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Der Handel mit Träumen

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, kreative Entwicklung ohne Schranken und Unterordnungszumutungen – wen würde diese Idee nicht begeistern? André Stern vermag mit seiner Lebensgeschichte von der glücklichen Kindheit ohne Schule einen besonderen Bann auszuüben. Seine Geschichte erzählt von den Veranlagungen und Fähigkeiten des Kindes, das sich von selbst entfaltet und sich mit Neugier die Welt erschließt.

Da lernt er von den Geistesgrößen seiner Zeit mal eben nebenbei Sprachen, Philosophie, Technik, denn sie gehen im Elternhaus ein und aus, Papa vermittelt ihn an die Gitarrenbauwerkstatt eines Freundes als sich dieses Interesse formiert. Eine schöne glatte, idyllische Geschichte. Ein Märchen?

Deschooling (in etwa: Entschulung) ist als Modell nicht neu und eine Idee der kritischen Pädagogik der 70er Jahre (Ivan Illich). Diese liegt auch den Malorten zur freien kreativen Entfaltung zugrunde, die Andrés Vater Arno Stern in ebendieser Zeit gründete. Es ist immer hilfreich und inspirierend, Dinge anders zu betrachten, als man es gewohnt ist. Unbehaglich wird mir, wenn die Idee zur Inszenierung wird und als populistisches Ideal der Selbstvermarktung inklusive eines unhaltbaren pseudowissenschaftlichen Apparates dient.

Ob es allein Stress und Konkurrenzkampf im sicherlich zu kritisierenden Bildungssystem sind, die Neugier und begeisternde Lernerlebnisse verhindern, sollte ebenso diskutiert werden, wie die Vermarktung dieser, an die gegebenen idealen Umstände und im Elitären bewegenden märchenhaften Lebensgeschichte.

Zuletzt Ende Mai in Innsbruck löste der immer wieder als charismatisch bezeichnete André Stern großes mediales Interesse aus und eine Vielzahl an Artikeln, Berichten, Interviews zeugen vom öffentlichen Interesse an diesem Lebensweg. So charmant dieses Gedankenexperiment auch ist, so kritisch sollte man dennoch die Gesamtinszenierung einer gesellschaftlichen Sehnsuchtserfüllung, die hier stattfindet, betrachten.

Riri

Gast

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