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Die gar absonderliche Gemeinderatssitzung

Was haben wir vor der Gemeinderatswahl im April nicht alles zum Thema „Leistbares Wohnen“ gehört. Von allen wurde alles versprochen. Und dann geht’s um genau das – und plötzlich, ja plötzlich … doch der Reihe nach:

In einer ziemlich sonderbaren Sondersitzung des Gemeinderates ging es gestern um sogenannte „Vorbehaltsflächen“ – um Grund in der Stadt, der seit mehr als 15 Jahren Baugrund ist, aber nicht bebaut ist. Vor Jahrzehnten vielleicht als familiäre Reserve und nicht zwingend als Spekulationsobjekt gekauft, mittlerweile wegen der Innsbrucker Bodenknappheit fast schon vergoldete Wiesen. Wiesen, die dringend für Wohnbau benötigt würden – zumindest da waren sich fast alle einig. Ab diesem Punkt aber darf der Kopf geschüttelt werden: Während nämlich die einen (Grüne, SPÖ, ALI, Liste Fritz) schlicht ein Landesgesetz vollziehen wollen und dieses Bauland endlich für’s Wohnen mobilisieren wollen – wollen sämtliche anderen genau das nicht (Für Innsbruck: „Rechtliche Bedenken, keine Garantie, dass das funktioniert“ , ÖVP: „Keine Garantie, dass das funktioniert“, FPÖ: „Zuzug stoppen!“, Gerechtes Innsbruck: „Enteignung!“, NEOS: „Wohnproblem nur mit Umlandgemeinden zu lösen“). Hä? Richtig gelesen.

Die Mär von der „Kommunistischen Enteignung“

Man möchte meinen, dass der Knackpunkt das „Wie“ ist: So sollte diesen Grundbesitzern die Rute ins Fenster gestellt werden: Gib der Stadt die Hälfte deines Grundes für den sozialen Wohnbau, bekomme dafür den aktuellen Quadratmeterpreis der Wohnbauförderung (mehr als 400 Euro ), dafür bleibt die anderen Hälfte deines Grundes dein Bauland. Tust du das nicht, widmen wir dir das Bauland, das du seit Jahrzehnten ohnehin nicht bebaust, wieder in Freiland um. (So wollen das übrigens auch die beiden VP-LandesrätInnen Tratter und Palfrader, was den Vorwurf der kommunistischen Weltdorfverschwörung gegen den bescheidenen Großgrundbesitz doch sehr entkräftet).
Aber es ist, und das zeigte die gestrige Gemeinderatssitzung, nicht das „Wie“, sondern das „Dass Überhaupt“:

Denn natürlich wäre dies ein Eingriff ins Eigentum. Ja. Es ist im Vergleich zu den aktuell durch die Decke gehenden Innsbrucker Grundstückspreisen auch eine teilweise „Entwertung“ (Bei einem in den 1960ern gekauften Grund im Vergleich zu den aktuellen Wohnbauförderungs-Quadratmeterpreisen aber wohl kaum). Aber „Enteignung“? Nein. Es ist ein Versuch. Ein Versuch von Teilen der Stadt, die klare Botschaft auszusenden: So darf’s mit den Innsbrucker Wohnungspreisen bzw. Miethöhen nicht weitergehen, wir tun jetzt was, eben: Wohnen muss wieder leistbar werden. Hätte ich selbst ein solches Grundstück, wäre ich wohl „not amused“, müsste aber einsehen: Tja, Eigentum verpflichtet, immerhin funktioniert auch unser Sozial- und Gesundheitssystem solidarisch (zumindest noch): Die, die aktuell mehr haben, geben mehr, damit es letzten Endes allen halbwegs gut geht. Schlecht gehen kann es irgendwann jedem und jeder – wie froh ist man im Notfall um eben dieses solidarische System!

„Bürgerliche“ Schutzhand über Grundbesitzer

Und dann gestern diese sonderbare Sondersitzung. Ein Trauerspiel des gegenseitigen populistischen Schwafelns mit einigen wenigen geistreichen Beiträgen. Endergebnis der gestrigen Sonderbar-Sitzung: Der Gemeinderat entscheidet mehrheitlich, gegen geltendes Landesgesetz zu verstoßen und das Thema Vorbehaltsflächen nicht weiter zu verfolgen. Hä? Richtig gelesen. Über 12 bis 25 Grundbesitzer (so genau wusste das gestern niemand) wird nun also die schützende Hand gestreckt. Weil das „alles so kompliziert ist“ und „keine Garantie besteht, dass auch nur eine Wohnung gebaut werden wird“. Genau so stelle ich mir Politik vor: Beim ersten vielleicht, wahrscheinlich, eventuell auftretenden Problem den Rückzug anzutreten. Bravo.

Eines hat die Diskussion der letzten Wochen aber jedenfalls gebracht: Laut Georg Willi scheint sich ein Grundbesitzer im Stadtteil Amras bereitzuerklären, um den Quadratmeterpreis des geförderten Wohnbaus Grund für leistbares Wohnen bereitzustellen. Und der soll aus den Reihen der ÖVP sein. Jössas, da schau her. Und dann hatte es ÖVP-Klubobmann Anzengruber plötzlich eilig, aufzuzeigen und zu verkünden, dass er von drei weiteren wisse, die dies ebenso überlegen. Jössas, da schau schon wieder her! Bleibt der Eindruck: Dann wird der Bürgermeister innerhalb der Stadtkoalition taktisch wohl daneben gehaut haben – es ist jedenfalls mit all der Begleitmusik und deren Nachhall doch ein knapper Punktesieg für das Thema „leistbares Wohnen“. Nicht mehr, aber ganz gewiss nicht weniger.
Wer hätte das bei diesem gestrigen Sondertrauerspiel inklusive „bürgerlichem“ Njet zu geltendem Landesgesetz gedacht.

Markus Koschuh

One Comment

  1. ÖVP, FPÖ, FI als Schutzherren der Spekulanten. Das ist nun quasi bewiesen. Ich frage mich nur, wieviel die Spekulanten bei Wahlkämpfen springen lassen, damit sie ihren Profit maximieren. Chapeau für den Bürgermeister, der hier ein Problem ganz konkret angeht. Du schaffst es, Georg!

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