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Pfingstliches profan

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Ein Mann hatte neulich während eines Sterbegottesdienstes für eine Verwandte seelenruhig die Zeitung aufgeschlagen und darin zu lesen begonnen. Das, weil er von der Kirche nichts hielt, und wohl auch wenig von der eben verstorbenen Verwandten, die ihm nichts hinterlassen hatte. So also hatte ihm die Verstorbene nichts bedeutet. So wie ihm am Ende nichts etwas bedeutete. Danach ging der Mann in die Bar und trank einen Whisky, einen Whisky pour, und nur mit Eis. Und danach noch ein Bier. Dann ging er nach Hause und schlief sich aus.

Die Frau am Handy hatte auf ihrem Handyanrufbeantworter, der übrigens nie eine Antwort gab, mit einer sehr traurigen Stimme eine Botschaft folgenden Inhalts gesprochen: „… Das ist der Anrufbeantworter von Frau Berghuber, wenn sie mir eine Nachricht hinterlassen wollen, dann sprechen Sie bitte jetzt!“ Dabei klang die Stimme von Frau Berghuber so, als hätte sie vor kurzem erst ihre ganzen Angehörigen verloren oder sonst wäre ihr etwas sehr Schlimmes zugestoßen. So dass sicher viele Anruferinnen und Anrufer dachten, „mit der mach ich nichts aus. Ganz sicher nicht! Oder ist die vielleicht  schon gestorben, liegt bereits tot über dem Küchentisch gebeugt?“

Das Licht aber sollte nur strahlen und Lichtteilchen – Photonen – ganz unsagbar schnell zerstäuben, so dass es eben am Ende aussieht wie Licht. Oder dass da eben Licht ist, wo es vorher dunkel war. Das Licht sollte stieben. So wie die Schneeflocken im leeren Raum dasselbe tun und so eine Metapher für Unendlichkeit abgeben. An dieser Dunkelheit aber war nichts mehr. Es gab nur mehr Gespräche ohne Bedeutung!

Der Tod aber war irgendwie auch da. Und die Hoffnung zumindest darauf, dass der Todeskampf nicht zu unernst war. Die Frau aber legte ihre Hände offen auf die Theke und sagte dazu „schwierig“. Es war wie eine religiöse Geste und war am Ende doch keine.

Zu den ihn einladenden sagte H. „Nein, ich komme nicht zum Treffen, damit ihr jemanden habt, über den ihr schimpfen könnt.“ Weil er wusste, dass alle zum Treffen kamen, und also nur er nicht. Also war H. der einzige Abwesende.

Er betrat die Bäckerei, und um die Brottheke tummelten sich so viele Fliegen, dass er von den Broten kaum mehr etwas sehen konnte. Die asiatisch aussehende wunderschöne Verkäuferin sagte nur, sie könne auch nichts machen. Dabei blickte er der Verkäuferin tief in die Augen und entlockte ihr so ein Lächeln. Worauf er ihre Hand ergriff und diese küsste, ehe er ohne etwas zu kaufen das Geschäft wieder verließ.

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Helmut Schiestl

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