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Ikonen und Eintagsfliegen

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Eintagsfliegen haben mich schon als Kind fasziniert. Fliegen, die nur einen Tag lang leben. Aus ihrer Imago geschlüpft gehört ihnen ein ganzer Tag, den sie damit zubringen, sich zu paaren und somit fortzupflanzen. Stellen wir uns das mal vor, wir hätten nur einen Tag, uns zu verlieben, ein Kind zu zeugen und dazu vielleicht noch ein paar schöne Dinge tun, an denen sich unsere Mitmenschen wohlwollend erinnern können um uns eine gute Nachrede zu schreiben oder zu halten. Kein Wunder also, dass dieses seltsame Fluginsekt schöne sprachliche Metapher für alles Mögliche in unserer Welt herhalten müssen. für Unsterblichkeit ebenso wie für nur kurz lebende Ideen und Projekte im politischen und gesellschaftlichen Bereich.

Eher mit einem ironischen Seitenblick kam die noch bis bis 14. Februar im Architekturmuseum aut im Gebäude der ehemaligen Adambrauerei zu besichtigende sehr sehenswerte Ausstellung Ikonen und Eintagsfliegen, zu diesem Namen.

Die Ausstellung gruppiert sich um das graphische Werk des Innsbrucker Gebrauchsgrafikers Arthur Zelger gruppiert. Zelger, der sich als Gebrauchsgraphiker verstand, dieses Metier aber in einer sehr hohen niveauvollen Kunst ausübte, indem er etwa für den Tourismus Plakate und Prospekte entwarf. Als „Eintagsfliegen“ bezeichnete der Künstler, seine Arbeiten wohl deshalb, weil sie im Unterschied zu wirkliche Kunstwerken, die dann bei Sammlern oder in Museen hängen, nach einigen Jahren bereits durch neue Motive abgelöst und somit aus der öffentliche Aufmerksamkeit verschwunden waren.

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Die spannend aufgemachte Ausstellung erzählt detailreich über die Entstehung der Tourismuswerbung in Tirol, und spannt dabei einen großen Bogen von der vorigen Jahrhundertwende – wobei erste Plakate damals noch von „wirklichen Künstlern“ wie etwa Alfons Walde oder Hans Josef Weber-Tyrol, Erich Torggler entworfen wurden und oft wirkliche Blickfänger waren, die Tirol weit über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht hatten. .

Waren zu Beginn der Tourismuswerbung die Landschaft noch erhaben, romantisch und wild, deren Bewohner/innen noch kautzig und fast furchteinflößend so hat sich dieses Bild in der Nachkriegszeit gewandelt. Es treten dann eher die lustigen, jodelnden, schuhplattelnden und musizierenden Alpenbewohner oder eben als Dirndltragende Mädchen auf.  auf. Interessant auch, dass dabei die Landschaft immer abstrakter wird. Oft ist es nur mehr eine Kirchturmspitze, umgeben von ein paar Berggipfeln – oder eben Menschen in Tracht, meistens auch sehr reduziert auf ihre wesentlichen Utensilien.

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Die Plakate sind bunt, meistens auf ein paar wenige Farben reduziert. Künstler wie etwa Ernst Insam, Maria Rehm, Gustav Sonnewend oder Helmut Benko sind hier repräsentativ und waren wohl auch stilbildend.

Die Ausstellung gibt sich nun aber nicht mit der präzisen Darstellung des einmal Gegebenen zufrieden, sondern spannt den Bogen auch herauf bis in die Gegenwart. Und da ist es interessant, wie sich das Menschen- und Landschaftsbild der Tourismuswerbung etwa so ab den achtziger und neunziger Jahren komplett verändert hat. Kurz gesagt Die Sujets werden beliebig, könnten so wohl überall und für alles verwendet werden. Schön gestylte Menschenkörper, ebenso gestylte und makellose Landschaftsdarstellungen, alles so nach der Devise des immer höher, immer besser immer geiler, schriller, mehr Turbo. Wohl ganz so wie sich ja auch der Tourismus in Tirol – auch mit all seinen Schattenseiten – ab der späten achtziger Jahre entwickelt hat.

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Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht nur auf die Sujets der Tourismuswerbung und ihrer grafischen Verarbeitung, sondern geht auch auf politische Werbung ein. Ankündigungen von diversen Festivals, wie etwa die Innsbrucker Festwochen der alten Musik, oder die Festspiele in Erl, die eine doch eher schräge nichtsdestotrotz aber individuelle Werbelinie entwickelt haben. Nicht zuletzt zeichnet dafür ja die bekannte Tiroler Werbeagentur CIRCUS verantwortlich, die ja auch schon seit längerem das Kulturorgan des Landes Tirol – Quart – grafisch gestaltet. Auch der kritische Föhn wird mit seinem wohl ebenfalls einzigartigen Logo und Design gewürdigt und ist anhand einiger Beispiele  in der Ausstellung vertreten.

Ein für mich sehr originelles Beispiel von gegenwärtiger Plakatkunst stellt für mich das von Patrick Bonato gestaltete Plakat für das Wattener Rockfestival „Wiesenrock“ dar. Hier ist Gebrauchskunst eine interessante Verbindung mit Ironie in beinahe comicartiger Hintergründigkeit eingegangen. Wie es vor allem im letzten Raum der Ausstellung, der sich mit der gegenwärtigen Werbe- und Gebrauchgrafik in Tirol beschäftigt, einige doch sehr mutige und Hoffnung gebende Beispiele für die Zukunft gibt.

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aut. architektur und tirol

im adambräu
lois welzenbacher platz 1
6020 innsbruck. austria

Nur noch bis 14. Februar zu sehen!

Helmut Schiestl

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