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Innsbruck, deine Plätze … Höttinger Kirchplatz

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Noch die letzten Herbstsonnenstrahlen genießend, vorbei am schon aufgestellten Weihnachtschristkindlmarkt, der momentan noch aussieht wie ein Jahrmarkt mit seinen Buden und Büdchen, gehen wir die steile Höttinger Gasse hinauf, ein leider immer noch verkehrsmäßiges Nadelöhr, wo man als Fußgängerin / Fußgänger fast immer Gefahr laufen muss, beim Passieren an die Wand gequetscht zu werden, machen wir uns auf in den alten Innsbrucker Stadtteil Hötting, der früher ja ein Dorf war, bis vor dem Zweiten Weltkrieg sogar eines der größten Dörfer Österreichs, ehe es 1938 Innsbruck eingemeindet worden ist, was in der damaligen NS-Herrschaft sicher leichter vonstattenging, als es vielleicht unter demokratischeren Umständen hätte geschehen können.

Immerhin war Hötting ja schon in der Bronzezeit besiedelt, wie Funde und Gräberfelder aus dieser Zeit belegen. Der Name rührt wie alle Ortsnamen auf –ing endend – von denen es in Tirol ja eine ganze Menge gibt – von der bayerischen Landnahme.  Als Hetiningen oder Hettingen wird es zwischen 1128 und 1147 erstmals erwähnt. Und ist somit nicht viel jünger als die Stadt Innsbruck und das mit ihr schon weitaus früher verbunden gewesene Anbruggen, die heutigen Stadtteile Mariahilf und St. Nikolaus. Im Unterschied zu letzterem konnte sich aber das alte  Bauerndorf Hötting lange Zeit seinen Charakter als Bauerndorf erhalten, und es gibt dort auch heute noch in Betrieb befindliche Landwirtschaften.

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Trotzdem findet sich im Zentrum des alten Hötting auch so manches altes stattliches Bürgerhaus, oder sogenannte Ackerbürgerhäuser. So etwa in der schmalen Höttinger Gasse und in der Schneeburggasse, wo es auch einige kleinere und größere Ansitze und Schlösschen gibt, wie etwa das Schneeburgschlößl  in der Schneeburggasse.  Gehen wir also erstere Gasse steil bergauf, vorbei an eben jenen staatlichen Bürgerhäusern und umgebauten Bauernhäusern,  so gelangen wir schließlich zu einem kleineren Platz, der leider von Autos vollgestellt und befahren wird, so dass man ihn kaum in Ruhe betrachten kann. Was schade ist, da dieses Ensemble einiges zu bieten hätte. Da wäre etwa mal gleich  am Eck zur Mündung der Höttinger Gasse den „Stamserwirt, ein Haus das früher im Besitz des Stiftes Stams war. Ein schönes Haus mit Eckerkern, Giebel und schönen Lüftlmalereien, wo man länger davorstehen muss um überhaupt alles entdecken zu können. Betreten wird dieses Haus durch ein Portal aus dem in Innsbruck berühmten Böttinger Nagelfluh, einem klastischen Sedimentgestein, das über Hötting abgebaut wurde und in vielen Innsbrucker Bauwerken aus der Gotik und des Barock Verwendung fand.

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Gegenüberliegend  sehen wir das Haus Riedgasse 32, Ein Bau aus der Barockzeit, errichtet um 1687. Ein Bauernhaustyp, der jedoch als Sitz der früheren Seelsorger von Hötting  schon eine andere Funktion hatte. Auch hier ist wieder das Portal, die Fensterumrahmungen und die Stützpfeiler aus dem bereits erwähnten Böttinger Nagelfluh.  Gehen wir die Riedgasse ein Stück weiter Richtung Osten so kommen wir zum Haus Riedgasse 13. Einem ehemaligen Bauernhof, der sich im Besitz des Klosters Frauenchiemsee befand, das in Hötting viele Besitzungen hatte. Ein schönes Haus, das um die vorige Jahrhundertwende umgebaut wurde,  aber immer noch einen schönen Eindruck hinterlässt. Darin befinden sich auch zwei Hauskapellen, wovon die obere  mit interessanten Fresken von Josef Schmitzer,  einem bekannten Tiroler Kirchenmaler aus dem Spätbarock,  ausgestattet ist.

Hinter dem Haus sehen wir das Böttinger Priesterseminar, errichtet in den Jahren 1951 – 1955 von Albert  Otto Linder und Emil Tranquilini. Ersterer ein Vertreter der berühmten Stuttgarter Bauschule. Ein nüchterner Zweckbau, der sich schön in das baulich hauptsächlich doch durch bäuerliche Bauten und Villen dominierte Stadtviertel einfügt.

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Weden wir uns wieder dem Platz zu, so nimmt unsere Aufmerksamkeit die den Platz beherrschende Neue Pfarrkirche von Hötting in Beschlag. Ein historistischer Bau in romanisch-frühgotischen Formen nach Plänen von Leopold Heiss errichtet. Eine Kirche, die zuerst einmal beim Betreten durch ihre Dunkelheit beeindruckt oder vielleicht auch irritiert. Was vor allem den doch eher kleinen Fenstern geschuldet ist. Man wollte in dieser Epoche die gotischen Kathedralen des Mittelalters nachahmen, mit ihrem Spiel aus durch schmale Fenster gebrochenem Licht und dunklem Mauerwerk. Interessant ist aber doch die für die damaligen Verhältnisse kurze Bauzeit.  Der Grundstein der Kirche wurde im 17. April 1910 gelegt, und bereits am 4. Juli 1911 wurde der Schlussstein gesetzt. Was nun die Inneneinrichtung betrifft, so wurde dabei wenig riskiert, es ist alles sehr solide und es finden sich darin sogar ältere Kunstwerke, die  aus anderen Tiroler Kirchen ausgeliehen wurden.

Die Glasfenster wurden nach Entwürfen von Bernhard Rice und Gottlieb Schuller,  dem Vater des berühmten Architekten Robert Schuller, der das Erler Passionsspielhaus entworfen hat, auch ein wichtiges Beispiel der Nachkriegsmoderne in Tirol. in der Tiroler Glasmalereianstalt angefertigt und sind ein typisches Zeichen naturalistischer christlicher Ikonographie aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Alles ist klar ausgedrückt, und wie in einer Bilderbibel zu lesen. Der Engländer Bernhard Rice war es übrigens, der die Glasmalkunst des Jugendstils nach Tirol gebracht hatte.

Die Skulpturen an den Altären stammen von  Prof. Rudolf Millonig, einem Innsbrucker Bildhauer, von dem viele Werke in Innsbrucker Kirchen vertreten sind. Auch hier dominiert das Realistische, aus dem Holz Gehauene, viele Menschen Ansprechende. Weniger das Geheimnisvolle, manchmal auch Provokante oder Irritierende, wie wir es in Innsbrucks modernen Kirchen immer wieder finden können.

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Lassen wir, das Gotteshaus wieder verlassend, noch mal unseren Blick über den Kirchplatz schweifen, hinauf zur alten Höttinger Kirche, dem Gebäude der Volksschule Hötting, erbaut 1914/15  nach Plänen von Vinzenz Baier, ein typisches Gebäude im Heimatstil. Und weiter hinauf  zieht uns noch ein interessantes Gebäude in Bann, eine im oberitalienischen Stil erbaute Gründerzeitvilla,  das sogenannte „Kiene Schlößl“, errichtet 1896 vom Innsbrucker  Buchhändler Josef Kiene, mit zwei hübschen  Ecktürmen, die fast ein wenig fernöstlich anmuten, mit einer schönen Holzveranda in ihrer Mitte.

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Alles in allem: ein schöner Platz, der es verdienen würde, ein wenig von der Last der Blechlawinen befreit zu werden, damit wir ihn besser genießen und bewundern können.

Letztes Foto: .wikimedia.org

Helmut Schiestl

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