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Stadtteilrelikte – Die Koatlackn

Bereits im 11 Jhdt. als Eigentum der Andechsgrafen mit dem Namen „Anpruggen“ erwähnt und im 16 Jhdt. als Siedlungsgebiet bebaut, zählen die heutigen, politischen Stadtteile St.Nikolaus/Mariahilf zu den ältesten „Wohngebieten“ von Innsbruck. Im weitesten Sinne ist das nördlliche Innufer ab ca. der Holzfussgängerbrücke Hans-Psenner-Steg bis zur Universitätsbrücke gemeint; im engeren Sinne das umschlossene Gebiet der heutigen Innstraße und Riedgasse. Die Dialektbezeichnung „Koatlacken“ verdankt das Gebiet dem Umstand, dass bei Hochwasser oder starken Regenfällen sich das Wasser in diesem Gebiet sammelte bzw. nicht abfloss und eine „Lacke“ bildete – die Ableitung des Wortes „Koat“ bleibt LeserIn überlassen.

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Die Koatlacken war erstes Ballungs -und Wohngebiet für (Land)Arbeiter und andere nicht finanzkräftige, nicht bürgerliche Berufsstände und gelangte zu etwas zwielichtigem Ruf – auch aufgrund eines dort gelegenem Lepraspitals, sowie Strafarbeitslagers. Noch heute gibt es Häuser bzw. Bausubstanzen die nachweislich bis ins 15 Jhdt. zurückreichen und somit getrost zum „anderen historischen Kern“ Innsbrucks gezählt werden können, abseits der Altstadt, oder z.b. dem Schloß zu Ambras.

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Im späten 20Jhdt. wiederholte sich die Geschichte, allerdings siedelten sich nicht mehr arme Bauern und Arbeiter hier an, sondern ausländische GastarbeiterInnen. Dies bescherte der Koatlacken einige Zeit den Beinamen „Klein Istanbul“ – samt zugehörigen Problemen.

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Die Koatlack´n bietet BegeherIn ein Wechselbad aus Mittelalter, zerfallenem 19 Jhdt. und Wohnbau im neuen Stil. Unbedingt zu erwähnen bzw. einen Abstecher wert sind die Kirche St. Nikolaus und zugehöriger Friedhof, Schloß Büchsenhausen, der Bäckerbühelweg und natürlich Hans-Brenner Platz mitsamt bekanntem Brunnen. Auch die Redaktion des „20er“ (Innsbrucker Strassenzeitung), sowie noch echtes Kleinunternehmertum in bunter Facette ist hier zu finden.

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Unter dem Projektnamen „Anpruggen“ gibt es mittlerweile einige Initiativen die Koatlacken nicht dem Verfall preis zu geben, bzw. zu revitalisieren und als Stadtteil wieder zu attraktivieren. Ob die Gratwanderung zwischen Erhalt, Restaurierung und Erneuerung gelingt, wird wohl erst die Zukunft weisen. St. Nikolaus ist Hoffnungsträger und Sorgenkind zugleich, und wem Innsbruck am Herzen liegt, sollte nicht davor zurückschrecken sich in die Diskussion um die Zukunft „der Koatlackn“ einzubringen.

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 LG, Martin Kapferer

 

 

 

 

Martin Kapferer

3 Comments

  1. Immer wenn ich durch diesen Stadtteil spaziere, erlebe ich eine Art Zeitreise: Wie die Menschen wohl vor einigen Jahrhunderten Innsbruck erlebt haben? Ein Leben ohne WC oder Dusche erscheint heute fast schon menschenunwürdig, aber es gibt auch heute noch viele Menschen, die unter unglaublichen sanitären Bedingungen hausen müssen. Die Koatlackn wird heute von vielen Zuwanderern bewohnt und die werden nicht selten von den „Alt-Eingesessenen“ abgezockt …

  2. Es wird wohl nicht lange dauern, bis die übrig gebliebene historische Bausubstanz durch sterile und modern-transparente Wohnglaskästen für den von seiner Dachterrasse aus, Aperol Spritzer trinkenden bourgeoise Bohemien ersetzt wird. Schade drum.

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