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Von Ramadan und Stalking (Flüchtlinge, ein Schwimmkurs für Einheimische #2)

Birgit Hohlbrugger

Der Ramadan hat begonnen. Für die meisten in Österreich lebenden Nicht-Muslime ist diese Information absolut nichtig. Ich hätte auch schreiben können: Ein Kochtopf voll mit Essen zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang ist übergegangen, irgendwo in Ägypten.

Für jemanden, der beruflich mit Flüchtlingen zu tun hat, bekommt die Information ein wenig mehr Bedeutung. Der vergangene Montag war der erste Tag des Ramadans. Ich, Morgenmuffel der ich bin, machte mich eher müde, zu spät und als Resultat aus beidem auch ein bisschen grantig auf zum ersten Deutschkurs. Unterwegs malte ich es mir in meinem grantigen Kopf aus: Ist sicher eh voll umsonst, dass ich jetzt aufgestanden bin. Wird eh keiner kommen. Würde ich wahrscheinlich auch nicht tun. Was heißt wahrscheinlich, machen wir uns nichts vor. Wenn ich fasten müsste hätte ich bis zu dieser Uhrzeit wahrscheinlich schon den ersten Kollaps erlitten. Ich hätte gleich den Kurs absagen sollen. Der erste Tag ist sicher der Schlimmste. Außerdem regnet es in Strömen. Vorurteile passieren halt im Kopf, wenn du von dir auf andere schließt.

Ich war wie gesagt schon spät dran und fand keinen Parkplatz. Voll peinlich, die Lehrerin kommt zu spät, aber in dem Fall dachte ich mir, ist es sicher egal, wird ja eh keiner kommen. Endlich näherte ich mich dem Kursort, als sie da schon standen, eingepackt in Regelmäntel wie eine Gruppe von Schlümpfen. Zwölf Menschlein, allesamt warteten sie schon ungeduldig auf den Deutschkurs. Ok, jetzt ist es wirklich peinlich, dass die Lehrerin zu spät kommt. Grantig und unausgeschlafen.

An Tagen wie diesem denke ich manchmal, wie viel einfacher und vor allem ausgeschlafener mein Leben wäre, wenn diese Flüchtlinge, Ausländer, nenn sie wie du willst, tatsächlich so integrationsunwillig wären, wie oft behauptet wird. Im Ernst, müssen die da in aller Früh schon so derartig motiviert rumstehen? Wer macht denn sowas? Und das auch noch am Montag! Und überhaupt, dann lachen sie auch noch so verständnisvoll. Muss das sein? Es braucht sofort Wertekurse.

Lektion 1: Montagmorgen bist du gefälligst nicht motiviert und gut gelaunt. Es wird nicht geredet (im Deutschkurs pfff) und wenn die Lehrerin kommt, wird sie mit einem ernsten, wortlosen Nicken und einer Tasse, nein 3 Tassen Kaffee empfangen, auch wenn du selber gerade fastest. Ich meine, es wäre doch gelacht, wenn ich diesen Leuten im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens nicht beibringen könnte, was auch in meinen Beziehungen immer so wunderbar funktioniert hat? Schließlich war das immerhin auch das einzige, was in meinen Beziehungen…. egal, anderes Thema.

Spaß beiseite. So wie die Lage gerade ist, sollte ich wohl eher dazu übergehen, Hörsäle an der Uni anzumieten, damit jeder noch einen Platz im Deutschkurs kriegt. Nicht, dass ich das für sinnvoll hielte, aber ich wette um meine rechte Hand, wenn ich es tun würde, wäre nicht nur der Hörsaal randvoll, sondern auf den Stiegen würden auch noch Leute sitzen und in den Eingängen stehen, und ein paar würden wahrscheinlich noch vom Gang aus versuchen ein Plätzchen zu erhaschen. Ich will damit 2 Dinge sagen: 1. Nein, es gibt bei weitem nicht genügend Deutschkursplätze und 2. Wir haben ja null Ahnung, was manche Menschen auf sich nehmen würden, um zu LERNEN.

Nichts ist härter, als Menschen wegzuschicken, die dich um einen Kursplatz anflehen. Die Aussicht auf die Warteliste hilft da auch nicht mehr, schließlich waren sie schon bei 5 anderen Kursanbietern, die ihnen dasselbe in Aussicht gestellt haben. Es kann schon mal passieren, dass da die Emotionen hochgehen – mich wundert sogar, dass es nicht viel öfter passiert. Einmal wurde ich regelrecht gestalkt von jemandem, der unbedingt einen Kursplatz bekommen wollte. Im Nachhinein lache ich, lachen wir beide darüber, wie er dauernd vor der Tür gewartet hat, ob nicht vielleicht jemand früher geht, und wie er immer wieder verstohlen von außen einen Blick durch das Fenster geworfen hat, ob nicht doch noch irgendwo ein Stuhl frei ist.

In diesem einen Kurs jedenfalls an jenem Montagmorgen blieb kein Stuhl mehr frei. Freilich, in Österreich darf der Ramadan auch nicht als Ausrede gelten, seine Pflichten nicht wahrzunehmen. Das fiel auch anscheinend niemandem schwer außer…. der Frau Lehrerin…. gähn.

BIRGIT HOHLBRUGGER

Hier gehts zu den anderen Teilen der Serie Ein Schwimmkurs für Einheimische.

 

 

Foto: shabanali ahmadi/WAFADAR

Gast

4 Comments

  1. Soll das lustig sein? Ich habe nicht gelacht.
    Wenn schon Befindlichkeitstext, wäre es interessant(er) zu erfahren, wie es den Flüchtlingen dabei geht, eine völlig fremde Sprache zu lernen.

    • Wenn man in ein Land umsiedelt, in dem eine völlig fremde Sprache gesprochen wird, muss man die Sprache wohl lernen. Wenigstens sind die Sprachkurse kostenlos, wenn man schon gezwungen wird, eine völlig fremde Sprache zu lernen.
      Ich stimme Ihnen aber zu, lustig ist der Text tatsächlich nicht.

  2. Auch, wenn der Text schon alt ist, muss ich ihn kommentieren.
    Ich finde es selbstverständlich, dass man die Sprache lernt, wenn man in ein anderes Land umsiedelt. Würden wir in ein Land ziehen, in dem eine andere Sprache gesprochen wird, müssten wir den Sprachkurs selbst bezahlen. Vorausgesetzt, man darf einwandern, ohne vorher die Sprache bereits gelernt zu haben.
    Auch im Christentum wird hin und wieder gefastet. Und man muss trotzdem arbeiten, obwohl es kein Fastenbrechen gibt, währenddessen man sich den Magen (über?) füllen darf.
    Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass viele Österreicher, auch Kinder und Pensionen, an der Armutsgrenze leben? Die durch das Raster fallen und keine staatliche Unterstützung bekommen?
    Und ist Ihnen klar, dass man in einem Land mit begrenzten Boden und begrenzten Kapazitäten nicht unendlich viele Leute aufnehmen kann?
    Abgesehen davon, die wirklich armen Menschen können sich eine Flucht gar nicht leisten. Wenn die gebildeten Leute flüchten, wer soll dann in deren Heimatländern etwas aufbauen? Ihrer Meinung nach bestimmt die EU, kann ich mir vorstellen. Denn uns geht es ja viel zu gut. Dass unsere Eltern und Großeltern dafür hart gearbeitet haben ist unwichtig.

  3. … Pensionisten, nicht Pensionen, heißt es natürlich.
    Wahrscheinlich heißt es jetzt, ich bin geistig minderbemittelt.

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