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Innsbruck, deine Plätze … Platz im Herzen der Stadt

 

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Wenngleich der Platz vor dem Goldenen Dachl kein eigentlicher Platz ist, zumindest trägt er keinen Namen, sondern ist einfach die Herzog-Friedrich-Straße, die hier vom Westen kommend einen Knicks nach Süden macht, sollte er doch in unserer Platzkolumne Eingang finden. Benannt nach Herzog Friedrich mit der leeren Tasche, von dem weiter unten noch die Rede sein wird, wir dieser „Stadtplatz“ von manchen vielleicht zu den schönsten Plätzen Innsbrucks gezählt , was ja auch nicht von Ungefähr kommt, erhebt sich vor ihm das doch Goldenen Dachl, das ja neben der Hofkirche das markanteste Wahrzeichen Innsbrucks und Highlight eines jeden Innsbruckbesuches ist.

Interessanterweise kann ich mich an meine erste Begegnung mit dem Goldenen Dachl gar nicht mehr erinnern. Nur daran, dass ich mit meinen Eltern einmal in den frühen sechziger Jahren mit der damals noch existierenden Straßenbahn, der legendären „4’er“, von Hall nach Innsbruck gefahren bin und diese mir Innsbruck gezeigt haben. Wahrscheinlich eben auch das Goldene Dachl. Es hat mich da gar nicht so beeindruckt, vielleicht eher die sogenannten „schwarzen Mander“ in der Hofkirche. Auch daran kann ich mich nicht mehr richtig erinnern, nicht mehr im Detail. Gut, ist ja auch schon eine ziemlich lange Zeit her. Und vielleicht haben mich damals doch die vielen Spielzeugautos und die Spielzeugeisenbahn im Spielwarengeschäft Heidegger mehr gefesselt und fasziniert als diese berühmten Kunstwerke.

Egal. Das Goldene Dachl ist sicher etwas vom Schönsten, das man in Innsbruck sehen kann. Der Balkon, errichtet von Kaiser Maximilian I. als sogenannter „Prunkerker“, von dem aus der Herrscher mit seinem Gefolge die diversen Hoffeste und Turniere auf dem Platz verfolgen konnte. 1499/1500 fertig gestellt ist es eines der markantesten Wahrzeichen und wohl ein Höhepunkt im Schaffen des aus Schwab en zugewanderten Steinmetzen und Baumeisters Niclas Türing. Das Doppelhaus, an dem das Goldene Dachl sozusagen drangebaut ist, heißt Neuhof und ist ein eher schmuckloser Bau, der aber in früherer Zeit als Residenz gedient hat, und zwar dem Tiroler Landesfürsten Friedrich IV. genannt auch „Friedrich mit der leeren Tasche“, der darin seinen Hof hielt, ehe sein Sohn und Nachfolger, Herzog Sigmund der Münzreiche, darin einzog. Dem war das Haus aber bald zu bescheiden und er ließ die Hofburg errichten. Nach seinem Tod fiel das Gebäude an seinem Neffen, dem späteren Kaiser Maximilian I.

Die Reliefs, deren Originale schon seit längerem im Tiroler Landesmuseum aufbewahrt werden und am Goldenen Dachl durch Kopien ersetzt wurden, stammen vom eben schon erwähnten Niclas Türing, und zeigen teilweise recht pittoreske Szenen aus dem damaligen höfischen Leben wie etwa Moriskentänze und die beiden Frauen des Herrschers.

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Die wenigsten wissen wahrscheinlich, dass sich im Neuhof auch ein kleines Museum befindet, das sogenannte Maximilianeum, das sich mit sich mit der Geschichte des Goldenen Dachls beschäftigt. Das zwar kleine aber feine Museum besitzt auch das berühmte Totenbild Kaiser Maximilians. und einen den Teil des von Maximilian in Auftrag gegebenen Theuerdank, eine Art PR-Text, wie man heute sagen würde.

Vieles ließe sich noch über das Goldene Dachl sagen bzw. schreiben, was den Platz hier sprengen würde. So wurde vor einigen Jahren mal im Rahmen einer Künstlerischen Aktion eine der vergoldeten Schindeln des Dachls durch eine hölzerne Schindel vom Dach eines Stadels im Wipptal ausgetauscht, während die hölzerne Schindel eine Zeit lang das Goldene Dachl geziert hat. Eine Aktion, die damals heftige Diskussionen ausgelöst hatte. Und gestohlen wurden gleich sieben Schindeln 2012, während einer Restaurierung des Dachls. Auch 2007 war das schon mal geschehen. Ja immer wieder wurden einige der exakt 2.657 Schindeln Beute von Dieben geworden, zum Teil dann auch wieder zurückerstattet worden. Oft war das ja eher eine Mutprobe als ein wirklich geplanter Coup.

Aber auch von einem traurigen Ereignis wurde das Goldene Dachl zum stummen Zeugen. So wurde im Jahre 1536 der aus dem Südtiroler Pustertal stammende Wiedertäufer Jakob Hutter vor diesem verbrannt.

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Hutter hatte sich mit seinen Anhängern ganz der Idee des Urchristentums verschrieben und diese Idee auch gelebt. Nach seinem Tod flüchteten seine Anhänger/innen über Siebenbürgen, in die Walachei und kamen schließlich bis nach Russland, wo sie unter der Zarin Katharina der Großen Aufnahme fanden. Auch in die USA wanderten einige von ihnen aus. Dort gibt es noch heute hutterische Gemeinden.

Ja, vieles hat das Goldene Dachl im Laufe seiner langen Geschichte gesehen. Turniere des höfischen Lebens, später politische Kundgebungen wohl jeglicher Ideologie, ja in den siebziger Jahren gab es sogar eine linke Studentenzeitung die stolz den Namen Rotes Dachl trug. Dass sich die Gastronomie ebenfalls dieses Namens ziert, erklärt sich von selbst. So gibt es gleich nebenan, am Eingang zur Domgasse, das preiswerte und gute Gasthaus Goldenes Dachl. Und wer aufmerksam durch Innsbrucks Vorstädte und Stadteile spaziert, kann immer wieder kleine Nachbildungen des Goldenen Dachls an den Fenstergiebeln der Hausfassaden entdecken.

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Und was wir uns heute auch kaum mehr vorstellen können, in den fünfziger und frühern sechziger Jahren war das Goldene Dachl noch bewohnt. Im Zuge meiner Recherchen über die letzten fünfzig Jahre in Tirol stieß ich auf einen Artikel in der Tiroler Tageszeitung, über eine ältere Frau, die die Räume hinter dem Goldenen Dachl bewohnte, und auch die berühmte Loggia als ihren Balkon benutzen konnte, nur „sauber“ musste sie ihn halten. Es war sogar eine Mieterschutzwohnung, Und sie wohnte dort schon seit dem Jahr 1930, der Artikel datiert aus dem Jahr 1964. Es war die sogenannte „Fürstenburg“, die 1822 für den damals sicher horrenden Wohnbedarf als normale Wohnung adaptiert worden war. Sie bestand aus Zimmer, Küche und einen Abstellraum und war wahrscheinlich sehr günstig. Damals wohnten in dem ganzen Haus 32 Parteien. Wie lange die Wohnung noch bewohnt war, konnte ich nicht eruieren. Das Maximilianeum besteht seit dem Jahr 1996. Ich denke, so lange wird es die damals schon ältere Dame nicht mehr dort ausgehalten haben.

Wenden wir uns nun von Dachl gegen Westen, so beeindruckt uns die wunderbare Rokokofassade des Helblinghauses. Die wunderschönen Stuckaturen stammen von Anton Gigl, einem Stuckateur aus Wessobrunn im Allgäu, der in Innsbruck neben dem Helblinghaus auch die Fassade des Alten Landhauses gestaltet hat. Seine Spezialität war die Bandwerkstuckatur, mit der er damals reüssieren konnte. Benannt ist das Haus nach seinem damaligen Besitzer Hans Helbling, der darin ein Kaffeehaus betrieb.

Interessant und doch auch ein ziemlicher Kontrast sind die Fresken auf dem Nebenhaus, die vom Innsbrucker Künstler Ernst Nepo stammen, einem bedeuteten Maler der Zwischen und Nachkriegszeit in Tirol. Von ihm stammen z.B. auch die früheren Fresken in der Hungerburgkirche.

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Bevor wir uns in einem der vielen in dieser Straße befindenden Restaurants oder Cafés wie etwas das vor einigen Jahren geschmackvoll renovierte und modernisierte Café Katzung oder das Restaurant und Weinhaus Happ mit seiner schönen Stube von Franz Baumann physisch stärken, wenden wir unseren Blick doch noch mal nach oben und bewundern das wunderschöne Schiff, das als Ladenschild. das für die „Kolonialwarenhandlung“ Unterberger warb. Wohl eine zum Glück schon länger vergangene Zeit des Kolonialhandels repräsentierend, ist es doch ein schönes Zeichen, und in der Kontinuität der vielen in der Herzog-Friedrich-Straße noch zu sehenden Wirtshaus- und Geschäftsschilder, die von der bereits jahrhundertealten Tradition Innsbrucks als Handels- und Umschlagplatz zeugen.

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Helmut Schiestl

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