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Das Adabei


Bei allem, was in unserer Welt so kreucht und fleucht gibt es doch ein Lebewesen, das in der Tiroler Kulturlandschaft eine bisher ungesehen rasche Verbreitung findet: Das Adabei.
Das Adabei ist ein seltsames Wesen, das seit Anbeginn der Menschheit in unserer Mitte lebt, jedoch erst mit der Erfindung von Social Media entdeckt wurde und sich seither rasant vermehrt. Dennoch wurde bislang erst wenig bis gar nichts über das Adabei geschrieben, was vielleicht daran liegen könnte, dass das Adabei nur selten bei Tageslicht anzutreffen ist. Das Adabei ist nämlich hauptsächlich abend- und nachtaktiv. Während es andere Lichtquellen strikt meidet ist sein natürlicher Lebensraum das Rampenlicht, in dem es sich nur allzu gerne sonnt.

Während das männliche Adabei eher als großzügig, laut und sozial gilt – ausgestattet mit der überlebensnotwendigen Fähigkeit Getränke zu spendieren und aus Wildfremden in Sekundenschnelle beste Freunde zu machen – halten sich weibliche Adabeis häufig eher im Hintergrund. Den Mangel an Aufmerksamkeit machen sie durch Stutenbissigkeit wieder wett, welche sie gegenüber den spendierfreudigen männlichen Adabeis jedoch gekonnt zu verbergen wissen.

Es ist in der Gattung der Adabeis strikt zu unterscheiden zwischen sogenannten getarnten Adabeis und offensichtlichen Adabeis. Der Unterschied ist dabei in jenem Teil der Realität begründet, der nicht durch Facebookveranstaltungen abgedeckt wird. Getarnte Adabeis betreiben einen hohen Aufwand, um nicht als Adabei wahrgenommen zu werden. Das geht so weit, dass viele von ihnen untertags einer geregelten Arbeit nachgehen und ein weitgehend stabiles Leben führen. Sobald es jedoch Abend wird und die Rampenlichter eingeschaltet werden, verwandeln sie sich und werden zu richtigen Adabeis, die wild um das Zentrum der Aufmerksamkeit kreisen.
Bei den offensichtlichen Adabeis hat der nüchterne Betrachter im Grunde keine Ahnung, was sie eigentlich im realen Leben machen. Der Verdacht liegt nahe, dass sie in einen alljahreszeitlichen Winterschlaf, eine Art Schockstarre verfallen, wenn sie nicht gerade von Veranstaltung zu Veranstaltung ziehen.

So gesehen betreibt das Adabei ein Nomadendasein ohne festen Wohnsitz, ohne Nest. Es wandert jedoch bevorzugt ohne Herde umher und gilt somit als Einzeller, pardon Einzelgänger, auch wenn es sich manchmal spontan zu kleineren Grüppchen, die sogenannte Rudelbildung, zum Zweck eines Veranstaltungsbesuchs zusammenrauft. Man erkennt derartige Grüppchen oder auch Schwärme von Adabeis an deren charakteristischem Gesichtsausdruck, der, übersetzt in die Sprache der Normalsterblichen, bedeutet: „Ich bin zwar mit denen hier, aber nur solange sich nichts Interessanteres ergibt!“. Das Zusammenrauten in Grüppchen dient somit nur vordergründig dem Sozialverhalten, während es hintergründig als Mittel zum Zweck zur Profilierung in der Öffentlichkeit verstanden wird. Da es sich um Grüppchen von mehreren Adabeis handelt, die alle gleichermaßen im Mittelpunkt stehen wollen, beginnt am Veranstaltungsort selbst meist ein Wettkampf, der wie ein seltsames Balzverhalten anmutet. Zum Zwecke des Balzens gibt das Adabei vor, sich besonders gut zu amüsieren, während der Blick immer wieder durch den Veranstaltungsraum schweift, stets auf der Suche nach interessanteren Genossen. Nicht selten kommt es deshalb zu Paarungen des Adabeis mit sogenannten Möchtegerns.

Insgesamt ist das Sozialverhalten des Adabeis somit sozial eher verhalten. Es bleibt stets auf sich selbst gestellt, weshalb das wichtigste Ritual des Adabei das sogenannte „Selfie“ ist. Da es sich selbst häufig nicht mehr spürt, braucht es diese bildliche Vorlage als Beleg dafür, am Leben zu sein und somit zur Erhaltung der eigenen Gattung. Es ist bislang noch nicht erforscht, was mit den Adabei bei einem Selfie-Entzug von mehr als 24 Stunden passiert, Berichten zufolge sind viele Adabeis schon dauerhaft von der Bildfläche verschwunden und gelten seither als vermisst.

Wie genau die Adabeis es dennoch schaffen, sich derartig rasant zu vermehren, ist noch unklar. Bis jetzt weiß man nur, dass alle von ihnen früher einmal ganz normale Menschen waren. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass das Adabei-Gen in jedem von uns begraben liegt. In einer günstigen Mischung aus Rampenlicht und Mittelpunkt beginnt dieses zu wachsen und wir können rein gar nichts dagegen machen. Denn irgendwie, so viel ist klar, sind wir doch alle gerne adabei.

 

BIRGIT HOHLBRUGGER

www.scharfsinnig.at

 

 

Birgit Hohlbrugger

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