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Buchbesprechung: JUBEL OHNE ENDE

„Jubel ohne Ende: Die Universität Innsbruck im März 1938“ beleuchtet die erste Phase nach dem Anschluss. Das Buch behandelt das Schicksal der Verfolgten ebenso wie die Machenschaften jener, die sich dem Nazi-System anbiederten. Die teilweise zum ersten Mal veröffentlichten Dokumente geben Einblick, auf welch perfide Weise sich die so genannte „akademische Elite“ mit den braunen Machthabern arrangierte und gegenseitig denunzierte.

 

Aus dem Klappentext

An der Innsbrucker Universität wurde binnen weniger Tage nach dem »Anschluss« vom 12. März 1938 ein NS-Führungsstab eingerichtet, der die Universität politisch und »rassisch« möglichst rasch auf Linie bringen sollte. Noch hatten sich die Gegner des Nationalsozialismus nicht von dem Schock des Einmarsches der deutschen Truppen erholt, da meldete bereits, am 7. April 1938, der Nationalsozialistische Deutsche Dozentenbund an den Sicherheitsdienst der SS in München die politische Einstellung von über 150 Professoren und Dozenten zum Nationalsozialismus. Im typischen Stil faschistischer Menschenverachtung wurde klassifiziert: »3/4 Jude und daher sofort zu beurlauben.« oder »Jude enthoben«. Es ging auch noch kürzer: »SS-Mann«, »Denunziant«, »NS-Lehrerbund, SA.«

 

Wenn auch manche Formulierungen fast ins Komische abrutschten, wie »völkisch, Traumichnicht.« oder »typischer österr. Mensch, anständig.« – der Terror, der sich hinter nationalsozialistischen oft harmlosen Worten verbergen konnte, ist bekannt.

 

Viele, die unter den Nazis Karriere machten, haben die Universität Innsbruck nach 1945 weiterhin maßgeblich geprägt. Die Einblicke in den menschenverachtenden Denunziationsapparat der Nazidiktatur und die Thematisierung solcher Kontinuitäten machen dieses Buch zu einem bemerkenswerten Forschungsbeitrag.

 

Peter Goller, Georg Tidl
Jubel ohne Ende Die Universität Innsbruck im März 1938
Löcker (2012)

 

Anmerkung: Auch wenn wir uns heute Diktatur und Verfolgung oft nur noch als historische Ereignisse vergegenwärtigen, sollte uns bewusst sein, dass täglich politisch motivierte Verfolgung, Denunziation und Morde stattfinden und diejenigen, die vor Diktatur und Repression fliehen, bei uns meistens in Lager gesteckt werden.

Andreas Wiesinger

2 Comments

  1. Es ist noch viel zu wenig über das Problem der Elitenkontinuität bekannt … ehemalige Nazis, die ihre Karrieren nach 1945 oft fast nahtlos weiterführen konnten und bald wieder in höchsten Ämtern saßen. Die Zweite Republik begann mit diesem Geburtsfehler und bestimmte braune Netzwerke (Ulrichsberg, Kameradschaftsbünde etc.)  sind bis heute wirksam.

  2. Es wäre ein Irrtum zu glauben, „Jubel“ und gezeigte Akzeptanz und  öffentliche Anerkennung faszinierten die früheren und auch heutigen „akademischen Eliten“ nicht! Auch sie sind  – und werden sein – „ fruchtbar noch, aus dem das kroch“!

    Sie sind „gewöhnlich“, sonst gar nichts! Nicht minderheitenfreundlicher, nicht – letztlich – akademisch – universitären Schwüren verpflichtet – einfach hundsgewöhnlich. Sich großteils anpassend. Ich ginge gerne – vor allem mit den „alten Eliten“ zum Denkmal für die in Hartheim ermordeten Kinder (aus Tirol) und erzählte ihnen gerne beim Denkmal für die vertriebenen und ermordeten Mediziner etwa das Schicksal von Prof. Gustav Bayer und seiner Tochter. 1938. Dies ist eine Einladung! Gruß Lothar Müller    

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