dorn im Auge, da sie Frauen eine Fluchtmöglichkeit aus einer Ehe boten, in der Gewalt vorherrscht. Die „dunkle Seite der Macht“ ist nicht per se männlich (wie man an einigen VP-Frauen sieht) aber sie ist in jedem Fall unmenschlich. Schauen wir der ÖVP daher lieber genau auf die Finger.

 

Ein Kommentar von Tanja Sarwat

 

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