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Wie umgehen mit Schatten auf dem Aushängeschild der Tradition?

Nicht wenige Betriebe in der Innsbrucker Altstadt wie auch anderswo, die auf eine beachtliche Geschichte zurückblicken können, versuchen die eigene Vergangenheit als Verkaufsargument heranzuziehen.

Versucht wird hierbei vergangene Größe und Relevanz zu illustrieren, was ein bloßer Blick auf die Gemäuer der Gebäude verbergen würde. Die Vergangenheit wird dabei benützt, um ein Gefühl der Nostalgie zu erzeugen, was wörtlich so viel bedeutet wie Heimweh oder Rückkehrschmerz .

Das innere Auge von BetrachterInnen soll sich also in eine paradiesische Vergangenheit zurückwähnen, deren Aura die scheinbar profane Gegenwart übertrifft.Vergessen werden soll die Tatsache,  dass diese alten Geschäfte oder Beherberungsbetriebe in Bezug auf Komfort und Luxus nicht mit ihren topmodernen Pendants verglichen werden können.

Das Gefühl von Erhabenheit und Luxus, das anderswo mit überdimensionalen Schaufenstern, Rolltreppen, Jacuzzis, Saunen, Erlebnisduschen oder beheizten Schwimmbecken erreicht werden kann, soll hier durch die Assoziation mit einer idealisierten Vergangenheit erreicht werden.

Hierzu ist es jedoch möglich, jene Teile der Vergangenheit, die heutzutage aus guten Gründen von weiten Schichten der Bevölkerung mit negativen Erinnerungen assoziiert werden, auszusparen.

Wenn also die Zeit von 1924 bis 1949 bewusst ausgeklammert wird, so dient dies letztlich dem Werbezweck. Die Tatsache, dass oft einige Jahrzehnte übersprungen werden, beeinträchtig hierbei nicht den Eindruck der Kontinuität, da man ja vorgibt, sich auf die berühmteste Prominenz zu beschränken, deren bloße Erscheinung auf der Welt quasi ein einmaliges Ereignis, das nicht alle Jahre vorkommt, darstellen soll.

Allerdings muss dem geübten Auge auffallen, dass sich zum Beispiel auf der der oben abgedruckten  Liste der Namen von angeblich harmlosen prominenten früheren Gästen auch der ein oder andere Name findet, der mit sehr kontroversiellen politischen Ansichten in Verbindung gebracht werden muss. So war Siegfried Wagner, als ein Kind des berühmten Komponisten Richard Wagner, Teil des völkisch orientierten und stark antisemitischen Bayreuther Kreises um seine Mutter Cosima Wagner und den pseudo-wissenschaftlichen Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain.

Folglich muss hinterfragt werden, ob Werbung mit dieser Persönlichkeit ohne eine weitere kritische Erläuterung, eine Verharmlosung von weit rechten und antisemitischen Ansichten darstellt. Ob der Name Liliane de Rothschild, die immerhin mit einem Adeligen jüdischer Abstammung verheiratet war, diesen Makel auszugleichen vermag, sei dahingestellt. Ausgerechnet die Rothschild Familie stellt gewissermaßen einen Ausnahmefall von Menschen jüdischer Abstammung in Europa dar. Die meisten Juden und Jüdinnen in Europa waren weit entfernt von irgendwelchen Adelstiteln oder Geburtsrechten.

Besonders eigenartig erscheint die Werbung mit vergangener Prominenz dann, wenn diese im Unterschied zum Heldenmythos, der ihnen angedichtet wird, dem betreffenden Betrieb auf die ein oder andere Art Schaden zugefügt haben.

Dies betrifft auch einen sehr berühmten Namen wie den von Andreas Hofer.

Die Zeit, nachdem Andreas Hofer mit seiner Bauernarmee im Jahr 1809 Innsbruck eroberte, entpuppte sich für die hiesigen Geschäftsleute als eine finstere Zeit. Durch Plünderungen und die Isolation Tirols brach in dieser Zeit die Wirtschaft der Stadt Innsbruck weitgehend ein. Andreas Hofers Armee war in Teilen der Innsbrucker Bevölkerung auch deshalb, nach anfänglichem Jubel, alles andere als willkommen. Gelegentlich kam es sogar zu Handgemengen zwischen den bewaffneten Bauern und der lokalen Bevölkerung. Hinzu kommt, dass sich Andreas Hofers Horden in Innsbruck durch Plünderung und Vertreibung der wenigen jüdischen Kaufleute bemerkbar gemacht haben.

Bei genauer Betrachtung der Situation der Innsbrucker Betriebe im frühen 19. Jahrhundert offenbart sich der Name Andreas Hofer, Freischärler und Bauernführer des frühen 19. Jahrhunderts, also als eine mit romantischen Vorstellungen verbundene Worthülse, der den betreffenden Betrieb, der mit diesem Namen wirbt, kaum repräsentieren kann.

Ein Ausweg aus diesen Zwickmühlen einer mehrdeutigen Vergangenheit, die sich genau analysiert als eine kontroversielle und eben keine ideale Vergangenheit darstellt, wäre ein kritischer Umgang mit der Geschichte. Dazu würde es aber nicht ausreichen, mit einzelnen Namen von vergangener Prominenz aufzutrumpfen, sondern man müsste auf historische Narrative zurückgreifen, die sich so weit wie möglich der Wahrheit annähern.

 

Literatur:

Hirn, Josef (1909). Tirols Erhebung im Jahr 1809. Innsbruck: Schwick

Selig, Wolfgang (2012). “Bayreuther Kreis”. In: Benz, Wolfgang. Handbuch des Antisemitismus: Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart: Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen. Berlin: de Gruyter GmbH & CoKG

www.duden.de [Zugriff: August 2020]

CC BY Hafelekar creativecommons.org

Daniel Moser MA

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