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Flächendeckende Modellregionen für die Gesamtschule, Bundes ÖVP: Warum nicht?

federpenalIm Herbst wird das Modellprojekt gemeinsame Schule (Gesamtschule) im Zillertal starten, die jetzige Koalition arbeitet daran.

Was spricht dagegen, wenn Kinder sich erst nach der 8. Schulstufe entscheiden müssen, ob sie weiter den Weg zur Matura gehen, oder nicht?

Die Selektion nach der 4.Klasse Volksschule ist für viele Kinder und ihre Eltern eine heikle Zeit. Eltern sind gestresst, weil sie Angst haben, dass die Kinder schlechte Noten mit nach Hause bringen und das gerne gesetzte Ziel Gymnasium nicht erreicht werden kann. Es ist nun einmal so, dass „Mein Kind geht schon ins Gymnasium“ ein Satz ist, der mit Stolz ausgesprochen wird.

Für viele Kinder ist dies eine belastende Zeit, die mit Angst verbunden ist. Sie werden bereits in der 3. Klasse Volksschule unter Druck gesetzt, weil es kommt ja dann nur noch die 4. Klasse und dann: Bitteschön, ab ins Gymnasium, auf Biegen und Brechen, wenn es sein muss.

Die dritte Klasse gilt als die schwierigste in der Volksschulzeit. Die eigentliche Selektion beginnt bereits mit 8 Jahren und nicht mit 10. Ungeachtet dessen, in welcher familiären und sozialen Situation sich ein Kind befindet. Es ist eine Tatsache, dass Kinder, die sich in schwierigen familiären Situationen befinden, schulleistungsmäßig in solchen Zeiten absacken können, die Leistungen aber wieder ansteigen, wenn es zu Hause wieder besser geht und sie sich wieder mehr auf die Schule konzentrieren können, weil sie weniger Sorgen haben. Zudem macht es einen Riesenunterschied, wie gut Kinder im Elternhaus gefördert werden und wie viel Ermutigung sie in ihrem Leben erfahren.

Einem 10 jährigen Kind ist nicht klar, was das überhaupt konkret bedeutet: Neue Mittelschule oder Gymnasium, die meisten wollen halt dorthin, wo ihre besten FreundInnen auch hingehen werden, um Bildungsinhalte geht es weniger. Die kindliche Welt ist nun mal anders strukturiert als die der Erwachsenen.

In meinem Freundeskreis habe ich mich umgehört, ein Freund hat in Deutschland und eine Freundin in Finnland die 8 jährige Gesamtschule besucht, dann Matura gemacht und danach ein Studium abgeschlossen. Wir reden hier von einer gemeinsamen Schule der 6-14 jährigen. Der eine ist jetzt Architekt und die andere Germanistin. Der Architekt meinte zudem, dass er ein verhaltensauffälliges Kind war und es durch die 8 Jahre in der Gesamtschule, die relativ konstante Klassengemeinschaft und den geringeren Wechsel an Lehrkräften gelungen ist, ihn sozusagen auch in Bezug auf den Schulstoff – trotz seiner Probleme – „mitzunehmen“.
Nach längeren Gesprächen wurde als besonders förderlich beschrieben, dass nicht nur die SchülerInnen, sondern auch die LehrerInnen acht Jahre Zeit haben, um mit einem Kind zu arbeiten und nicht schon in der 3. Klasse Volkschule diesen Druck mittragen müssen.

Für Kinder, die die Regelschule mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf besuchen, wäre das auch ein Vorteil, denn sie hätten noch mehr Zeit, ihren Entwicklungsrückstand zu kompensieren.

Ich denke, dass die Annahme, dass der Weg als 10 jährige/r gleich ins Gymnasium die einzige Möglichkeit zu einer beruflichen Karriere ist, ein Irrtum ist. Lernen soll Spaß machen und einem nicht das Leben vermiesen. Da kann einem Kind schon einmal die Lust auf die Schule vergehen, wenn der Sinn der Lerninhalte nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern die Leistung und die Selektion.

Ein/e 14jährige/r kann schon wesentlich besser beurteilen, wohin es im Leben so ungefähr gehen soll und ob eine Schulkarriere attraktiv ist, oder nicht, deshalb frage ich mich:
Liebe BundesÖVP, warum keine österreichweiten flächendeckenden Modellregionen? Ich denke, dass es das Mindeste ist, solche Schulversuche zuzulassen, sie zu evaluieren und dann zu entscheiden, wie erfolgreich sie für die SchülerInnen waren, anstatt sie einfach aus Angst vor Veränderung, Unwissenheit oder Mangel an Kreativität zu blockieren!

derstandard.at/1388650684043/Gesamtschule-als-Zerreissprobe-fuer-OeVP

Barbara Tatschl

5 Comments

  1. Verfasst am Mi., 22.01.2014 – 07:49.
    Vielleicht könnte Tirol eine „Modellregion“ für eine „ÖVP neu“ werden

  2. Verfasst am Mi., 22.01.2014 – 12:50.
    ich bin optimist und darum finde ich es auch eine gute sache, dass zumindest im zillertal versucht werden darf. natürlich kann man immer mehr fordern und ich persönlich fände es in diesem fall auch gut, wenn mehr käme, aber das zillertal ist besser als nichts. und dadurch, dass der (bundes)övp so gerne stillstand vorgeworfen wir, ist das dann wohl ein erfolg, oder? weniger jammern, mehr freuen, dann gehts uns allen besser! ; )

  3. Verfasst am Mi., 22.01.2014 – 15:12.
    Wenigstens ist ein bissl Bewegung in die Sache gekommen.
    Meine Euphorie bezüglich der tiroler Bildungspolitik hält sich noch in Grenzen, aber vielleicht ist der pragmatische Weg der halben bzw. halbherzigen Schritte im Rahmen des politisch möglichen auch nicht der schlechteste.
    Zur Erinnerung:
    Als man versuchsweise die „neuen Mittelschulen“ punktuell und limitiert einführen wollte kam aus Tirol ein klares „Sowas brauchen wir hier nicht“.
    Dann brannte kurz der Hut, als man erkannte dass hier ein Zug ohne Tiroler abfährt und das bundesweite Kontingent schon voll war.
    Zum Glück wurden dann doch sämtliche Türschilder augetauscht, und alle Hauptschulen dürfen jetzt „Neue Mittelschule“ heissen.
    Irgendwann machte man unseren LH auf das italienische Schulsystem aufmerksam, mit dem auch Südtirol schon 1962 zwangsbeglückt wurde. Die Südtiroler hätten selber wohl nie die Gesamtschule eingeführt, auch damals war insbesondere die Landbevölkerung skeptisch, die Verantwortlichen jedoch erkannten die Chance, obwohl die „Einheitsmittelschule“ eine linke Idee aus Rom war. Zugegeben, damals gings mehr um die Auflösung der 8jährigen Volksschulen als um die Integration der Unterstufe der Gymnasien, obwohl letztere ohne viel Diskussion durchgezogen wurde.
    Und jetzt stellt sich Tirol modern dar mit der Einführung der Modellregion Zillertal. Wie bitte? Im Zillertal gabs nie ein Gymnasium, was ändert sich jetzt dort? Die paar 10 jährigen Gymnasiasten werden weiterhin nach Schwaz auspendeln und der Rest bleibt im Tal.
    Trotzdem ein Riesenschritt nach vorn für die ehemaligen Hauptschulen im Tal: Es wird nämlich das versucht, was ursprünglich für die umbenannten Hauptschulen vorgesehen war und sich im Sand verlaufen hat. Es werden die Lehrpläne umgebaut, es werden Gymnasiallehrer eingesetzt und es wird mit den Gymnasien kooperiert (in dem Fall das BORG Schwaz) usw. Die Zillertaler sollen also das bekommen was schon einmal allen versprochen wurde. -Wir hoffen auf gutes gelingen.

    Und die Gesamtschule? Jetzt heisst einmal abwarten, ab Herbst gehts im Zillertal los, evaluieren wird man erst in einigen Jahren können, dann wird weiterdiskutiert…

    Zum Schluss bleibt die Frage, wann die Neue Mittelschule ein derart alter Hut sein wird, dass man das „Neue“ ersetzen wird müssen. Erinnert irgendwie an „Neues Regieren“

  4. Verfasst am Do., 23.01.2014 – 12:14.
    Danke für die bisherigen Kommentare, mir geht die bildungspolitische Misere jedenfalls gehörig auf den Keks und es wäre schön, wenn es bildungspolitisch mal möglich wäre, an einem Strang zu ziehen, dass endlich einmal etwas weitergeht. Dieses ewige Hin und Her, keine klare Linie durchziehen und Gegeneinanderarbeiten ist echt mühsam! Ich habe oft den Eindruck, dass es in diesen Debatten sehr unsachlich zugeht und dass der Fokus auf Trennendes und nicht auf gemeinsame Ansätze gelegt wird.

  5. Verfasst am Do., 23.01.2014 – 19:07.
    es gibt halt, typisch österreichisch, zu viele „experten“. und das in allen parteien! und so lange die alle glauben, dass sie recht haben, wird nie etwas weitergehen! leider!

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