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Grüner Tisch statt grüner Rasen

fussball platz

Keine Freude zum Abschied. Das letzte Spiel der Kampfmannschaft der SVG Reichenau auf ihrem legendären Heimplatz brachte keine Freudetränen für die schwarzroten. Im absoluten Spitzenspiel erster gegen zweiter (Union Innsbruck), gleichzeitig einer der großen Innsbrucker Derbys und dem Duell der ehemaligen Spielgemeinschaftspartner behielten die Blauen vom Fennerareal einmal mehr die Oberhand.

Als nach 90 Minuten und ein paar „Zerquetschten“ Schiedsrichter Stefan Gamper bei strahlenden Sonnenschein am Sonntag um 12 Uhr 49 abpfiff, liegen sich die Spieler der Union gemeinsam mit Trainer Mucho Schober und Unionobmann Herbert Lehner in den Armen. Dank Tore von Dominic Hochmuth und Kapitän Rene Rief besiegen die Blauen den Stadtrivalen mit 2 zu 1. Den Treffern der SVG Reichenau erzielte Önder Nazil. Über 350 Zuseher sahen keine fußballerischen Leckerbissen, jedoch ein kampfbetontes Spiel. Einmal mehr war für die fehlende Spielkultur die fehlende Qualität des kleinen Rasenplatzes ausschlaggebend. Seit der Saison 2012/2013 stehen sich die beiden Teams wieder in der gleichen Liga gegenüber. Die Union Innsbruck bleibt auch im fünften Duell gegen den Reichenauer Rivalen ungeschlagen. Waren es in der ersten Saison noch 2 Unentschieden, konnte in der vergangenen Saison die Union beide Spiele gewinnen und jetzt den dritten Sieg in Folge feiern. Im direkten Vergleich der drei Innsbrucker Mannschaften in der UPC Tirol Liga (SVG Reichenau, Union Innsbruck und Sportverein Innsbruck) unterstreicht die Union ihren Anspruch als Nummer 1 in der Landeshauptstadt.

Die anschließende Stimmung beim Oktoberfest der SVG Reichenau war trotzdem gut. Wobei jedoch nicht nur die sportliche Niederlage im Mittelpunkt einiger Diskussionen stand. Während sportlich dank dem Auftritt der Kampfmannschaft in der UPC Tirol Liga und im TFV Kerschdorfer Tirol Cup, der II-Mannschaft in der Bezirksliga West und der hervorragenden Nachwuchsarbeit in der Reichenau Zufriedenheit herrscht, ist die Lage zwischen Vereinsverantwortlichen und Anrainer deutlich angespannter. Grund dafür sind die Baupläne am Reichenauer Sportplatz. Der legendäre Heimvorteil der SVG Reichenau dank dem kleinen Platz gehört der Geschichte an. Das Spielfeld wird dem Standardmaß angepasst, der in Dauerkritik stehende Rasen wird durch einen Kunstrasen ausgetauscht und eine Flutlichtanlage soll ebenfalls installiert werden. Genau dabei scheiden sich jedoch die Geister.

Sportplatzgeschichte. Seit 1979 trägt die SVG Reichenau ihre Heimspiele am Sportplatz Reichenaus. Einst ein berüchtigter Sandplatz (rote Erde), hat vor allem der desolate Zustand des Rasens für einige legendäre Sprüche gesorgt. So schrieb der Standard anläßlich des Cupspiels zwischen der SVG Reichenau und Austria Wien: „Das Gästeteam und Rekordcupsieger aus Wien, bei dem Trainer Karl Daxbacher u.a. auf Junuzovic, Jun, Mader und Gorgon verzichtet hatte, tat sich sichtlich schwer, sich auf dem kleinen Platz mitten im Innsbrucker Wohngebiet zurechtzufinden. “ Und ein Topfunktionär der SVG Reichenau meinte mit einem Schmunzeln auf die Frage beim letzten Spiel gegen die Union, „Ob man sich nach dem Spiel gegen die Union ein Stück des legendären Reichenau Rasens sichern darf?“: „Solltest Du einen Rasen finden, gerne!“

Flutlichtdiskussionen sind in Innsbruck im Übrigen nichts Neues. Allseits bekannt ist die lange Diskussion über eine Flutlichtanlage am Bergisel. Nicht um die Leistungen der Freiheitskämpfer entsprechend zu präsentieren, sondern um den Königen der Lüfte bei der Vierschanzentournee und den TV Zuseher ein tolles Spektakel bieten zu können. Im Jahr 2000 war die Errichtung der Flutlichtanlage an der USI ein Thema im Tiroler Landtag. Georg Willi wollte unter anderem wissen: „Können Sie sich vorstellen, dass die Flutlichtanlage überhaupt in Betrieb gehen kann? Bei Lichtintensitätsmessungen an den Nachbargebäuden wurden nämlich Werte bis zu 15,7 lux gemessen, obwohl der ortübliche Wert an der gleichen Stelle bei 0,7 lux liegt. Deutsche Empfehlungen erlauben bezüglich Lichtimmissionen lediglich eine Aufhellung bis zu 1 lux.“

„Täglich grüßt die Flutlichtdiskussion“. . Immer wieder ist in der Geschichte auch die Diskussion über die Errichtung einer Flutlichtanlage in der Reichenau ausgebrochen. So wurde in den „Innsbrucker Nachrichten“ (dem offiziellen Mitteilungsblatt der Stadt Innsbruck 1978 festgehalten: „Mit Rücksicht auf die zahlreichen Anrainer …. wurde von einer ursprünglich geplanten Flutlichtanlage Abstand genommen.“ 1981 beschloss der Innsbrucker Stadtsenat neuerlich, daß keine Flutlichtanlage am Sportplatz in der Klappholzstraß errichtet wird. Die bereits angeschaffte Flutlichtanlage wurde von der Reichenau zum Besele Sportplatz in Wilten transportiert und errichtet. Immer wieder treffen aber die Erwartungen und Wünsche der Sportler auf die ablehnende Haltung der Anrainer.

Geschichtlich auch interessant: Am 22.6.2011 wurde der Schlüssel für den neugestalteten Kabinen- und Kabinentrakt und die neue Zuschauertribüne ihrer Bestimmung, Kostenaufwand 1,45 Millionen Euro, übergeben. Jetzt hat sich Innsbrucker Stadtsenat einstimmig die Platzerweiterung, Verlegung des Kunstrasens und die Errichtung einer Flutlichtanlage beschlossen und sorgt somit vor allem bei der Bürgerinitiative „gegenflutlicht.at“ aufgrund der zu erwartenden Lärm- und Lichtemissionen für Verwunderung.

Die Errichtung von Flutlichtanlägen bei Fußballplätzen wird unter anderem auch durch den Tiroler Fußballverband geregelt. Für den Trainingsbetrieb ist eine durchschnittliche Lichtstärke von 150 lx bei einer Masthöhe von mindestens 14 Metern vorgegeben. Bei Meisterschaftsspielen werden ca. 200 lx Lichtstärke bei einer Masthöhe von 18 Metern vorgegeben. Für höhere Ligen muß aufgrund der TV Übertragungen eine Lichtstärke von 800 lx garantiert werden.

Die Anrainer sehen in durch die Errichtung der Flutlichtanlage eine schwere Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Der Innsbrucker Standsenat möchte durch das Flutlicht die Nutzungsmöglichkeiten des Kunstrasens, und somit die Wirtschaftlichkeit des rund 1,7 Millionen Euro Projektes verbessern. Bei einer Informationsveranstaltung am Donnerstag, den 2. Oktober ab 19 Uhr in der Wörndleschule sollen die offenen Fragen der Anrainer geklärt werden.

Lebensqualität kontra sportliche Interesse? Weiterentwicklungen von Projekten sind einer strengen gesetzlichen und auch gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen. Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung haben in den letzten Jahren vehement zugenommen und vielfach auch das Diskussionsklima zwischen Befürwortern und Gegner eines Projektes radikalisiert. Das Aufeinanderprallen meist nicht gerade sachlicher Argumente läßt dabei oft gerechtfertigte Überlegungen in den Hintergrund treten. Dr. Heinz Fuchsig, Umweltreferent der Tiroler Ärztekammer mein beispielweise zu Thema Flutlicht: „Die Lärm- und Lichtbelastung der Bevölkerung ist zweifelsfrei jetzt schon extrem hoch – ein Vielfaches dessen, wofür wir gebaut sind. Stress, Schlafstörungen, Aggressionen, Konzentrationsschwächen bei Jung und Alt sind die Folge. Daher muss gerade im dicht verbauten Tiroler Zentralraum und in Innsbruck besonders sehr sorgsam mit neuen Projekten umgegangen werden und sind Verbesserungen statt Verschlechterungen dringend erforderlich. Falls eine Flutlichtanlage genehmigt wird, sollten folgende Maßnahmen unbedingt damit verbunden werden:
1. Reduktion der Spielzeiten auf 19:30. Ab dieser Zeit beginnen sich 90% der Menschen innerlich auf Schlaf vorzubereiten und sollten Belastung durch intensiven Lärm, Licht aber auch Sport unterlassen.
2. Berechnung der Lichtverteilung, Wahl besonders gut zu fokussierender LED – Leuchten und nach Installation Ortsaugenschein bei den Anrainern und Nachrüsten von Blendungsbegrenzern falls hohe Belastungen auftreten.
3. Prüfung ob durch Aufstellung von Wänden / Bepflanzung / Isolation der angrenzenden Gebäude mit schallschluckender Wärmedämmung eine Reduktion der Immissionen zu erzielen ist
4. Prüfung der Verlegung an einen Alternativstandort z.B. zwischen Grabenweg und Autobahn (inkl. Verbesserung der Radweganbindung dorthin!)“

Für die SVG Reichenau ist die Platzerweiterung, Errichtung des Kunstrasens und die in Diskussion stehende Flutlichtanlage natürlich ein Gewinn. Trainings- und Meisterschaftsbetrieb der zahlreichen Mannschaften können besser koordiniert werden, die bösen Zungen, die jahrelang auf den kleinen Platz angespielt haben, müssen verstummen und auch beim Kunstrasen, der entsprechende Terminsicherheit bei den Tiroler Wetterkapriolen bietet, fehlen so manchen Spötter die Argumente. Dass die Investition der Stadt Innsbruck in die Sportanlage Reichenau im Übrigen aber nicht von allen Funktionären der Innsbrucker Fußballvereine goutiert wird, ist auch kein Geheimnis.

Unumstritten bleibt einstweilen, dass die Pläne viele offene Fragen aufwerfen. So teilen die Innsbrucker Grünen in einer Aussendung nach der Stadtsenatssitzung zum Beispiel mit: „„Auch wenn wir Grüne gestern im Stadtsenat unmissverständlich zu Protokoll gegeben haben, dass wir eine Information vor dem Stadtsenatsbeschluss präferiert hätten, haben wir durch unsere Zusatzanträge zur Betriebsvereinbarung und zum Sportentwicklungsplan viel Positives und Zukunftsorientiertes erreichten können“, stellt die stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses Gemeinderätin Kathrin Heis fest.“ Andere Innsbrucker Politiker können sich eine „Sonderregelung Reichenau“ nur schwer vorstellen. Das Abgehen von einem einheitlichen Flutlichtanlagenbetrieb würde Beispielcharakter für die Anlagen in der Wiesengasse, Besele und Hötting West haben, meint ein Innsbrucker Gemeinderat.

Kreativität als Lösung. Im Rahmen der Diskussion gab es zu manchen alternativen Lösungsvorschlag von Laienseite. Während die Idee eine „Allianz-Arena al a München“ wohl eher in die Rubrik Höttinger Nudl fällt, wäre die Idee mit einer Spielplatzausrichtung von Nord nach Süd durchaus interessant. So könnte ausreichend Schutz für Baumalleen, die sowohl als natürlicher Lärm- und Lichtschutz dienen würden, realisiert werden. Ideen und Fragen, auf die die Anrainer aber auch der Verein bei der Informationsveranstaltung am Donnerstag, 2.10. Antworten erwarten. Inzwischen bleibt es bei manch bissiger Wortmeldung und sarkastischen Humor.

 GEORG HERRMANN

Andreas Wiesinger

3 Comments

  1. ich bin obfrau eines fussballvereins in innsbruck, in einem anderen verein vorstandsmitglied und habe einen 12 jährigen sohn welcher beim fc wacker spielt.
    durch den mangel an der infrastruktur für den fussball werden die plätze in innsbruck sehr bespielt. alle plätze haben eine hohe frequenz angefangen beim nachwuchs bis zu den kampfmannschaften. ich bin dafür, dass sportanlagen in den stadtteilen sind, damit vor allem kinder einen kurzen weg dorthin haben. am wochendende sind die meisterschaftsspiele spätestens um 20uhr fertig. trainiert wird hier nicht. und am besele sind wir 3 vereine und müssen bis 21:30 trainieren. ohne flutlicht könnten wir die wichtigen einheiten nicht gestalten. ich wohne inmitten der stadt und bin auch bis 22uhr viel lärm, licht und sonst nocht was ausgesetzt.

    das ist stadt. und ich werde immer dafür eintreten, dass kinder und jugendliche sportbetreiben können, wenn sie wollen, egal welche sportart es ist.

    • Ich schreibe hier nicht meinen richtigen Namen rein um nicht Gefahr zu laufen als jemand der nicht Pro-Fußball ist Schaden zu erleiden.

      Man soll also wenn man es bis jetzt ab den Abendstunden ruhig hatte dem Fußball zuliebe darauf verzichten. Man soll also den Job, bei dem man früh aufstehen, daher früher ins Bett geht, wechseln, dem Fußball zuliebe. Oder weil das Stadt ist. Habe keine Ahnung welchen Tagesrhythmus eine Obfrau hat oder ob sie die Arbeitslosenstatistik in Tirol negativ beeinflusst. Ihre Aussage, dass Kinder und Jugendliche sportlich alles tun können wenn sie wollen, deutet für mich darauf hin, dass sie ihr Kind am Fußballplatz abliefern, dann wieder weg sind, also nicht neben einem Ort leben an dem die die alles tun können, alles tun.
      Geh, tuns ihrem Kind was Gutes und verbieten sie ihm diesen proletuiden Sport, Handball oder Volleyball wäre doch gscheiter. Dort sind Menschen gesünderer Bildung zu finden. Und Fußball spielen in Österreich ist so wie Schifahren in der Sahara.

  2. Diese Diskussion ist symptomatisch für unsere Zeit – aus jeder
    Mücke wir ein Elefant aufgeblasen. Anscheinend sind viel zu viele Menschen „unterbeschäftigt“ und sorgenlos, dass sie sich jedem Blödsinn widmen können. Dass sich die Menschen ab 19.30Uhr auf die Nacht vorbereiten, mag zwar für Schichtarbeiter, aber nicht für Alle zutreffen. Denn ab diesem Zeitpunkt geht die Freizeitgestaltung (Fernsehen, Computern, etc.) erst richtig los.

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