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Politik: Was ist da los?

Fast die gesamte Kärntner Führungsriege schafft sich politisch sowie moralisch ab, steht mithin nicht nur mit einem Bein im Kriminal – trotzdem klammert sie sich mit Zähnen und Klauen an das Amt. Der "tiefe" Süden mag sich zwar in dieser Hinsicht besonders "auszeichnen", der Affärenteppich legt sich aber über ganz Österreich und beinahe alle Parteien.

 

Die ÖVP stolpert von Rücktritt zu Rücktritt und lässt im Übrigen Fettnäpfchen (etwa hier oder da) oder "schiefe Optiken" (zuletzt da) zielsicher nicht aus. Immerhin zeigt sie hinsichtlich der Rücktritte – angesichts der österreichischen Sesselkleber-Kultur beinahe erstaunlich – gelegentlich Konsequenz. Die FPÖ kann sich ebenso wenig wie die ÖVP und das BZÖ von den Affären der Schüssel-Ära abgrenzen und produziert noch dazu laufend weitere negative Schlagzeilgen (s nur hier oder hier). Die SPÖ hat auch ihre eigenen (wiederum mutmaßlichen) Leichen im Keller und agiert mithin unglaublich ungeschickt. In die Telekom-Affäre sind sodann beinahe alle genannten Parteien in der ein oder anderen Weise (wenn auch nur weitläufig) involviert.

 

Die Grünen? Stagnieren, sind aber wohl derzeit die “sauberste” Partei. Ach ja und die Tiroler Piraten: Die hatten bisher noch keine echte Gelegenheit zur Affäre – wenn man davon absieht, dass sie sich gleich nach ihrem Erfolg bei den Innsbrucker Gemeinderatswahlen in der hohen Kunst der internen Querele (oder besser: “Meuterei”) üben.

 

Schon dieser keineswegs vollständige Querschnitt wirft die Frage auf: Was ist da los? Kaum jemand kann mehr die Skandale und Skandälchen, die allein die heimische Politik in wirtschaftlich (Staatsschulden- und Klimakrise!) zutiefst unruhigen Zeiten produziert, überblicken. Dem Beobachter drängt sich ein äußerst negatives Bild des durchschnittlichen Typus Politiker auf: Eigennützig, aalglatt, wenig Unrechtsbewußtsein und noch weniger moralischer Anspruch an sich selbst, karrierebewusst, wehleidig, nicht unbedingt übermäßig intelligent und gebildet, aber bauernschlau, souverän in der Form, schwach im Inhalt, aber manchmal durchaus charismatisch. Nicht das Gemeinwohl, sondern eigener Profit (Macht, Geld) stehen bei ihm im Vordergrund.
 
Doch diesen Typus zu verallgemeinern, würde der Mehrheit jener, die sich politisch redlich engagieren Unrecht tun. Man kann sich aber durchaus die Frage stellen, wie es dazu gekommen ist, dass dieser negative Typus Politiker in den letzten Jahren scheinbar auf dem Vormarsch war. Dafür gibt es viele und wohl keine einzige wahre Antwort: Ein nicht zu vernachlässigender Grund ist, dass jene Verhaltensweisen, die heute als korrupt gelten, in der Politik oft weit verbreitete und vom Wähler mithin gutierte Praxis waren und manchmal noch sind (Stichwort: Parteibuchwirtschaft; Interventionitis). Die Medien, nicht zuletzt auch private Initiativen, die Parlamente (insb der jetzige Korruptionsuntersuchungsausschuss), die Rechnungshöfe und die bislang viel gescholtene Justiz (nicht zuletzt wegen der neuen Korruptionsanwaltschaft) legen diese Machenschaften immer öfter und durchaus mit Konsequenzen für die Betroffenen offen. Die rechtlichen, gesellschaftlichen und technischen Strukturen (Internet!) innerhalb derer sich Politik bewegt, haben sich in den letzten Jahren drastisch geändert: Was gestern noch “ging”, weil es vielleicht nicht einmal an die Öffentlichkeit kam, das geht heute in vielen Fällen nicht mehr. Das Argument, “die da oben richtens sich eh immer” stimmt nur mehr äußerst bedingt. Eine derartige Verschiebung der Tektonik der Politik bringt dabei zwangsläufig Reibungen (Skandale) hervor.
 
Es ist also auch eine optimistische Betrachtung der beschriebenen Vorgänge möglich. Nicht zuletzt auch deswegen, weil es heute viel einfacher ist, sich politisch zu engagieren – so wird die Parteienlandschaft vielfältiger, ermöglicht das Internet neue Beteiligungsformen (zB Blogs, Kommentare, online-Petitionen) und entstehen neue Bewegungen außerhalb traditioneller politischer Parteien (zB Occupy-Bewegung). Letztere liefert auch das Stichwort: Es ist notwendig, dass die Bevölkerung die aufgerissenen öffentlichen bzw politischen Räume auch in Zukunft besetzt hält und nutzt: Sei es durch die genannten Beteiligungsformen oder ganz traditionell, aber immer noch am effektivsten: An der Wahlurne.
 

 

 

Thomas Müller

4 Comments

  1.  

    Die politische Kultur ist in Österreich auf einem weiteren Tiefstand gelandet, die Grasserisierung und Verstrasserung von Schnitzelland ist in vollem Gange. Es wäre für jede Banane eine Beleidigung, mit dieser Republik in Zusammenhang gebracht zu werden. Und einmal mehr gilt: Das herrschende Recht ist das Recht der Herrschenden – wie lange wollen wir uns diese Bereicherung weniger auf Kosten vieler (und nicht zuletzt des Rechtsstaats)  noch gefallen lassen?

     

  2. guter beitrag! auch wenn der gang zur wahlurne für mich längst nicht zum effektivsten mittel politischer beteiligung zählt…

  3. Sehr lesenswerte, allerdings kann ich dem Artikel nicht  in allen Punkten zustimmen. Es stimmt zwar, dass Skandale heute (z.B. durch das Internet und die gestiegene Mediendichte) eher ans Licht kommen. Aber Konsequenzen ziehen nur die wenigsten Politiker. Da ist man in Deutschland viel weiter, wie die Fälle Guttenberg und Wulff – letzterer trat schon zurück, als die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ankündigte – belegen.

     

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