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„…wenn sich keiner den Mund auftun traut, läuft was falsch“. Georg Willi im Bürgermeisterinterview.

Die Würfel sind längst gefallen:
Innsbruck hat ab heute mit Georg Willi Österreichs ersten Grünen Bürgermeister, (wieder) eine Koalition aus vier Parteien und nach wie vor das Problem, dass das Wohnen längst Luxus ist. Ich habe den neuen Bürgermeister zum Gespräch über den angekündigten „neuen Stil“, das leidige Thema Wohnen, die bisherige städtische Verbotspolitik und anderes gebeten.

PROVINNSBRUCK: Heute ist es so weit: Du wirst als Bürgermeister von Innsbruck angelobt und bist damit der erste Grüne Bürgermeister einer österreichischen Landeshauptstadt. Nachdem das Rathaus wohl keinen grünen Anstrich bekommen wird – wie werden die Innsbruckerinnen und Innsbrucker merken, dass da nun wer anderer am Ruder ist?

Georg Willi: Ich merke, dass sie es schon jetzt merken: Allein die Tatsache, dass ich durch die Stadt radle, dass ich stehenbleiben kann, ein paar Worte wechsle, dass ich – glaub ich – anders kommuniziere, vermittelt den Menschen einen anderen, einen neuen Stil. Wir sind Dienstleisterinnen und Dienstleister für die Innsbrucker Bevölkerung. Ein respektvoller Umgang untereinander, in der Regierung, im Magistrat und mit den Bürgerinnen und Bürgern ist mir wichtig. Gleichzeitig ist mir klar, dass wir nicht alle Wünsche der Bevölkerung erfüllen können. Da kommen Leute und sagen: Ich will eine Widmung, ich brauche eine Stadtwohnung, ich kann die Abfallgebühren nicht zahlen oder die meinen, dass das erhaltene Strafmandat „eine Sauerei“ ist. Wir werden nicht alles lösen können. Sie werden das Strafmandat vielleicht trotzdem zahlen müssen. Aber allein die Art, wie man das macht, wie wir den Leuten erklären, dass manches eben nicht geht, soll so sein, dass die Menschen das leichter akzeptieren können. Was ich außerdem unbedingt will: jeden Tag konstruktive Kritik aus den eigenen Reihen. Mir gegenüber, aber auch untereinander. Wenn in einer Stadt von der Größe Innsbrucks kritische Anmerkungen unten gehalten werden, wenn sich keiner den Mund auftun traut, läuft was falsch.

PROVINNSBRUCK: Wie werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Magistrat vom neu wehenden Wind auch tatsächlich Wind bekommen?

Georg Willi: Ich will nicht der sein, von dem es heißt: Man geht zum Bürgermeister zur Besprechung. Wenn‘s geht, werde ich in die entsprechende Abteilung zur Besprechung kommen. Ich erlebe gerne Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Nur so sehe ich, wie das Arbeiten dort ist, ob dort ein pfiffiger Geist herrscht oder ob’s steif und streng zugeht. Ich will spüren, wie die Arbeitsbedingungen sind und wenn die angespannt sind, dann muss ich etwas tun. Ich möchte, dass alle im Rathaus ausstrahlen, dass sie gerne dort arbeiten und zum Wohle alle Bürgerinnen und Bürger tätig sind. Das soll spürbar sein – wissend, dass ich jetzt große Worte schwinge, aber ich will diesen Funken ein bissl überspringen lassen. Jedenfalls möchte ich vorhandene Kompetenzen besser nutzen.

PROVINNSBRUCK: Aus 8.000 neuen Wohnungen, die im Wahlkampf von Dir genannt wurden, sind im Regierungsübereinkommen nun 3.000 Wohnungen geworden. Erste Frage dazu: Wie kam es dazu? Und zweite Frage: Was würdest Du jemanden sagen, der sagt: „Jetzt hab i di gwählt, wird jetzt das Wohnen günstiger“?

Georg Willi: Dem würde ich sagen: Das Wohnen wird durch unsere vielen Maßnahmen … jetzt sag ich’s ehrlich, in dem Bereich, wo wir Einfluss haben – das ist der ganze soziale Wohnbau – mittelfristig leistbarer werden. Im restlichen Bereich kann ich nur alles tun, dass die Mieten nicht weiter steigen oder wenn sie steigen, dann nur maßvoll steigen und nicht so wie es jetzt ist. Wir liegen bei den Mietpreissteigerungen der letzten Jahre immer über der Inflationsrate.
Mit einiger Kraftanstrengung können wir den sozialen Wohnbau direkt beeinflussen, Kraft unserer Raumordnung oder Kraft unserer Grundstücke, die wir haben. Am Markt sind wir den freien Marktkräften ausgeliefert und können aber über eine eventuelle Leerstandsabgabe oder Spekulationsbekämpfung schauen, dass die Mieten nicht weiter durch die Decke schießen.
Und zur ersten Frage: Ich bin vor der Wahl zu jenen Zahlen gestanden, die im Örtlichen Raumordnungskonzept (ÖROKO) stehen. Und da ist von einem Bedarf von 8.000 Wohnungen die Rede. Dazu sind ja bei Beschluss des ÖROKO auch alle Regierungsparteien gestanden. Ich wollte auch nach der Wahl dazu stehen. Die Verhandlungen ergaben „mindestens 3.000 Wohnungen“ – 2.000 für studentisches Wohnen und 1.000 geförderte Wohnungen. Ich wollte 5.000 geförderte und den Rest auf anderen Wegen erreichen. Das war aber nicht durchsetzbar mit dem Hinweis „Bleiben wir am Boden“. Nun sind es 3.000 – allerdings als Mindestgröße. Ich freue mich, wenn es letztlich mehr werden sollten.

PROVINNSBRUCK: Du hast eine mögliche Leerstandsabgabe, also eine Abgabe für lange Zeit nicht vermietete Wohnungen, erwähnt. Wie könnte ein solches Modell aussehen?

Georg Willi: Also mir gefällt eine Leerstandsabgabe gut, das Problem ist die Definition: Wann ist ein Leerstand ein Leerstand? Ab wann ist es zum Beispiel legitim, zu Eltern, die für ihren 16-jährigen Sohn eine Wohnung gekauft haben, zu sagen: Ihr tut’s gefälligst die Wohnung inzwischen vermieten, sonst müsst ihr eine Leerstandsabgabe zahlen. Also an welchen Kriterien macht man fest, dass ein Leerstand ein Leerstand ist? Und vor allem: Man muss immer nachschauen, wo ist dieser Leerstand, man muss diesen Leerstand nachweisen, und so weiter. Ich liebe Abgaben und Steuern, die ganz leicht einzuheben sind. Eine Leerstandsabgabe ist von der Einhebung her aufwändig.

PROVINNSBRUCK: Das klingt jetzt wie ein feuriges Plädoyer für eine Leerstandsabgabe, während der Feuerlöscher schon in der Hand ist. Welche Möglichkeiten siehst Du denn sonst noch, die geschätzt 2.500 leerstehenden Wohnungen in Innsbruck zu mobilisieren?

Georg Willi: Mich überzeugt ein Modell am allermeisten: Der Vermieter, so erzählen es mir viele, will gute Mieteinnahmen von ganz netten Mietern, die pflegeleicht sind und die brav immer am ersten des Monats ihre Miete zahlen. Jetzt sind nicht alle Leute immer nette Menschen, dann gibts Menschen, die sich die Miete einmal nicht leisten können, weil irgendetwas passiert ist, die ihre Arbeit verloren haben. Sie haben also Mietrückstände. Dann gibt‘s Menschen, die wohnen Wohnungen ab. Weil sie meinen, dass sie mit einer Mietwohnung machen können, was sie wollen. Und wenn wir jetzt sagen: Lieber Vermieter, du hast leerstehenden Wohnraum, du willst dich mit schwierigen Mietern nicht herumschlagen müssen, du willst nicht ausstehenden Mieten nachrennen müssen, du willst nicht, wenn die Wohnung abgewohnt ist, die Kosten übernehmen müssen, um das für den nächsten Mieter wieder alles zu adaptieren? Dann gib doch uns, der Stadt Innsbruck, deine Wohnung zur Vermietung. Wir verhandeln einen günstigen Mietpreis, sorgen aber dafür, dass es bei Schwierigkeiten mit dem Mieter zu keinen Mieteinnahmenausfällen kommt. Weil wir das ersatzweise zahlen. Zweitens sorgen wir dafür, dass deine Wohnung saniert wird, sollte ein Mieter deine Wohnung abwohnen. Also wir übernehmen quasi diese ganzen Vermieterrisiken. Dafür gibst du uns einen günstigen Mietzins, der für dich aber noch einen Mehrwert hat, weil du gesicherte Einnahmen hast. Wenn man das zusammenbringt, wissend, dass das nicht immer ganz einfach ist, dann bekommen wir als Stadt günstigere Mieten zur Verfügung gestellt, die wir dann den Mieter*innen weitergeben können. Das ist die Idee.

PROVINNSBRUCK: Auch ein Grund für knappen Wohnraum ist sicherlich auch, dass immer mehr Menschen ihre Wohnungen über diverse Plattformen kurzzeitig vermieten. Was kann man da als Stadt tun?

Grün steht nun in Innsbruck im Vordergrund …

Georg Willi: Ich habe nichts gegen Airbnb. Airbnb ist super zum Beispiel für Studenten, die ihre Wohnung im Sommer anbieten. Da ist zumindest der Wohnraum genutzt und steht nicht leer. Aber wenn Wohnraum systematisch, also jahresdurchgängig an Airbnb geht, dann sage ich: Freunde, da lassen wir uns jetzt hoffentlich bald was einfallen. Mir wurde der Fall von zwei Jungs zugetragen, die 15 Wohnungen haben und diese zu je 300 Euro pro Nacht vermieten. Da kommen dann Gruppen von Touristen auf Europatrip, die dort zu acht schlafen. Diese Wohnungen sind zu zwei Drittel ausgelastet. Satte 6000 Euro pro Monat und Wohnung. Das ist ein Batzeng‘schäft. Es geht nicht an, dass Wohnraum, der sich für ganzjähriges Wohnen eignet, also für Familien oder Menschen, die Wohnraum brauchen, dass das quasi zweckentfremdet wird für Wohnen zum touristischen Zwecke. Es gibt offenbar auch Leute mit einer Stadtwohnung, die längst ganz woanders leben und diese Stadtwohnung über Airbnb anbieten. Da sage ich ganz klar: Das drehen wir ab.

PROVINNSBRUCK: Themawechsel: Wie hält es ein Grüner Bürgermeister mit Insignien der Macht? In Innsbruck ist es Tradition, dass der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin bei manchen Anlässen eine auffällige Kette aus Gold umhängen hat. Wird man Dich damit jemals sehen?

Georg Willi: Nein. Ich werde den Leiter des Stadtarchivs, Lukas Morscher, bitten, sich etwas für diese Kette zu überlegen. Man soll ihr einen schönen Platz geben. Der Platz um meinen Hals ist dieser Platz nicht.

PROVINNSBRUCK: Ein Hals als Verbotszone also. Kommen wir zu den aktuellen Verboten in Innsbruck: Radfahrverbot, Alkoholverbot, das ich selbst eher als Obdachlosvertreibungsgesetz bezeichne, Bettelverbot, Schlafverbot. Du hast bereits vor Tagen gesagt, dass das Radfahrverbot in der Maria-Theresien-Straße bleiben soll, obwohl schon der oberste Verkehrspolizist vor der einstigen Einführung gemeint hatte, dass er keinen Bedarf für ein derartiges Verbot sieht, es keine Unfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern gegeben hat und seine Polizisten auch keine Ressourcen hätten, es zu kontrollieren …

Die fünf StadträtInnen der Koalition bei der Unterzeichnung des Arbeitsübereinkommens

Georg Willi: …ich habe das zur Maria-Theresien-Straße gesagt, weil ich gelitten habe, als das damals eingeführt worden ist und auf der anderen Seite habe ich zahlreiche Beschwerden über rücksichtslose Radler erhalten. Objektiv richtig ist, dass es keine Unfälle gab. Wenn die Radler disziplinierter werden, kann ich mir eine Aufhebung dieses Verbots irgendwann vorstellen. Derzeit haben wir einfach zu viele Radfahrer*innen, die meinen, sie können alle Freiheiten dieser Stadt haben. Erst wenn das besser ist und die Leute das Gefühl haben, wir haben ein gutes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer, dann gerne.

PROVINNSBRUCK: Hand aufs Herz: Hast Du dein Rad die letzten Jahre zwischen Marktgraben und Kaufhaus Tyrol wirklich immer geschoben?

Georg Willi: Ja. Auch aus dem Grund, weil ich mir das in meiner Funktion nicht anders erlauben kann. Das Alkoholverbot in der Maria-Theresien-Straße stört mich aber viel mehr als das Radfahrverbot, weil das ist eine Beleidigung meiner Person als liberaler Mensch. Wenn ich im Gastgarten sitze, kann ich mich – salopp gesagt – niedersaufen, weil ich ja zahle. Der, der das Geld nicht hat, darf nicht einmal anständig angezogen ein Glas Sekt oder eine Dose Radler trinken. Streng genommen darf das frisch vermählte Brautpaar keinen Sekt dort trinken. Und da sage ich: Hallo, das ist eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, die weit über das erlaubte Maß hinausgeht.

PROVINNSBRUCK:
Du bist also klar gegen dieses Verbot – kann sich das auch in Mehrheiten im Gemeinderat widerspiegeln?

Georg Willi: Ja, das hoffe ich. Wenn ich den neuen vierzig Gemeinderät*innen klarmachen kann, dass die Handhabe über das Landespolizeigesetz ausreichend ist, um stark betrunkene oder grölende Menschen wegzuweisen. Denn das war ja das Problem. Angeblich. Ich werde das jedenfalls mit der Polizei rückkoppeln.

PROVINNSBRUCK: Am Ende keine Frage, sondern eher eine Bitte: Die im Innsbrucker Volksmund so genannte „MÜG“ hat ja einen ziemlich schauderhaften Langtitel: „Mobile ÜBERWACHUNGsgruppe“. Das hat einen ziemlich komischen Geruch. Wie stehen die Chancen für eine Umbenennung der „MÜG“?

Georg Willi: Das ist eine gute Idee. Aber ich möchte betonen, dass das eine gute Einrichtung zum Beispiel puncto Lärmbelästigung ist. Es braucht eine Einheit, die ordnend eingreifen kann. „MÜG“ in seiner Langform ist ein schrecklicher Begriff. Wenn man da einen schöneren Namen findet, der auch die Kompetenzen und Hilfestellungen der jetzigen Einheit auf den Punkt bringt, bin auch ich für eine Umbenennung.

Das Gespräch führte Markus Koschuh

Markus Koschuh

One Comment

  1. Zitat Georg: „Wenn man da einen schöneren Namen findet, der auch die Kompetenzen und Hilfestellungen der jetzigen Einheit auf den Punkt bringt, bin auch ich für eine Umbenennung.“
    In Deutschland heißen solche Behörden „Ordnungsamt“. Man kann wohl trefflich darüber streiten, ob der Begriff „schöner“ sei, aber es wäre mal grundsätzlich eine Alternative und würde meiner Meinung nach ebenfalls die Aufgabe ganz gut beschreiben.

    Andererseits habe ich persönlich den Eindruck, die Abkürzung „MÜG“ hat sich in Innsbruck im allgemeinen Sprachgebrauch sowieso schon so sehr festgesetzt, dass eh keiner mehr an die „sperrige“ Bezeichnung „Mobile Überwachungsgruppe“ denkt.

    Ich persönlich finde die Bezeichnung allerdings nicht wirklich schlimm, sondern meiner Meinung nach beschreibt sie einfach, wozu die MÜG da ist; „Überwachung“ ist ja per se nicht schlecht, sondern es kommt dabei immer auch auf den Kontext an.

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