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Sie betreten den obdachlosenfreien Sektor!

Nein, niemals würden die Befürworterinnen und Befürworter des „Alkoholverbots“ dies öffentlich zugeben: das sogenannte Alkoholverbot hat nur eines zum Ziel: alkoholkranke Obdachlose aus der Innenstadt zu vertreiben. Im Vier-Augen-Gespräch gibt man es zu, jüngst im Gemeinderat gab es geheuchelte Empörung, als ein solcher Vorwurf erhoben wurde …Obdachlosenfreier Sektor

Biertrinkende Obdachlose sind kein schöner Anblick. Obdachlose sind kein schöner Anblick. Drum machen wir ein Verbot, vergällen „denen“ den Aufenthalt und aus. Nein, halt: wir belegen das Mitführen geöffneter alkoholischer Getränke gleich noch mit einer Strafe von bis zu 2.000 Euro. Ha, das hättet ihr Gutmenschen euch nicht gedacht, dass wir das eiskalt durchziehen. Tja, falsch gedacht.

Selbstverständlich werden wir diverse durch die Stadt torkelnde, pöbelnde, grölende und auf die Straße kotzende Polterpartys nicht strafen. Poltern ist schließlich Kulturgut. Und den Schnaps einer Marketenderin sehen wir als Erste-Hilfe-Paket: der Alkohol ist einfach wichtig zum Desinfizieren, wenn ein Fahnenträger Dank Innsbrucker Föhn stolpert und sich das Knie aufschlägt.

Natürlich wissen wir, dass wir das „Problem“ nur auf andere Orte verlagern. Drum denken wir ja eh schon an neue Verbotszonen. Selbst, wenn wir irgendwann am Grat der Nordkette landen: wir ziehen das durch. Und hey, Koschuh, spar‘ dir deine Anführungszeichen. Wir stehen dazu. Wir haben damit ein PROBLEM. Wir wollen unseren Touristen eine makellose Kulisse bieten. Wir lassen sogar eigene Riesenplanen mit dem Goldenen Dachl anfertigen und hängen es einfach an das Baugerüst, wenn das Dachl mal renoviert wird. Eigentlich auch ein probates Mittel für das Obdachlosenproblem. Einfach eine Plane vor jeden herum lungernden Obdachlosen mit Bergiselschanze oder Dachl drauf. Wow, was für eine Idee.

An echten Lösungen sind wir nicht interessiert. Verbote sind in und hip, die Leute lechzen doch gerade danach, vorgesagt zu bekommen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Klar könnten wir auch anders. Aber was das wieder kostet. Vor allem Zeit. Was sind schon ein paar Obdachlose gegen diese viele Zeit.

Markus Koschuh

One Comment

  1. Offener Brief: Wir lassen unsere Stadt nicht sterben – Für das Ende der Verbotspolitik
    Werte Frau Bürgermeisterin!
    Liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte!
    Ich möchte ihnen mit diesem Musikvideo (Diese Stadt – Christoph & Lollo) die Augen öffnen. Spätestens nach der gestrigen Gemeinderatssitzung und der Zustimmung zum Alkoholverbot in der Innsbrucker Innenstadt ist klar: Nicht „Für Innsbruck“ sondern für „Für Tourismus“ wird hier Politik gemacht.
    Dass es dem Reiseunternehmer Federspiel zu Gute kommt, wenn die Stadt für TouristInnen gesäubert wird, liegt auf der Hand. Das Sie sich als Innsbrucker Gemeinderäte und Gemeinderätinnen mit ihrer Stimme dafür hergeben und damit nicht nur die touristische Interessen klar über die Interessen der InnsbruckerInnen stellen, sondern sich auch zu einer sozialen Ausgrenzungspolitik bekennen, die diskriminiert, verhetzt und, nicht zuletzt, soziale Spannungen verschärft anstatt sie zu bekämpfen ist verwerflich und bedenklich zugleich.
    Dabei geht es nicht um die aktuelle Entscheidung, sondern – noch viel mehr – um die Entwicklung der vergangenen Monate und Jahre in Innsbruck. Denn was kommt als nächstes? Wird nach dem Alkoholverbot nun auch das Bettelverbot durchgedrückt und stehen dann auch die Festlegung von Ausgehzeiten, eine Nachtruhe für die in Innsbruck lebenden Menschen oder ein Verhaltenskodex auf dem politischen Programm, damit das Stadtbild auch ganz sicher den Fotos und Beschreibungen der Reiseanbieter entspricht?
    Das alles ist äußerst bedenklich. Bedenklich, weil jede Stadt von ihren Menschen lebt, davon, dass Freiräume ausgefüllt werden, Individualität sich entfalten kann und kollektiv gegen soziale Probleme vorgegangen wird – kurz: davon, dass Menschen in der Stadt leben.
    Mit Ihrer Verbotspolitik liebe Bürgermeisterin, liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, bewirken sie das Gegenteil. Sie unterbinden all das, was Innsbruck zu dem macht was es ist – eine bunte, lebendige und offene Stadt. Das ist traurig und macht Innsbruck unattraktiv. Nicht nur für uns, sondern auch für den Tourismus, den sie glauben zu schützen – denn tote Städte interessieren niemanden.
    Mit bedenklichen Grüßen,
    Manuel Unterkircher
    Vorsitzender der Jungen Generation Innsbruck

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