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Nur Gesichter?

Eine schöne und beeindruckende Ausstellung gibt es derzeit (noch bis 28. August) im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zu sehen. Nur Gesichter? Porträts der Renaissance heißt sie und hat die Werke einiger wirklich hochkarätiger Künstler und Künstlerinnen in den Wechselausstellungsräumen des Museums versammelt. Es sind alles Porträts meist adeliger aber auch bürgerlicher Menschen, die sich auf diese Weise „verewigen“ wollten. Was heute ein Selfie ist, das schnell gemacht ist und dann in die neuen Sozialen Medien geschickt wird, war damals noch der Auftrag an einen Künstler oder – in allerdings nur seltenen Fällen – eine Künstlerin, der dann wohl wochenlange Sitzungen zur Folge gehabt hatte.

War es nur Eitelkeit, die die Porträtierten bewegte, sich möglichst gut ins Bild zu setzen oder war oft auch Ironie dabei, so wenn sich etwa ein Mitvierziger einmal mit Bart und einmal ohne darstellen ließ. Auch wenn viele Künstlernamen dem kunstgeschichtlich nicht gebildeten Laien nicht  viel sagen, so mindert das in keinster Weise die Schönheit und Aussagekraft der Bilder. Oft thematisieren diese das Memento-mori-Motiv, so wenn etwa der Porträtierte einmal so wie er zum Zeitpunkt der Anfertigung des Bildes aussah und dann als alter Greis oder gar mit einem Totenschädel gezeigt wird.

Dieses Motiv findet sich freilich eher bei kirchlichen Würdenträgern aber nicht nur dort, so etwa im Doppelporträt eines bürgerlichen Paares von Laux Furtenagel, denen zwei Totenköpfe aus dem Spiegel entgegengrinsen. Manche Kinderporträts erscheinen aufgrund der Kleidung – es gab zu dieser Zeit ja noch keine Kinderkleidung, wie wir sie heute kennen – schon als Erwachsene, wenn sie etwa in Herrscherkostüm dargestellt sind. Etwa im Porträt des noch kindlichen Erzherzog Johann von Jakob Seisenegger – wohl nicht zu verwechseln mit dem steirischen Erzherzog gleichen Namens, der ja erst viel später gelebt hat! Oder ebenso im Gruppenbildnis „Die Töchter König Ferdinands“ des gleichen Malers. Vielleicht eine gute Gelegenheit, sich (wieder) mal Philipp Aries‘ Geschichte der Kindheit zur Hand zu nehmen und darin über frühere Kindheiten zu lesen.

Wie diese Ausstellung überhaupt zum Lesen und sich informieren über diese Zeit anregt. Wenn auch die Accessoires , die Kleidung und die Darstellungsmittel andere gewesen sein mögen wie wir sie heute verwenden, so ist doch der Eros und die Psychologie in den Porträtierten immer noch von jener Conditio humana, die es uns erlaubt, uns in sie hineinzuversetzen und uns vielleicht auch mit der einen oder dem anderen der Dargestellten zu identifizieren, wozu nicht zuletzt vielleicht auch die Art der Präsentation der Bilder beitragen mag,  hängen diese doch nicht an den Wänden, wie das sonst bei Ausstellungen üblich ist, sondern  befinden sich auf Konsolen in den Ausstellungsräumen verteilt, so dass wir als  Betrachter/innen ihnen direkt auf Augenhöhe gegenüberstehen können und somit  eintauchen können  in ihre Welt. Das macht die Ausstellung so lebensecht.

„Wenn einer den Spielern die Masken abreißen wollte, um den Zuschauern ihre wahren Gesichter zu enthüllen, stellte er nicht das ganze Stück auf den Kopf?“ fragte etwa der berühmte Erasmus von Rotterdam in seiner Satire Lob der Torheit.  Ja, es ist ein Spiel mit Masken, so wie wir es heute noch immer gerne spielen, wenn wir betrachtet oder beobachtet werden und noch mehr wenn wir uns in den heutigen Medien präsentieren.

Noch bis 28. August!

Zum Nachlesen und Nachblättern ist auch der sehr schön und informativ gestaltete Katalog, der äußerst günstig an der Museumskasse zu erstehen ist

Fotos: Tiroler Landesmuseum (Hans Malerf: Anton Fugger, um 1525 und Jakob Seisenegger (?): Bildnis eines Geschwisterpaares, Fuggerkinder; 1540/41)

Helmut Schiestl

One Comment

  1. Man könnte überdies die kuriose Aneinanderreihung und Inszenierung der Objekte und Besucher in Relation zu den Kunstwerken erwähnen wie auch den amüsanten „Schminkraum“.

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