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„Text ohne Reiter“ kommen aus der Sommerpause geritten

Wir schreiben den 8 September 2011: 
Drei von den vier Reitern kommen angeritten, der vierte, der Prosser, weilt noch in Armenien. Fast alle sind unverletzt wieder auf der Bühne des Innsbrucker Cafés Moustache in der Badgasse angekommen.
Koschuh berichtet von einem maladen Bein, vom Joggen oder so, aber warum auch Joggen denke ich mir? Am Domplatzl vor dem Auftritt werden also geschwind Achillessehne und der Ischiasnerv diskutiert, da sich mein gelegentlicher Schmerz, im Unterschied zum Koschuhschen Schmerz, bis ins Knie verteilt, Martin Fritz meint „Ischias“, ich meine „klingt irgendwie ernst, Ischias“, daraufhin Fritz „ach früher erreichten wir noch die Zehenspitzen“, ich „konnte das früher mal“, probierte es aus und schaffte es dann doch, ohne in die Knie zu gehen, die Zehen zu berühren. Die Message dieser Geschichte. „wir werden alt, aber total verrostet sind wir noch nicht“. Während ich da so rumturne, wird auch das Schuhwerk der Slammer diskutiert, da Koschuh ja um mein Faible für Schuhfotos weiß. Der Fritz hat dandyeske Lederbrogues, der Koschuh laut Fritz „so Gesundheitsschuhe“, aus dezentem schwarzen Leder, und der Stargast (deutscher Slammeister) Patrick Salmen, aus dem Wuppertal angereist, trägt graue Converse Sneakers, Fritz: „immer ok, klassisch“. Ich trage Vans in Bergschuhoptik, aber meine Schuhe fotografiere ich heute mal nicht.
Schwuppdiwupp und ich sitze in der ersten Reihe, zoome die Spielzeugponies, die teilweise auch schon antik anmuten, heran. Die Lesebühne „Text ohne Reiter“ gibt es ja mittlerweile seit 2007, die Akteure treten schon viel länger auf.
Dann wird man gewarnt, „noch drei Minuten, dann fangen wir an“. Ich frage mich, was kann man in 3 Minuten so machen, hm? Für Vorschläge nützt doch die Kommentarbox.
Koschuh und Fritz moderieren, Koschuh gibt auch den KassettenJockey, die Kassetten hat er aus dem Nachlass seiner Großtante, feinste Schlagermusik, die diesen spätsommerlichen Abend alpenerglühen lässt. Der Salmen weiß nicht, ob er von den Musikintros entzückt oder angewidert sein soll, doch er meint so „das ist wohl die lustigste Lesebühne, die ich bis jetzt erlebt habe“. Und er macht seine Sache gut, der Salmen aus dem Wuppertal. In seinem Holzfällerhemd und „Max Herre“-T-Shirt entschleppt er das Publikum mit seiner tiefen attraktiven Bärenstimme an den Nordkap und zurück, und antwortet, wie er in einem seiner Texte meint, prinzipiell immer mit dem Satz „Ich habe eine Axt“.
Fritz spielt dann mit uns dem Publikum eine Runde Lyrik-Bingo, die Gewinnerin bekommt einen FM4-Kalender. Ich denke mir, „ja wir sind jung für immer“. Als Fritz dann aber in einem Text über ein auf ganz alt gepimptes Mobiltelefon und Dandyklamotten berichtet, kommt seine uralte Seele zum Vorschein, der Blick schweift in die mittelalterliche Badgasse vor dem Bogenfenster des Moustache. Bebrillt, mit Bart und seiner schwarzen Lederkrawatte hat der Fritz schon etwas leicht Dandyhaftes. Was heraus sticht ist sein rosa-weiß-kariertes Schweißarmband, das er, glaube ich, schon seit einem Jahrzehnt am Armgelenk trägt, ich denke mir „hm, wurde das schon oft gewaschen?“, aber bei genauerem Hinschauen hat es, wie das eine Pony, den Glanz schon ein wenig verloren, dennoch wirkt es immer noch jugendlich.
Koschuh trägt einen Text vor, der von dem dritten Mann im Bunde Stefan Abermann handelt. Es ist das Wippen des Abermann beim Texte vortragen, das in diesem Text auf die Schippe genommen wird, beim Koschuh artet es dann natürlich in sexueller Interpretation aus, aber das Publikum liebt es. Besonders dieser eine, dessen Lacher unabhängig von den Witzen der Slammer andere Lacher hervorruft.
„Und irgendwo heult der Wolf“, ein Satz, der immer wieder eingestreut wurde. Ein verspieltes, uriges ‚Text ohne Reiter’ zieht vorüber. Sie sind wieder da. Donnerstags, einmal im Monat ist es nun möglich, mit den Reitern in ihrem „Wohnzimmer“ Moustache abzuhängen:
Do 13.10. mit den PreisträgerInnen des 4. T.o.R.-Jugend-Literaturpreises
Do 10.11. mit Franziska Holzheimer (München)
Do 08.12. mit Barbara Hundegger (Innsbruck)
Und auch wenn man kein Teenager mehr ist, kann man doch wohl einmal im Monat so tun, als wäre man es noch. Und bis zum nächsten Mal machen wir uns Notizen in unseren FM4-Kalendern und dehnen uns dazu wippend im Takt.
Fotos von Christina Riot
Linkliste:



Christina Burger

3 Comments

  1.  in drei minuten kann man einiges anstellen, man kann sich erleichtern oder andere erleichtern, in die luft sehen und einfach den eigenen gedanken nachhängen. drei minuten sind fünf minuten minus zwei minuten, eine zeitspanne ohne verpflichtung, ein gedehnter augenblick ohne erwartung oder doch voller erleichterung.

  2. mein vorschlag für drei minuten: kurzmeditation.

    und zum schweißarmband ist zu sagen, dass es tatsächlich schon sehr häufig gewaschen wurde und hier mein tipp für die jungen leute da draußen, die kein wäschenetz besitzen und sich jetzt natürlich fragen, wie denn dann schweißarmbänder in der waschmaschine gewaschen werden können ohne gefressen zu werden: einfach in den reißverschlusstaschen der trainingsjacken verstauen und gefahr erkannt gefahr gebannt.

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