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Innsbruck, deine Plätze … Platz in der Jahnstraße

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Zwar kein richtiger Platz, der sich da am östlichen Ende der Jahnstraße auftut, eine kleine Parkanlage mit Bänken und einem Brunnen, umgeben von hübschen Fassaden aus der Gründerzeit, so präsentiert sich der kleine aber feine Innsbrucker Stadtteil Dreiheiligen, der bei vielen Jüngeren vielleicht erst wieder durch das  Kulturzentrum Die Bäckerei ins Bewusstsein zurückgekehrt ist.

Vom Stadtzentrum abgetrennt durch die Viaduktbögen, auf denen nun schon über hundert Jahren die Züge der Westbahn fahren, und andererseits durch die Sill, die die Stadtteile Wilten und eben Dreiheiligen von Pradl trennt, hat sich diese ehemalige Vorstadt entwickelt. Früher war es die sogenannte Kohlstadt, ein Gewerbegebiet, bestehend aus Mühlen, Schmieden und eben Köhlereien, das waren ehemals Betriebe, in denen Holzkohle hergestellt wurde. Auch eine landesfürstliche Schmelzhütte zählte Dreiheiligen mal zu seinen Produktionsstätten.

Also das Industrieviertel oder die Industriezone  Innsbrucks, von anno dazumal, wie man heute sagen würde, von dem aber heute nicht mehr viel oder eigentlich gar nichts mehr zu sehen ist. Die Kleinindustrie ist ja auch  hier wie vielen anderen Orten auch verschwunden oder an den Stadtrand gezogen: Selbst die TIROLER TAGESZEITUNG hat ihren Betriebsstandort aus dem ehemaligen Schlachthof in ihr neues „Headquarter“ in die Brunecker Straße verlagert.

So ist Dreiheiligen, dessen Namen übrigens auf die drei Pestpatrone, Sebastian, Primin und Rochus, denen die schöne erst kürzlich renovierte Pfarrkirche geweiht ist, zurückgeht, zu einem schicken Wohnviertel geworden. Mit „Wohnen an der Sill“, oder dem „Kohlstattturm“ – siehe weiter unten! – hat hier wohl eine kleine Gentrifzierung vollzogen, aber auch in den alten schönen Gründerzeithäusern lässt es sich wohl behaglich leben und wohnen.

Was nun unseren diesmaligen Platz auszeichnet, so ist dieser ja zwar ohne Namen, da lediglich Teil der Jahnstraße, welche ihren Namen dem  als Begründer der Deutschen Turnbewegung, kurz als „Turnvater Jahn“ bekannten Friedrich Ludwig Jahn benannt. Der von Bildhauer Erich Keber gestaltete Brunnen ist in seiner Ausführung ein wenig ungewöhnlich, besteht er doch aus lauter Steinen verschiedenster Form, die aus verschiedenen Städten stammen, und Geschenke der mit dem Innsbrucker Turnverein befreundeten Vereine sind.

Also eine Art Freundschaftsbrunnen, könnte man sagen. Und auch wenn sein Namensträger historisch doch etwas belastet ist, ein Umstand dem auch durch ein zusätzlich angebrachtes Straßenschild Rechnung getragen wurde, so strahlt dieser Ort doch Ruhe aus und vermittelt eben durch das Fehlen von patriotischen oder sonstigen zweifelhaften in Stein gemeißelten Aussagen kein provokantes Geschichtsbild. Es war wohl schon damals – der Brunnen stammt aus dem Jahr 1972 – nicht mehr die Zeit, die durch ein Denkmal zu ehrenden, durch ein solches darzustellen, sondern eher eine andere – weniger problematische künstlerische Lösung zu finden, und diesen durch die Symbolik eines wenn schon nicht völkerverbindenden so doch wenigstens „Städteverbindenden Gedanken zu ehren..

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Wenn wir uns nun an diesem „Platz“ ein bisschen umsehen, dann entdecken wir Richtung Osten das Innsbrucker Zeughaus, ein gotischer Bau aus der Zeit Kaiser Maximilians Es wurde in den Jahren 1500 bis 1505 erbaut und diente , wie sein Name schon sagt, früher als Depot für die Waffen des Heeres, vor allem für Geschütze, die im benachbarten Mühlau in der dortigen Messinghütte gegossen wurden. Was heute kaum mehr vorstellbar ist, aber Tirol war im 16 Jahrhundert auch ein wichtiger Standort für die Waffenproduktion, bedingt durch die vielen Silber- und Kupfererzvorkommen und eben auch durch die kriegerischen Auseinandersetzungen der damaligen Reiche.

Und es wurden ja ständig Kriege geführt, was sich ja auch darin ausdrückt, dass das Zeughaus bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als Kaserne gedient hat, ehe es 1973 von Robert Schuler, dem Architekten des Erler Passionsspielhauses, zu einem Landeskundlichen Museum umgestaltet wurde. Vielen ist das Zeughaus heute vielleicht nur noch als Areal für das alljährlich im August stattfindende Open-Air-Kino im Zeughaus in Erinnerung. Aber ein Besuch des Gebäudes und seiner Sammlungen, die über die naturräumliche und wirtschaftskundliche Verfasstheit des Landes Auskunft geben sowie der dort auch immer wieder liebevoll und spannend gemachten Wechselausstellungen zu verschiedenen Tiroler Themen, lohnt sich! Zurzeit geht es etwa gerade im die „Vernetzung in der Natur“.

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Wenn wir die Jahnstraße ein Stück Richtung Zeughaus zurückgehen, sehen wir auf einem Hochhaus, in dem sich das das  Busunternehmens Rindfleisch befindet, ein lustiges Fresko von  Friedl Auer-Miehle. Ein schon etwas älteres Auto kämpft sich da mühsam einen Berg hinan, während seltsame Tentakel nach oben greifen, so wohl die Zukunft der Reiseindustrie symbolisierend  Auch sonst lassen sich noch einige kleine Fassadenelemente in diesem Viertel entdecken. Mosaike, kleine Fresken und Bilder, wie wir sie aus früheren Zeiten her auch aus anderen Gegenden Innsbrucks kennen.

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Auch die letzten Jahrzehnte haben noch das eine und andere Zeichen gesetzt, So sticht etwa das Haus Zeughausgasse 9 am Ende dieser Gasse  hervor, dessen Fassade mit schöner steinerner Verzierung versehen ist. Eine kleine Reverenz an den Jugend- und Gründerzeitstil, wie er weiter westlich noch zum Glück erhalten geblieben ist..

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Auch ein Beispiel gelungener moderner, wenngleich für viele sicher auch provokanter, Architektur ist der ebenfalls in der Jahnstraße errichtete Kohlstadtturm. Dieser ist ein markantes Zeichen in einer reizvollen Stadtlandschaft. Ein aus ungewöhnlichen Bauelementen wie etwa Plexiglas zusammengesetztes Wohn- und Geschäftshaus, das den Vergleich mit seiner Umgebung nicht zu scheuen braucht. Geplant vom bekannten Tiroler Architekten Peter Lorenz, zählt dieser 1996 errichtete Bau wohl zu den schrägsten und vielleicht auch provokantesten Bauten in Innsbruck.

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Vieles ließe sich noch über diesen geruhsamen Stadtteil schreiben und erkunden. Etwa über die immer noch einen Dornröschenschlaf dämmernde Siebenkapellenkirche, über deren zukünftige Verwendung wohl immer noch herumgetüftelt wird. Ob etwa als Kulturzentrum oder wieder als Kirche oder sonst ein Ort der Begegnung. Der Bau wurde ja  immerhin von Johann Martin Gumpp errichtet.

Und seine Schönheit lässt sich ja heute noch an seiner Fassade erahnen. Oder über die in den achtziger Jahren abgerissene Rhombergvilla, die einem Neubau der Gebietskrankenkasse weichen musste und zu deren Rettung noch einige Bemühungen des Denkmalamtes unternommen wurden, wie ich bei meinen Recherchen lesen konnte. Vielleicht weiß jemand noch Genaueres darüber.

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Und noch eine erwähnenswerte baugeschichtliche Eigenheit kann man über diesen Stadtteil berichten: Fast alle sein bauliches Erscheinungsbild prägenden Gründerzeithäuser sind von einer Baumeisterfamilie, nämlich Vater Jakob und Sohn Anton Norer  geplant worden. Jakob Norer hatte schließlich eine Baufirma gegründet die dann sein Sohn Anton weitergeführt hat, der auch Gemeinderat in Innsbruck war. Und so haben diese beiden dem Stadtteil  Dreiheiligen wohl ihren Stempel aufgedrückt. Und sie haben ihre  Sache nicht schlecht gemacht. Wie man sich noch heute überzeugen kann.

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. Na ja, auf dem Brunnen findet sich unter anderem die Losung des Deutschen Turnerbundes „frisch, fromm, fröhlich, frei“ – die vier F stehen unter anderem für völkischen Körperkult und antisemitische Hetze.

    Dreiheiligen ist aber ein nettes Grätzel – überhaupt ist Innsbruck ein ziemlich abwechslungsreiches Städtchen mit vielen interessanten Ecken und entdeckungswürdigen Örtlichkeiten.

  2. Ich finde, dass Geschichte auch nunmehr als negativ befundene Artefakte, bzw Inschriften, transportieren soll und muss. Das Gegenbeispiel liefern uns derzeit die Aktionen der Daesh. Fromm, als Wort und Bedeutung, ist schon langst über den Hügel gegangen, wogegen frisch, fröhlich und frei jeder Sportlernatur spätestens nach 3 km ins leicht orgiastische Gesicht geschrieben steht………und hetzen lassen wir uns einfach nicht mehr, wir genießen!

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