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Letzter Auftritt einer großen Königin

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Wie wahrscheinlich den meisten bekannt sein dürfte, sind die Tage der Innsbrucker Stadtsäle gezählt. Ab Herbst werden dort die Bagger auffahren und dem neuen, in letzter Zeit vielleicht etwas lieblos behandelten aber sich doch recht schön in das Stadtbild einfügenden Gebäudetrakt, bestehend aus Kammerspielen, Stadtcafé und eben den Stadtsälen ein jähes Ende bereiten.

Man kann hoffen, dass sich der Neubau des Hauses der Musik einen ebenso schönen Akzent in das Ensemble des Landestheaters und der gegenüberliegenden Hofburg bilden kann.

Erbaut wurde der Gebäudekomplex von Franz Baumann, einem bekannten Innsbrucker Architekten, der zum Beispiel auch die Stationen der Nordkettenbahn, die Universitätsbrücke oder die Hauptschule Hötting geplant hat. Da der alte Stadtsaal durch Bomben des Zweiten Weltkrieges zerstört worden war und an einen Wiederaufbau nicht mehr gedacht werden konnte, musste ein neuer Saal errichtet werden, Der Neubau war daher für die verschiedenen Veranstaltungsangebote einer Stadt wie Innsbruck vielseitig verwendbar, mit einem angeschlossenen Restaurant, dem Stadtcafé und hat sicher in den sechzig Jahren seines Bestehens gute Dienste geleistet.

Und ich denke, dass sich noch viele ältere Innsbruckerinnen und Innsbrucker mit Wehmut dran erinnern werden, hier in den Zeiten, als es noch keinen Congress gab und auch sonst das Veranstaltungsangebot der Stadt im Vergleich zu heute  noch sehr bescheiden war, ihre ersten Konzerte, sei es nun klassische oder U-Musik genossen,  bei den diversen Schul- und Debütantenbällen das Tanzbein geschwungen zu haben oder auch spannenden Vorträgen und Diskussionen gelauscht zu haben.

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Kurz und gut: Am Sonntag, den 22. März, um 11 Uhr gibt es noch mal Gelegenheit, den Saal bei einer Konzertaufführung in seinem Fünfzigerjahre-Outfit zu genießen und dabei vielleicht auch ein wenig Nostalgie zu betreiben.

Das Orchester der Akademie St. Blasius unter der Leitung von Karl-Heinz Siessl spielt ein sicher interessantes Programm. Einmal wird Jan Sibelius anlässlich seines hundertfünfzigsten Geburtstages mit der Aufführung seiner dritten Sinfonie gewürdigt, Der Tiroler Komponist Franz Bauer steuert sein 2002 uraufgeführtes Orgelkonzert bei, das anlässlich des bevorstehenden Abbaues der Stadtsaalorgel hier noch mal erklingt.

Solist ist Michael Schöch, ein hervorragender Pianist und Organist, der in letzter Zeit immer wieder auch Tirol zu hören war. Erst gestern etwa im Rahmen des Osterfestivals der Galerie St,. Barbara in Hall. Michael Schöch ist auch Solist des zweiten Klavierkonzertes von Dimitri Schostakowitsch, das dann den Schluss der um 11 Uhr beginnenden Matinee bilden wird. Man darf also gespannt sein.

Die Stadtsaalorgel ist ja in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Ende der Stadtsäle vermehrt ins Gerede gekommen. Wurde sie in den letzten Jahren j kaum mehr gespielt, da die großen Orchesterkonzerte alle im Congress und die Orgelkonzerte meistens in den vielen Innsbrucker Kirchen, die ja alle über gute Instrumente verfügen, stattfinden. Jetzt ging oder geht es darum, die Orgel, die offenbar im neuen Haus der Musik keine Verwendung mehr finden kann, loszuwerden.

Es gab Gerüchte, sie nach St. Petersburg zu verkaufen oder sie notfalls auch zu verschenken. Ja man könnte sie vielleicht zu einem Schnäppchenpreis erwerben, so man nur über ein genügend großes Wohnzimmer dafür verfügt. Immerhin zählt die Orgel ja zu den größten Saalorgeln in Österreich, ist eine Schleifladenorgel, und wurde von der Deutschen Orgelbaufirma Gebrüder Walker in den Jahren 1955 errichtet. Der bekannte Organist Michael König hatte sie in seiner äußerst interessanten Reihe Orgel des Monats im Jänner dieses Jahres vorgestellt.

Ja, es ist zu hoffen, dass diese Königin doch noch einen guten Platz findet, vielleicht erklingt sie eines Tages ja wirklich in St. Petersburg, und erfüllt dort die Herzen der ihr Zuhörenden mit ihrem schönen Klang.

 

Orgelfoto: Michael König

Helmut Schiestl

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