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Innsbruck, Mutter aus Stein

Obdachlosenfreier Sektor

Heute bin ich wie fast jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Gleich in der Früh meine Dosis Lokalpatriotismus – wir haben’s schon sehr schön. Innsbruck blüht auf, wird immer bunter und an jeder zweiten Ecke entstehen neue Geschäfte und luxuriöse Wohnungen.

So weit, so gut: Innsbruck ist meine Heimatstadt und ich l(i)ebe sie. Von der Lebensqualität hierzulande träumen weltweit wohl etwa 99 Prozent: Stadt und Natur in einer einzigartigen Symbiose, kurze Wege, zugleich große kulturelle Vielfalt. Aus dem Wasserhahn sprudelt köstliches Alpenquellwasser – wie geht es uns gut!

Gut geht es allen, die sich Innsbruck leisten können: Die Mieten sind österreichweit im Spitzenfeld wie auch alle sonstigen Preise: Ein Schnitzel für 14 Euro, Bier 3,40 – was kostet die Welt? Die Welt kommt eh zu Besuch oder lässt sich hier gleich nieder: Innsbruck ist in den letzten Jahren bunter geworden und dadurch gleich noch schöner.

Das Alkoholverbot in Innsbrucks Pracht- und Konsumstraße gilt für Sandler und ihr Dosenbier sowie Student(inn)en, die sich eine Flasche Wein teilen. Im Gastgarten gleich daneben lässt es sich gemütlich volllaufen – Freiheit ist eben eine Preisfrage.

Jetzt haben die schwarzen Mander und ihre Meisterin auch noch das Betteln in Innsbruck verboten: Nicht unbeschränkt, das dürfen sie (noch?) nicht, aber während der Oster- und Weihnachtsmärkte. Ich bin nur ein Heide, wurde allerdings katholisch erzogen. Ohne Scheinheiligkeit würde mich interessieren, wie Jesus darüber denken würde, wenn eine so wohlhabende Stadt es verbietet, am Boden zu kauern und um ein paar Cent oder Brot zu betteln.

Innsbruck, manchmal graust mir vor dir.

Andreas Wiesinger

4 Comments

  1. Immerhin haben inzwischen auch die „gemäßigt Konservativen“ erkannt, dass Stadt aus sehr viel mehr besteht als aus dem, was man TouristInnen präsentieren kann. Dass dieser Unsinn mit dem temporären Bettelverbot dennoch durchgebracht werden konnte, zeigt vor allem, dass die Oldschool-Provinzkonservativen leider immer noch nicht ganz ausgestorben sind. Ich sehe es als ihr letztes Aufbäumen.

  2. Mich würde hier vor allem interessieren, wie es die Grünen auf Dauer in der Koalition mit COP aushalten können. Ich habe ja durchaus Verständnis für die Unterstützung von FI gegen die Truppe um Platzgummer 2012, aber wenn man sich die Bilanz der letzten Jahre ansieht, dann ist die grüne Handschrift in diesem Gemeinderat entweder sehr schwach, oder aber die grüne Handschrift besteht um wegducken. Wie kann es denn bitte sein, dass unter einer grünen Vizebürgermeisterin das Fahrradverbot in der Maria-Theresien-Straße durchgewunken wird, anschließend das Alkoholverbot und jetzt auch noch ein temporäres Bettelverbot? (Von der Rolle der SPÖ will ich hier gar nicht erst reden.) Eigentlich wären diese drei Gesetze drei gute Gründe für die Grünen, Konsequenzen zu ziehen und nicht weiter für COP das liberale Feigenblättchen zu spielen. Wenn die Bürgermeisterin lieber auf Rudi Federspiel hört, dann soll sie doch mit der FPÖ koalieren.

  3. Dass Konservative Innsbrucker_innen ein Bettelverbot wollen ist nicht weiter verwunderlich. Das Vogel-Strauß-Prinzip gehört bei dieser Gruppe von Menschen zum täglichen Leben. Wenn keine Bettler_innen herumhocken geht’s allen gut und so. Und man wird nicht von Armut gestört.

    Was mich stört ist das unterschwellig mit den Verboten transportierte „wer nicht arbeitet soll auch nicht essen“. Und von dieser Ideologie aus ist es nur ein Katzensprung zu Zwangsmaßnahmen, Arbeitslagern u.ä.

    Als ausgesprochenes Mitglied der ‚Zielgruppe‘ für nahezu alle Bettler_innen in Innsbruck (lange Haare, Bart) reden mich immer wieder Bettler_innen an. Was ist denn dabei, mehrere 50 C Stücke dabei zu haben und sie diesen Menschen zu geben? Ich hab übrigens ‚meinen‘ ganz speziellen Bettler, der jedes Mal etwas kriegt wenn ich ihn sehe.

    Ich denke, wir könnten einmal darüber nachdenken, ‚Patenschaften‘ für Bettler_innen zu übernehmen. (Sofern es so was nicht eh schon gibt, ich weiß es nicht.) Was ich damit meine: wenn alle, die diesen Menschen irgendwie helfen möchten einen oder zwei Bettler_innen für einen Monat lang ‚auswählen‘, denen sie jedes Mal, wenn sie sie treffen eine Kleinigkeit zukommen lassen. Im Folgemonat wählen die Helfer_innen andere Bettler_innen. Und so weiter.

  4. Innsbruck sollte die Koalition abschaffen – wozu eine Koalition, wenn sich die Frau Bürgermeisterin eh ihre Mehrheiten sichert, wie es ihr in den Kram paßt.
    Daß jegliche Form eines Bettelverbots eine Beschneidung der Menschenrechte darstellt, das muß man klar festhalten.

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