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„Wer die Geburt überlebt hat, ist zum Tode verurteilt.“

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Dieses schöne und sinnige Zitat von Norbert C. Kaser kann uns diese Tage, an denen wir uns mehr als sonst dem Thema Tod widmen, über das nachdenken, über das wir eigentlich – zumindest nach Ludwig Wittgenstein – nur schweigen können oder sollten, Halloween feiern oder auch einfach nur Friedhöfe besuchen, uns von ihrer Melancholie verführen lassen, als Leitmotiv dienen.

Ich selbst kann von mir nur sagen, dass ich mich öfter als an diesen Tagen mit dem Thema Tod beschäftige, wahrscheinlich halten das auch viele andere so, also bilde ich mir darauf auch nicht sonderlich viel ein. Ich gehe gerne auf Friedhöfen, auch in fremden Orten. Bin ich etwa in Großstädten wie Wien, Paris oder Berlin, suche ich fast immer welche auf und verweile gerne mehrere Stunden darin. Und meistens stellt sich da immer gleich mal ein beruhigendes Gefühl ein, wenn man gestresst durch eine Stadt läuft, ihren Sehenswürdigkeiten hinterher, und dann in den meistens grünen Oasen, die – da sie bis auf die diversen Friedhofsfahrzeuge – meistens ja auch verkehrsfrei sind, Ruhe und Erholung suchen kann. Zumindest dann, wenn man nicht den Stress hat, das Grab des oder der berühmten XY, der oder die in eben jenem gerade besuchten Friedhof liegen soll, zu suchen, und dann erst recht wieder Gräberfeld um Gräberfeld mühsam absucht.

Der Zufall wollte es wohl so, dass ich gerade gestern anlässlich der Urnenbeisetzung eines alten sein Leben lang philosophierenden Freundes den Innsbrucker Westfriedhof besuchte und mich seiner gerade um diese Zeit ja sehr schönen Stimmung hingeben konnte. Fahl schien das Licht durch die gelben und roten Herbstblätter oder brach sich in den schon kahlen Baumkronen. Was hätte es mehr gebraucht, als der Rezitation eines schönen Gedichts oder dem Klang einer Musik zu lauschen, sei es ein Trauermarsch, der Gesang eines Chores – oder wie im konkreten Fall – der zweite Satz aus Antonin Dvoraks Sinfonie Aus der neuen Welt.

Wären nicht all die Bekannten gewesen, die man oft schon jahrelang nicht mehr gesehen hat, und die einen dann doch meistens wieder in die Gegenwart zurückholen und an anderes denken lassen, wie würde man sich doch den Dingen hingeben, die nicht erklärbar sind. Und sich vielleicht fragen, wie man selbst einmal verabschiedet oder begraben werden möchte.

Innsbruck hat ja einige sehr schöne Friedhöfe, und es würde sich sicher auch mal anbieten, eine eigene Friedhofskolumne auf provinnsbruck anzulegen. Erwähnt seinen etwa der Mühlauer Friedhof, in dem ja auch bekannte Künstler und Schriftsteller wie etwa Georg Trakl und Ludwig von Ficker begraben sind; der Friedhof St. Nikolaus, ebenso idyllisch, oder der mit seinen Urnenstelen ein wenig futuristisch anmutende Friedhof von Mariahilf, um nur einige zu nennen. Der größte Friedhof Innsbrucks ist jedoch der Westfriedhof, der neben dem Ostfriedhof Pradl einer der beiden Innsbrucker  Hauptfriedhöfe ist.

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Bereits 1855 angelegt, und 1889 nach Süden erweitert, liegt er – welch eine Ironie – im Anschluss an das große Areal der Universitätsklinik. Ein Umstand, den er schon mit seinem Vorgänger, dem alten Innsbrucker Spitalsfriedhof teilt. Dieser auf das 14. Jahrhundert zurückgehende Friedhof war ja lange Zeit die Begräbnisstätte der Innsbruckerinnen und Innsbrucker, die Stadtteile waren damals ja noch alle selbständige Dörfer, die ihre eigenen Friedhöfe hatten. 1856 wurde dieser Friedhof aufgelassen und eben der neue Westfriedhof „besiedelt“. Erst beim Bau des neuen Rathauses im Jahr 2000 am Pichlerplatz-Areal war er durch Gräberfunde wieder ins Bewusstsein der Innsbrucker Öffentlichkeit gelangt und hatte damals auch einige Debatten über den Umgang mit den dort begrabenen Toten und deren Geschichte ausgelöst.

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Was nur den Westfriedhof anlangt, so ist dieser eine typisch städtische Friedhofsanlage, geplant vom aus Wien stammenden und am Innsbrucker Bauamt tätigen  Architekten Franz Wiesenberg, die über mehrer Eingänge und verschiedene breitere Alleen verfügt, eine Aufbahrungs- und Einsegnungshalle, die heute natürlich auch für nicht kirchliche Verabschiedungszeremonien genutzt werden kann. Diese trägt Fresken von Franz Plattner, einem typischen Vertreter des sogenannten Nazarener Stils. In Zirl geboren, und in Wien an der Akademie bei Leopold Kuppelwieser , einem Freund Franz Schuberts, ausgebildet, zählt er zu den bekanntesten Freskenmalern dieser Stilepoche. Er lebte längere Zeit wie sein Landsmann, Josef Anton Koch, dem zurzeit im Tiroler Landesmuseum eine Ausstellung gewidmet ist, in Rom, und kehrte später wieder nach Tirol zurück, wo er viele Kirchen mit seinen Fresken verschönert hat. So die Pfarrkirche seines Heimatortes Zirl.

Die Statuen  in der Kapelle stammen von Franz Santifaller, interessanten Figuren der gemäßigten Moderne aus dem Jahr 1927.

Der Friedhof verfügt, wie es Friedhöfen dieser Größenordnung gemäß ist, über sehr viele reichhaltige und schöne Grabstätten, Arkadengänge mit interessanten Fresken sowohl von der Gründer- bis herauf zur Jetztzeit. Ja ein Gang durch  diese Arkaden mit ihren Grüften ist wie ein kleiner Spaziergang durch die Kunstgeschichte der letzten zweihundert Jahre. Und es würde den Platz hier sprengen, würde man nur annähernd eine Aufzählung der sehr schönen und zum Teil auch sehr monumental gestalteten Grabstätten versuchen. Stellvertretend dafür vielleicht nur das sehr ausdrucksstarke Monument des Tiroler Landeshauptmanns Paris Graf Wolkenstein-Trostburg, gleich mal beim Nordeingang. Eine Figurengruppe des Bildhauers Johann Huber aus 1775, die vom alten Innsbrucker Friedhof bei der Spitalskirche hierher transferiert wurde, wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer ausdruckstarken Symbolik wegen: Ein greiser geflügelter Saturn hält einem jungen Mädchen die Sanduhr entgegen.

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Neben dem großen christlichen Teil verfügt der Friedhof auch über einen jüdischen Teil, wo Grabstätten jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus dem vorigen Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein und auch einige der Opfer der Reichskristallnacht, deren Zahl ja in Innsbruck besonders hoch gewesen ist, zu finden sind.

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Und auch die Gedenkstätte der Innsbrucker deutschnationalen Burschenschaft Suevia findet sich hier, auf der auch einer der bei der Innsbrucker Reichspogromnacht als Täter identifizierter vermerkt ist. Ein Umstand, der erst vor einigen Monaten zu heftigen Diskussionen und Beiträgen auch in diesem Forum geführt hat.

Man sieht, Friedhöfe sind auch immer Spiegelbilder der Zeitgeschichte, und so auch nicht frei von Konfliktfeldern. Man denke dabei nur an Grabstätten historisch belasteter Personen, oder von Gräbern von mal Berühmten  und dann in Ungnade Gefallenen. Ehrengräber werden aberkannt, Tote eventuell auch schon mal umgebettet, in weniger schöne und aufwendig gestaltete Grabstätten. Dabei oft auch alte schon verheilt geglaubte Wunden wieder aufgerissen. Dabei hat es doch einer der ganz großen Kenner der österreichischen Seelen und Zustände, Thomas Bernhard, mal so treffend formuliert: „Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.“

Quellen: Dehio Tirol. Schroll Verlag. Wien 1980. Heinrich Hammer: Kunstgeschichte der Stadt Innsbruck. Tyrolia Verlag. Innsbruck 1952.

 

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Helmut Schiestl

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