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Alphabet – Angst oder Liebe

Schon lange hat mich kein Film mehr so beeindruckt wie Alphabet – Angst oder Liebe. Ich würde mir wünschen, dass Lehrerinnen und Lehrer, Studierende und alle Menschen, die mit Kindern in Kontakt kommen, sich diesen Film ansehen.

[video:http://youtu.be/GInqHl8MnIU]

Bildung ist der Schlüssel für unser Verständnis von der Welt und wir alle lernen, sobald wir uns mit unserer Umwelt beschäftigen. Das Bildungssystem befindet sich fast überall auf der Welt in einem grundlegenden Umbruch: Wie sollen Kinder und Jugendliche auf eine sich immer schneller verändernde Welt vorbereitet werden? Neue Informationstechnologien erfordern neue Gedankengänge und Kreativität, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Der Film "Alphabet" zeigt bisweilen drastisch, wie Leistungsdruck und Konkurrenzdruck die Schulen rund um den Globus prägen. Es geht um Anpassung und Evaluation, Wissen wird in abprüfbare Informationen zerlegt statt neue Denkwege zu erproben. An den Schulen lässt sich der Zustand jeder Gesellschaft ablesen: Wenn Wettbewerb und Effizienz unhinterfragbare Dogmen sind, werden Kinder zum Material, das "passen" muss – oder gnadenlos aussortiert wird.

Noch bis Ende Oktober im Leokino/Cinematograph 


Andreas Wiesinger

8 Comments

  1. Habe den Film auch gesehen. Habe ihn auch im Großen und Ganzen – so als vielleicht  provokanten Diskussionsanstoß – recht gut gefunden, doch erschien er mir am Ende auch ein wenig zu einseitig. So im Sinne von schafft einfach die Schulen ab und alles wird gut, und jede/jeder ist ein Genie, so wie jede/jeder ein Künstler ist, wenn man ihn/sie nur lässt.
    Habe auch am Wochenende wieder so eine kleine Bildungsdiskussion erlebt, die eine sagte, falsch verstandene Toleranz verhindert es, wenn so viele ausländische Kinder nicht Deutsch können, weil anscheinend die Grünen und Roten es verhindern, dass ausländische Kinder, bevor sie in unsere Schule kommen, Deutsch lernen müssen, die war aber sicher keine FPÖ-Sympathisantin. Ein anderer, Schul- und Jugendsozialarbeiter, sagte, die Lehrergewerkschaft blockiere alles, es gibt immer mehr Analphabeten, die Schule schaffe das mit ihren heutigen Einrichtungen nicht mehr. Die Eltern schimpfen auf die Lehrer/innen, die Lehrer/innen auf die Eltern und die Politik. Und so geht es weiter. Die ganze Bildungsdiskussion scheint mir irgendwie ohne Anfang und ohne Ende. So wie der sprichwörtliche rote Faden, den man schon längst verloren hat. So gesehen hat der Film Alphabet sicher seine Berechtigung, wenngleich er auch keine wirklichen Lösungen anbieten mag

    • Helmut, wie würden Sie die "Problematik" mit dem Deutsch der Migrantenkinder angehen? Woher nehmen Sie die Information, dass ausländische Kinder bei der Einschulung generell kein Deutsch sprechen? Sie klatschen das nämlich recht nonchalant hin. Mir selbst ist niemand bekannt, der in Österreich aufgewachsen und hier zur Schule gegangen ist kein Deutsch kann. Interessanterweise ist ständig von derartigen Missständen die Rede, n.b. in Kreisen von Einheimischen.

      Handelt es sich bei Ihren Bedenken vielleicht nicht doch eher um Empfindungen und diffuse Ängste als um nachweisbare Fakten?

      • Ich stelle das nicht als Behauptuing auf sondern ich gebe es nur wider, wie ich es am Wochenende bei einer Diskussion gehört habe. Und ich könnte mir für mich auch nicht vorstellen, dass ich, wenn ich als kleines Kind in ein anderes Land gekommen wäre, die Sprache dieses Landes gleich beherrscht hätte, dass ich ihr als Unterrichtssprache hätte folgen können. Aber es heißt ja auch immer wieder, Kinder lernen spielerischer als wir Erwachsenen das tun, aber sie müssen eben auch die Gelegenheit dazu bekommen. Und wer spricht mit Ihen? Eltern, Erwachsene, oder doch hauptsächlich nur Kinder?  . Eben eine spannende Geschichte. Aber ich würde auch kein Problem darin sehen, wenn Kinder von Zuwanderern zuerst die Sprache lernen, ehe sie richtig den Schulunterricht besuchen.

        • Sehen Sie, Sie geben ja doch nur wieder, was der Tiroler Stammtisch hergab.

          Da sich mittlerweile die sogar die ÖVP für ein verpflichtendes Deutsch-Vorschuljahr für Kinder von Migranten einsetzt, dürfte sich Ihr Anliegen leider ohnehin im salonfähigen Bereich bewegen.

          Es stellt sich allerdings die Frage, was man mit einheimischen Kindern macht, die sprachliche Defizite haben. Sollen sich diese dazugesellen oder wollen wir, wenn schon, dann richtig segregieren? 

          Glauben Sie nicht, dass Sprachentwicklung im früheren Kindesalter am ehesten etwas mit der Herkunftsschicht zu tun hat, sprich mit jenem, was von den Eltern vorgelebt wird, und zwar unabhängig von deren Nationalität?

          In einem Punkt haben Sie allerdings nicht Unrecht: Kinder lernen tatsächlich schneller und spielerischer als Erwachsene. Einwandererkinder erweisen sich oftmals als sehr resilient und "ressourcenreich". Erfolgreich untergraben kann man das jedoch, wenn man diesen sensiblen Wesen schon von Beginn an ihren Platz im Séparée zeigt und ihre Muttersprachen als nicht fancy enough genug stigmatisiert. An so etwas Elementares wie die erste Sprache eines Kindes müsste man sich wohlüberlegt herantasten. Aber das wird schon zuviel verlangt sein, sich die eigenen Kinder in deren Schuhen vorzustellen, oder sich selbst als Kind.

          • Nun was die einheimischen Kindern anlangt, da müsste man sich wohl mal eher das Elternhaus anschauen, da müssen ja schon die Eltern sprachliche Defizite haben, oder sie sind nicht willens oder haben einfach keine Zeit, sich um die sprachliche Erziehung ihrer Sprösslinge zu kümmern. Womit sich der Kreis ja wieder schließen würde: Eltern nehmen immer weniger Verantwortung auf sich, um sich um die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer Kinder zu kümmern. Und das, obwohl es noch nie so einfach war, sich selbstbestimmt für oder gegen KInder zu entscheiden

  2. "jeder weiß, dass die schule nicht das leben ist. mein leben aber ist die schule. das heißt, dass da etwas falsch gelaufen sein muss."

    schöner satz, aber dank spö und grünen haben wir auch bald in österreich flächendeckend ganztagsschulen, in denen kinder von morgens bis abends eingesperrt werden können, und nur mehr zum schlafen nach hause kommen.
    man muss nur nach frankreich schauen, wo schon die kleinsten den ganzen tag von aussenstehenden betreut werden, und die eltern eigentlich nur mehr die rolle des ernährers spielen. der vorteil ist natürlich, dass die mütter wieder so schnell wie möglich ins erwerbsleben einsteigen können, am besten schon nach 2-3 monaten.
    das paradoxe ist nur, der überwiegende teil der erziehungsarbeit wird dann zwar nicht mehr von der eigenen mutter übernommen, aber immer noch von frauen. warum nennt man das emanzipation? ich nenne das moderne sklavenarbeit, denn diese jobs sind meist schlecht bezahlt. anders könnten es sich die meisten auch gar nicht leisten.
    das ganze ist auch nicht modern oder eine neue entwicklung. ammen und kindermädchen gibt es schon jahrhundertelang. damals eben nur für adlige.

    • Ja, ich frage mich da auch manchmal, wo da noch Fortschritt ist, wenn Kinder einfach "abgegeben" werden. Zuerst die Kita, dann der Kindergarten, der sicher auch notwendig sein mag, vor allem auch für die soziale Entwicklung des Kindes, dann die Schule für den ganzen Tag. Im Film sagt das ja interessanterweise auch ein junges Mädchen, dass Angst hat, dass sie dann für vieles keine Zeit mehr hat., für Freundschaften, Hobbys, sonstige Dinge. Oberstes Prinzip ist die Wirtschaft, nach der muss die Kindheit mehr oder weniger organisert werden, außer Frau/Mann hat so viel Geld zur Verfügung, dass es kein Problem ist, sich selbst um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Das scheint auch die Linke nicht zu begreifen, dass Kinder da schon fast "proletarisiert" werden: Den ganzen Tag in die Schule hinein, egal, ob das der Lernförderung und psychischen Entwicklung des Kindes gut tut, und unsere Schulen in den meisten Fällen für so etwas ja auch gar nicht gebaut und eingerichtet sind.

  3. Allen, die sich ein bisschen mit dem Thema befassen dürfte klar werden, dass "Ganztagesschule" nicht "den ganzen Tag in der Schule sitzen" bedeutet. Es geht darum, Unterricht und Freizeitangebote, Mittagsessen, Sport und Aufgabenbetreuung sinnvoll miteinander zu verbinden.

    Die traditionellen Familienmuster werden immer mehr zur Ausnahme: Viele Kinder kommen am frühen Nachmittag nachhause und außer Fernseher und PC erwartet sie niemand. Hausaufgaben und Lernen auf Schularbeiten und Tests sind für viele Familien ein einziger Stress. Wer Kinder allein erzieht, ist froh über jede Unterstützung. Es geht auch nicht um Zwang, sondern um ein Angebot: Während in den meisten europäischen Ländern Schulunterricht schon lange über den Tag verteilt wird, sind solche Formen in Österreich meistens auf teure Privatschulen beschränkt.

    Eine moderne Schule könnte von 9 Uhr vormittags bis 5 Uhr viele Chancen bieten und gerade Kinder aus bildungsfernen Haushalten unterstützen – für einen Lebensraum Schule statt öden Bildungsfabriken.

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